OTA-Updates und 800 Volt: Mercedes gibt Ausblick auf den nächsten Sprinter
Kein anderer Hersteller schaut auf eine derart reiche Nutzfahrzeug-Historie zurück wie Mercedes-Benz. Vor fast 130 Jahren erfand Carl Benz den ersten motorisierten Lieferwagen. Vor drei Jahrzehnten revolutionierten die Schwaben dann das Transporter-Segment. Der erste Sprinter setzte in Sachen Fahrleistungen, Komfort und Sicherheit neue Maßstäbe und der Modellname steht heute in der Bevölkerung symbolisch für das gesamte Segment.
2018 führte Mercedes-Benz Vans die dritte Sprinter-Generation ein, die ab dem darauffolgenden Jahr erstmals auch mit einem reinen Elektroantrieb erhältlich war. Die BEV-Varianten erhielten 2024 nochmal ein umfassendes Upgrade, in dessen Zuge auch von Front- auf Heckantrieb umgestellt und die Effizienz des Antriebsstrangs erheblich gesteigert wurde.
Sprinter Nummer Vier im Anflug
Für das kommende Jahr plant Mercedes die Einführung der vierten Generation der Van-Familie, bei welcher der Elektroantrieb eine deutlich größere Rolle spielen wird. Ursprünglich hatten die Schwaben sogar angekündigt, dass diese ausschließlich aus rein elektrischen Modellen bestehen wird. Der Mutterkonzern hat sich aber mittlerweile von seinem konkreten Ausstiegsdatum aus der Verbrenner-Technologie verabschiedet und seine Elektrifizierungsstrategie deutlich aufgeweicht.
Aufgrund des hinter den Erwartungen zurückgebliebenen Elektro-Wachstums setzen die Schwaben wieder verstärkt auf Hybride und Verbrenner. Zusätzlich zur reinen E-Architektur VAN.EA (Van Electric Architecture) entwickelt Mercedes Benz Vans aktuell eine auf Verbrennungsmotoren zugeschnittene Variante, die das Kürzel VAN.CA (Van Combustion Architecture) trägt.
Trotz der unterschiedlichen Antriebsarten sollen sich die beiden Architekturen 70 Prozent der Komponenten teilen, was das Ganze trotzdem einigermaßen wirtschaftlich machen dürfte. Beide neuen Plattformen sollen eine hohe Modularität gewährleisten und eine stärkere Differenzierung zwischen den Pkw- und Nutzfahrzeugvarianten ermöglichen – selbst beim Sprinter, der ja auch als Personentransporter und Kleinbus angeboten wird und entsprechend beliebt ist.
800-Volt-Technik verspricht kurze Ladezeiten
Wir konzentrieren uns auf die reinen Elektrovarianten der kommenden Van – und Nutzfahrzeug-Generation. Bei den für den Personentransport und Privatkunden gedachten Varianten – Mercedes spricht dabei von „Grand Limousines“ – fährt Mercedes zweigleisig. Schon der VLE, der Anfang 2026 kommende Nachfolger der V-Klasse beziehungsweise dessen E-Version EQV, soll ein hohes Maß an Komfort und Platz bieten.
Darüber wird der neue VLS positioniert, ein waschechter Luxus-Van, auf den die Stuttgarter im vergangenen April mit der Studie „Vision V“ hingedeutet haben. Sowohl der VLE als auch der VLS taugen mit bis zu acht Sitzen nicht nur für den konventionellen Personentransport, sondern auch als gediegene VIP-Shuttles oder mobile Büros. Für letztere soll vor allem auf dem chinesischen Markt eine große Nachfrage bestehen.
Einige Monate nach dem VLE folgen im kommenden Jahr die elektrischen Nutzfahrzeuge, die wie gewohnt in den verschiedensten Versionen geordert werden können. Neben klassischen Kastenwagen in mehreren Längen und Höhen, wird es auch Kipper und Fahrzeuge mit Pritsche geben. Technisch macht Mercedes mit dem Generationswechsel einen großen Sprung: Wie die vollelektrischen Versionen des neuen CLA und GLC stellt der Hersteller auch bei den E-Varianten des Sprinter und dessen Ablegern auf 800-Volt-Technik um.
Dies soll deutlich schnellere Ladevorgänge ermöglichen. Ein getarnter Prototyp des VLE ist sogar schon zum Beweis angetreten. Er spulte die 1.090 Kilometer von Stuttgart nach Rom innerhalb von 13 Stunden ab. Dabei musste er nur zweimal für jeweils 15 Minuten an eine Ladestation. Die zivilen als auch die gewerblichen Varianten verfügen zukünftig zumindest optional über eine Hinterachslenkung, mit der die Manövrierbarkeit erhöht, der Wendekreis verkleinert und das Handling optimiert werden soll. Erste Erlkönigbilder haben dieses Feature bereits in Aktion gezeigt.



Eine Skulptur gibt Hinweise auf das Design
Bei einem Event anlässlich der beiden Sprinter-Jubiläen gab Mercedes kürzlich einen ersten Ausblick auf die kommende Generation Nummer vier. In diesem Rahmen wurde auch eine Steinskulptur namens „The Boulder“enthüllt, die erste Hinweise auf das Design des Transporters gibt. Bei ihr handelt es sich um einen 6,50 Meter langen, 2,75 Meter breiten und 2,50 Meter hohen Felsblock, bei dem an den entscheidenden Stellen die Grundzüge des Designs aus dem Stein gemeißelt wurden.
Vor allem der Frontgrill ist bereits gut erkennbar. Der nächste Sprinter scheint eine ziemlich lange und flach stehende „Motorhaube“ zu bekommen. Er scheint noch klassischere Verbrenner-Proportionen als sein Vorgänger zu haben, was angesichts der wachsenden Bedeutung des E-Antriebs etwas irritiert. Die lange Schnauze könnte aber auch ein erster Hinweis darauf sein, dass der Sprinter einen Frunk bekommt. Der Heckantrieb der kommenden Generation würde dies rein theoretisch ermöglichen.
Auch Apps anderer Anbieter können integriert werden
Auch die Connectivity und die Software der nächsten Auflage hat Mercedes-Benz Vans bei der Veranstaltung vorab beleuchtet. Mit der dritten Sprinter-Generation debütiert die neueste Version des Mercedes Betriebssystems „MB.OS“ (Mercedes Benz Operating System), das in der PKW-Sparte bereits bei den EQ-Modellen CLA und GLC zum Einsatz kommt. Schon der Vorgänger spielte dank seiner MBUX-Integration im Nutzfahrzeug-Segment in Sachen Digitalisierung ganz vorne mit.
Mercedes spricht bei dem System auch von einer „Chip to Cloud“-Architektur, mit der sich alle Sensoren und Aktuatoren präzise ansteuern und einstellen lassen. Dies soll sich nicht nur bei den Komfort-Features, sondern auch beim Infotainmentsystem positiv bemerkbar machen und das Ladeerlebnis verbessern. Zudem kann das Fahrzeug über Over-the-Air-Updates auch Jahre nach seiner Auslieferung auf dem neuesten Stand gehalten werden. Und das, ohne die Werkstatt aufsuchen zu müssen.
Um dies zu ermöglichen, sind die kommenden Nutzfahrzeuge aus dem Hause Mercedes mit Hochleistungsrechnern ausgestattet, die mit der Cloud des Herstellers verbunden sind. Das neue Betriebssystem soll auch die Integration von Apps und Software-Lösungen anderer Unternehmen ermöglichen. So wird es beispielsweise möglich, direkt über das Infotainmentsystem auf ein Fuhrparkmanagement-Programm zuzugreifen. Dazu kommen konzerneigene digitale Dienste wie das Diagnose-Tool „Van Uptime-Monitor“, das dabei hilft, die Betriebszeit zu maximieren und damit die Effizienz zu erhöhen.





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