
Weltpremiere des Twingo E-Tech Electric: Das kann Renaults „Game Changer“ bei den Elektro-Kleinwagen
Dass es derzeit relativ wenige Kleinwagen – egal ob Verbrenner oder Elektro – auf dem Markt gibt, spricht Renault offen an. „Angesichts der Schwierigkeit, Wettbewerbsvorteile, die Einhaltung von Normen und das Erfüllen moderner Kundenerwartungen unter einen Hut zu bringen, haben sich die meisten Hersteller einfach aus diesem Segment zurückgezogen“, schreiben die Franzosen. Sprich: Es lohnt sich oft nicht, Kleinwagen zu entwickeln und zu bauen – weil zu dem Preis, der bei dem Aufwand eigentlich verlangt werden müsste, kein Kunde das Auto kaufen würde.
In Zeiten, in denen es viele Autobauer eher in Richtung der höherwertigen und margenträchtigeren Segmente zieht, will Renault nach eigenen Angaben die Lücke im Kleinwagen-Segment „als große Wachstumschance“ begreifen und hat nach der elektrischen Neuauflage des Renault 5 jetzt auch den Twingo neu aufgelegt – ebenfalls rein elektrisch.
Zwar gab es noch bis zum Jahr 2024 einen Twingo im Renault-Angebot, doch aus dem kultigen Modell der 90er Jahre ist zuletzt ein eher austauschbarer Kleinwagen geworden. Schon die 2023 vorgestellte Studie hat aber klar gemacht, dass es bei der nun vierten Generation wieder zurück zu den Wurzeln gehen soll. „Um den Geist des Twingo zum Leben zu erwecken, übernimmt das neue Modell die DNA der ersten Generation und versieht sie mit einem einzigartigen, zeitgemäßen Flair“, so die Franzosen.
Renault verspricht „bestes Elektro-Erlebnis im A-Segment“
Nichts mit der DNA der ersten Generation zu tun hat der Antrieb: Der ist beim Twingo E-Tech Electric – wie der Name sagt – nur noch rein elektrisch. Die E-Maschine leistet 60 kW und soll den in der Basisausstattung Evolution nur 1.200 Kilogramm leichten Twingo in 3,85 Sekunden beschleunigen – auf Tempo 50, nicht auf 100 km/h. Dann sind es schon 12,1 Sekunden, bei 130 km/h ist ohnehin Schluss. Renault selbst spricht vom „besten Elektro-Erlebnis im A-Segment“ sowie von „erschwinglichen Elektrotechnologien und praktischen Services, die die Nutzung des Fahrzeugs im Alltag erleichtern und den Umstieg auf Elektrotechnologie fördern“.
Wichtiger für die Attraktivität eines E-Kleinwagens ist hingegen die Batterie – sie entscheidet mit über die Reichweite und ist bei preissensiblen Fahrzeugen ein wichtiger Kostenfaktor. Kein Wunder also, dass Renault hier (anders noch als beim Renault 5) auf die günstigeren und robusten LFP-Zellen setzt. Erst 2024 hatten die Franzosen angekündigt, künftig auch auf die Lithium-Eisenphosphat-Mischung zu setzen. Die Zellen für den Twingo liefert Weltmarktführer CATL zu, sie werden im Cell-to-Pack-Verfahren ohne Module direkt ins Batteriepack integriert und kommen so auf einen nutzbaren Energiegehalt von 27,5 kWh – was laut Renault wiederum für bis zu 263 Kilometer WLTP-Reichweite sorgen soll.










Natürlich würden sicher einige Kunden auch mehr Reichweite nehmen, aber das wäre nicht mit dem günstigen Preis vereinbar. Die Rede ist von einem „für den Einsatz in der Stadt ideales Verhältnis von Kosten und Reichweite“. Da mit Maßnahmen wie dem Cell-to-Pack-Prinzip die Energiedichte auf Pack-Ebene wieder etwas erhöht werden konnte, sollen mit den günstigeren Zellen die Batteriekosten um 20 Prozent niedriger ausfallen. „ All diese Faktoren spielten eine wichtige Rolle für die Entwicklung eines Fahrzeugs, das erschwinglich in der Anschaffung und sparsam im Betrieb ist – und in der Lage, ein Fahrzeug derselben Klasse mit Verbrennungsmotor zu ersetzen“, so Renault.
Wichtig ist aber festzuhalten, dass die Entwickler nicht an der falschen Stelle gespart haben. LFP-Zellen sind zum Beispiel kälteempfindlicher als NMC-Batterien mit Nickel, Mangan und Kobalt. So können bei niedrigen Temperaturen Antriebs- und Ladeleistung teils empfindlich sinken, wenn der Akku zu kalt ist – und man sich wie Stellantis bei den E-Kleinwagen auf Basis der CMP Smart Car die Batterieheizung spart. Das hat Renault nicht getan, Akku und Innenraum können etwa per App vorgeheizt werden. Und auch bei der EV-Routenplanung des Navis wird der Akku automatisch vorkonditioniert, wenn es an einen Schnelllader geht.
| Twingo E-Tech Electric | |
|---|---|
| Antrieb | FWD |
| Leistung | 60 kW |
| Drehmoment | 175 Nm |
| Beschleunigung | 12,1 s |
| Höchstgeschwindigkeit | 130 km/h |
| WLTP–Reichweite | 263 km |
| Batteriekapazität | 27,5 kWh |
| Ladeleistung DC | 50 kW |
| Ladezeit DC 10-80% | 30 min |
| Preis | unter 20.000 Euro |
Dort angekommen kann der Twingo Electric mit bis zu 50 kW DC laden – zumindest in Deutschland selbst in der Basisversion serienmäßig. Der Standard-Ladevorgang von zehn auf 80 Prozent soll dann 30 Minuten dauern. Mit dem 11-kW-AC-Lader soll man in 2:35 Stunden von zehn auf 100 Prozent laden können. Der Onboard-Charger ist zudem bidirektional: Über den Vehicle-to-Load-Adapter können externe Geräte mit bis zu 3,7 kW versorgt werden. Ob es auch die Vehicle-to-Grid-Funktion aus dem Renault 5 im Twingo geben wird, hat Renault noch nicht bestätigt.
Es zeigt sich aber auch, dass bei den Kosten straff kalkuliert wurde. Ab der Ausstattung Techno gibt es im Twingo die One-Pedal-Funktion und Schaltwippen am Lenkrad, um die Stärke der Rekuperation einzustellen. Das heißt auch: Im 20.000-Euro-Modell der Ausstattung Evolution gibt es diese Funktion nicht. Dafür ist etwa das „OpenR link“-Infotainmentsystem mit integrierten Google-Funktionen an Bord – also etwa der aus anderen Modellen bekannte EV-Routenplaner von Google Maps. Und auch der virtuelle Assistent Reno ist nach seinem Einstand im Renault 5 E-Tech und Renault 4 E-Tech im kleineren Twingo verfügbar. Über den Avatar können einige Fahrzeugfunktionen gesteuert werden (bis hin zur Ladeplanung wie „Hey Reno, plane eine Ladung für morgen um 8 Uhr“) oder dank der Integration der 4.0-mini-Version von Chat GPT kann er „auch leicht verständliche Antworten auf viele Fragen zum Allgemeinwissen geben“.
All diese Technik ist heute wohl nötig, um die Kundenerwartungen an einen Neuwagen zu erfüllen. Als Kleinwagen im A-Segment darf der Twingo aber auch nicht zu groß ausfallen, muss aber dennoch praktisch sein. Mit 3,79 Metern Länge, 1,72 Metern Breite und 1,49 Metern Höhe bei 2,49 Metern Radstand fällt der neue Twingo für 2025er Maßstäbe tatsächlich klein aus. Die erste Generation war mit 3,43×1,63×1,42 Metern aber doch noch ein Stück kleiner. Ein großer Unterscheid: Der Twingo der Neuzeit ist ein Fünftürer. Dabei fällt aber auf, dass es doch nicht alle Designelemente der Studie in das Serienmodell geschafft haben: Bei dem zum Pariser Autosalon 2024 gezeigten Concept Car hatte Renault noch die ikonische Form des Türgriffs des Ur-Twingos zitiert und die hinteren Türen sehr gut versteckt. Mit Bügel-Griffen rundum mag das Serienmodell zwar praktischer sein, etwas von dem Kult-Faktor geht dennoch verloren. Auch wenn das Design an sich stimmig wirkt, ohne nur eine Kopie der Vorlage zu sein – das Design wurde an den passenden Stellen weiterentwickelt, dass es immer noch ein moderner Neuwagen ist.
Die zusätzlichen Zentimeter rundum will Renault voll für den Nutzwert eingesetzt haben. So soll es einen bis zu 360 Liter großen Kofferraum und mehr als 1.000 Liter Ladevolumen bei umgeklappten Rücksitzen geben – zudem kann die Lehne des Beifahrersitzes umgeklappt werden, sodass bis zu zwei Meter lange Gegenstände transportiert werden können, „von denen man nie gedacht hätte, dass sie in ein so kleines Auto passen“. Und unter dem Boden gibt es ein 50 Liter großes Staufach, wo etwa das Ladekabel untergebracht werden kann. Auch im Innenraum gibt es zahlreiche Ablagen, die mit Zubehör aus dem 3D-Drucker noch individualisiert werden können.










Renault verspricht zudem – Zitat – vier „echte” Sitze für Erwachsene. Möglich macht das ein Feature, das an den ersten Twingo angelehnt ist: Serienmäßig sind die beiden Rücksitze einzeln voneinander um bis zu 17 Zentimeter verschiebbar. So können die Kunden selbst wählen, ob sie die bis zu 360 Liter Kofferraum benötigen oder 160 Millimeter Kniefreiheit für die Passagiere auf der Rückbank.
Renault verschlankt das Angebot
Rein technisch basiert der Twingo E-Tech Electric übrigens auf der Plattform AmpR Small, welche auch die Grundlage für den Renault 5 und Renault 4 bildet – allerdings mit einigen Anpassungen. Die Vorderachse ist zwar identisch, allerdings wurde für die Kostenoptimierung die Mehrlenker-Hinterachse durch eine flexible Achse ersetzt, die auf dem Fahrwerks-Set-up des Renault Captur basiert. Zugleich wurden die Räder in die Ecken des Fahrzeugs verschoben, hinten beträgt der Überhang nur 55 Zentimeter.
Und um bei den Kosten im Rahmen zu bleiben, wurden zahlreiche Entscheidungen getroffen, um Dinge zu vereinfachen. So gibt es den neuen Twingo nur in vier Farben – Rot, Gelb, Schwarz und Grün, wobei das „Absolut-Grün“ recht genau dem Lack des Showcars entsprechen soll. Früher wären es wohl mindestens zehn verschiedene Lackierungen gewesen, auf die das Werk hätte vorbereitet werden müssen. Ein weiteres Beispiel: Noch im Megane E-Tech Electric hab es in Summe elf technisch verschiedene Auslegungen der Klimaanlage, obwohl der Kunde praktisch nur zwei Auswahlmöglichkeiten hatte. Beim Twingo wurde „bereits in der Konstruktionsphase eine einfachere Lösung gewählt“ – genauer wird Renault an dieser Stelle aber nicht.
Wer bei Summe an Spezial-Entwicklungen denkt, dass es ein sehr langwieriger Entwicklungsprozess war, der irrt. Der Twingo wurde als erstes Modell nach dem „Leap 100“-Konzept entwickelt, wobei die 100 für 100 Wochen steht – also in weniger als zwei Jahren. Und wer denkt, dass es sich bei einem neuen Modell eines französischen Herstellers, das im Werk Novo Mesto in Slowenien gebaut werden soll, um ein europäisches Projekt handelt, der irrt sich nochmals. Denn möglich wurde dieses Tempo vor allem durch eines: den in der Autobranche viel zitierten „China-Speed“.
Produktion in Europa, Entwicklung in China
„Um ein erschwingliches und wettbewerbsfähiges elektrisches Stadtfahrzeug anzubieten, reicht es jedoch nicht aus, nur den Preis anzupassen. Renault musste seine Konstruktions- und Produktionsmethoden grundlegend überdenken“, teilt Renault mit. Und: „ Der Twingo E-Tech Electric wurde schneller entwickelt als jedes andere Modell in der Geschichte von Renault.“ Obwohl er doppelt so schnell entwickelt wurde, soll er die „neuesten Qualitätsstandards des Konzerns“ erfüllen. Darin sieht Renault einen Beleg für die eigene Fähigkeit, „mit einem sich schnell verändernden Markt Schritt zu halten“.
Nur: Der entscheidende Eckpfeiler aus dem Trio der Elektroauto-Tochter Ampere und dem Montagewerk Novo Mesto hört auf den bisher recht unbekannten Namen ACDC. Dahinter verbirgt sich das Forschungs- und Entwicklungszentrum der Renault Group in Shanghai, das speziell für Elektroautos eingerichtet wurde – obwohl Renault mit seiner Marke in China gar nicht aktiv ist. Ampere aus Frankreich hat zwar die Plattform zur Verfügung gestellt und die elektronischen Systeme, Software, Multimedia-Komponenten und Assistenzsysteme entwickelt. Das gesamte Engineering rund um den wichtigen Antriebsstrang kommt aber aus China. Die dortige Einrichtung habe „das Projekt vorangebracht, indem sie eng mit lokalen Partnern und neuen Industrieunternehmen zusammengearbeitet hat“ – also mit CATL für die Auslegung der Batterie und Shanghai e-drive für den Antrieb.
Zwar schreibt Renault: „Durch diese gemeinsame Anstrengung konnten die üblichen Entwicklungszeiten verkürzt und die Kosten optimiert werden, ohne Kompromisse bei der Qualität einzugehen.“ Und hat damit vermutlich recht. Doch es zeigt auch die neue Realität: Wenn man es mit einem kollaborativen, funktionsübergreifenden Prozess ernst meint, kommt man derzeit an China kaum vorbei. Nicht nur bei der Produktion oder dem Einkauf einzelner Komponenten, sondern auch schon in der Entwicklung.
Das Ergebnis kann sich aber durchaus sehen lassen – gerade für einen Einstiegspreis von unter 20.000 Euro vor Subventionen.




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