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InterviewNutzfahrzeug

Wie der eActros 400 entstand – Sieben Fragen an Tobias Jung von Daimler Truck

Unter Rückgriff auf die Technik ihres E-Flaggschiffs eActros 600 haben die Entwickler von Daimler Truck einen Ableger geschaffen: den eActros 400 mit zwei statt drei Batteriepaketen. Kaum einer kennt dieses Fahrzeug besser als Tobias Jung (26). Wir haben mit dem Projektleiter für die eActros-Portfolioerweiterung über die Entwicklung des Fahrzeugs und die neue Variantenvielfalt gesprochen.

Diese Woche hatte der neue eActros 400 seinen ersten offiziellen Auftritt: Im Werk Molsheim bei Straßburg stellte Mercedes-Benz Trucks den neue E-Lkw-Ableger vor Journalisten vor – auch electrive war dabei (Hier geht es zu dem ausführlichen Bericht). Klar ist: Das Fahrzeug erfüllt eine wichtige Funktion, soll es die eActros-Familie doch variantenreicher und gleichzeitig produktionsfreundlicher machen. Aus der „alten Garde“ von E-Lkw mit Stern wird im Umkehrschluss nur noch der eEconic bleiben. Die seit 2021 gefertigte und noch mit NMC-Batterien gestartete Baureihe eActros 300/400 läuft aus.

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Herr Jung, wie lange haben Sie und Ihr Team am eActros 400 entwickelt?

Das Projekt hat Anfang, Mitte 2023 gestartet – sprich: Vom Beginn der Konstruktion bis zum Bau erster Serienfahrzeuge haben wir zwei, zweieinhalb Jahre gebraucht.

Bei Null mussten Sie ja nicht anfangen. Der eActros 400 übernimmt viele zentrale Komponenten des elektrischen Fernstrecken-Lkw eActros 600. Worin bestand denn die Komplexität?

Genau, der eActros 600 war ein Frontrunner-Projekt mit vielen neuen Technologien, bei dem wir uns bewusst zunächst auf drei fernverkehrstypische Radstände spezialisiert haben. Mit der Portfolio-Erweiterung und dem eActros 400 gehen wir jetzt in die Breite. Und angesichts dieser größeren Bandbreite an Baumustern und Radständen galt es vor allem, die Fahrzeuge an mehreren Stellen neu auszutarieren. Bei kleineren Radständen haben wir beispielsweise höhere Schwingungsbelastungen, bei längeren Radständen gibt es andere Anforderungen an die Bodenfreiheit. Und man darf auch nicht vergessen: Die Batterie hat im E-Lkw eine versteifende Wirkung. Wenn man ein Batteriepack weglässt, muss man sich auch bei diesem Thema neu Gedanken machen.

Daimler Truck gibt an, mit dem 400er und den neuen Variationsmöglichkeiten mehr Auswahl für die Kunden zu schaffen. Inwieweit spielen beim Launch auch Produktions-Überlegungen eine Rolle?

Sowohl der eActros 600 als auch der eActros 400 werden im Werk Wörth auf dem gleichen Band hergestellt, im Modellmix mit konventionell angetriebenen Diesel-Lkw. Sprich: Vom Produktionskonzept gleichen sich beide. Die erste Generation unserer E-Lkw lief zwar auch auf diesem Band, musste aber noch in einer extra Halle elektrifiziert werden.

Der eActros 400 ist rein auf das CCS-Laden ausgelegt. Megawattladen wird nicht angeboten. Haben Sie denn über die Integration eines MCS-Ports nachgedacht?

Ja, es wurde darüber nachgedacht. Wir haben uns aber für den Anfang zunächst bewusst dagegen entschieden. Mit den zwei Batteriepacks wäre es aktuell aufgrund der maximal möglichen Stromstärke auch nicht möglich, mit 1.000 Kilowatt zu laden. Zudem steht der Ausbau der Ladeinfrastruktur für Megawattladen erst ganz am Anfang. Wir behalten es uns aber vor, den MCS-Port zum gegebenen Zeitpunkt nachzuschieben. 

Der 400er übernimmt die Herzstücke wie Antrieb und Batterien vom 600er. Sind Gleichteile bei der Elektrifizierung noch wichtiger als im herkömmlichen Verbrenner-Bereich?

Natürlich ist ein Unternehmen immer bestrebt, die Varianz so gering wie möglich zu halten. Viele verschiedene Bauteile sind immer ein Kostentreiber. Deshalb gilt unabhängig von der Antriebsart immer das Grundcredo, die Bauteil-Varianz auf ein Minimum zu begrenzen, dabei aber die Vielfalt von Baumustern für die Kunden zu maximieren. Wenn wir jetzt den eActros 400 und 600 anschauen entspringen sie natürlich einer Familie und verwenden viele Gleichteile – um am Ende vom Tag Synergien zu heben.

Warum wird der eEconic als einziges E-Fahrzeug der ersten Generation denn dann beibehalten?

Das war eine ganz bewusste Entscheidung von unseren Produktstrategie-Kollegen, die sich dafür entschieden haben, den eEconic auf der bisherigen Plattform weiterlaufen zu lassen. Einer der Haupttreiber ist die Batterie: Der eEconic ist ein Niederflurfahrzeug mit entsprechend niedrigem Rahmen. Die Batterien mit LFP-Zellen bauen in unseren Fahrzeugen der zweiten Generation aber deutlich höher auf als die NMC-Zellen im eEconic. Aber natürlich beschäftigen wir uns auch beim eEconic mit der Frage, wie wir die Batterietechnologie weiterentwickeln und an den eEconic und seine Rahmenhöhen-Anforderung anpassen können. 

Was macht Ihr Entwicklungs-Team denn jetzt, wo die Weltpremiere rum ist?

Das Projektteam hat sich in der Tat um den eActros 400 versammelt. Wir waren crossfunktional zusammengesetzt mit Mitarbeitern aus verschiedenen Fachfunktionen. Nach einer Serienübergabe ist es üblich, dass sich das Projektteam schlicht auflöst. Aber häufig sieht man sich dann in anderen Projekten wieder. Und in Nachfolgeprojekten bringt jeder wieder seine rund um den eActros 400 gewonnene Expertise ein.

Herr Jung, haben Sie vielen Dank!

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