Prof. Dr. Achim Kampker: „E-Mobilität – Weg aus oder Auslöser der Automobilkrise?“
In seiner Keynote analysiert Prof. Dr. Achim Kampker die zentrale Frage: Ist Elektromobilität der Ausweg aus oder der Auslöser der aktuellen Automobilkrise? Seine Antwort ist eindeutig: „Die Elektromobilität ist da, hat ihren festen Platz“, sagt er und betont, dass die Herausforderungen der Branche struktureller Natur sind – nicht das Ergebnis des Technologiewechsels.
Kampker zeigt anhand der Produktionszahlen, dass Deutschland seit der Corona-Pandemie massiv an Boden in Hinblick auf die antriebsübergreifende Fahrzeugherstellung verloren hat. Zwar steigt heute die Fertigung von Elektrofahrzeugen, doch sie kompensiert nicht das entstandene Produktions-Tal. Weltweit dagegen schließt die E-Mobilität die Lücke nahezu vollständig. Für Kampker ist klar: Die Debatte, ob Deutschland elektrifizieren soll, ist „obsolet“.
Produktivität statt Ausreden
Der Leiter des von ihm gegründeten Lehrstuhls Production Engineering of E-Mobility Components (PEM) der RWTH Aachen verweist insbesondere auf den Verlust der einstigen deutschen Stärke: stetige Produktivitätsfortschritte. Seit rund einem Jahrzehnt herrsche hier Stillstand – unabhängig von der E-Mobilität.
„Wir waren offensichtlich zu satt“, moniert Kampker und kritisiert mangelnde Konsequenz in Industrie, Verwaltung und Hochschulen. China hingegen investiere strategisch und langfristig in Robotik, Automatisierung und Digitalisierung – also genau jene Felder, in denen Deutschland einst dominierte. Diese Entwicklung bedrohe zentrale Wertschöpfungsanteile der Industrie.
Das Tal der Tränen: Batterieproduktion
Besonders deutlich werde die strukturelle Schwäche bei der Batterieproduktion. Deutschland habe das Thema zunächst „verpennt“, dann erst zu spät begonnen und anschließend versucht, die Lernkurve zu überspringen – dabei sei der Aufbau einer Batterieproduktion in ihrer Komplexität ein Marathonlauf. Hinzu kommen Nachteile wie hohe Energiekosten, langwierige Genehmigungsverfahren, höhere Personalkosten und das Problem, dass Rohstoffe aus China beschafft werden müssen. „Unter den jetzigen Rahmenbedingungen ist eine großskalige Batterieproduktion in Deutschland nicht sinnvoll“, sagt Kampker und betont zugleich, dass ein Rückzug dennoch keine strategische Option sei.
Stattdessen fordert er eine Doppelstrategie: Rahmenbedingungen verbessern – etwa Bürokratieabbau, stabile politische Leitplanken, schnellere Entscheidungen – und gleichzeitig Wertschöpfung in spezialisierten Nischen wie Logistik, Marine oder Dual-Use-Anwendungen stärken. Und Kampker bekräftigt: „Wir müssen in das Thema Zellproduktion rein. Wir müssen Wertschöpfung in Europa aufbauen, damit wir auf dieser Basis Innovation bringen können. Denn wenn wir keinen Einfluss haben in diesen Wertschöpfungsbereichen, fällt es unglaublich schwer, uns hier schnell und zügig weiterzuentwickeln.“
Mentalitätswechsel statt Schuldzuweisungen
Kampker ruft zu einem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Mindshift auf. Innovation müsse wieder Vorrang vor Absicherung haben. Er kritisiert, dass Firmen oft nur Technologien akzeptieren, „wenn sie schon in Großserie etabliert sind“, statt wie früher mutig Vorreiter zu sein. Auch Hochschulen müssten schneller transferieren, Unternehmertum fördern und Scheitern zulassen.
Gleichzeitig warnt er vor politischer Instabilität: Jede Debatte über Rückschritte verunsichere Fachkräfte und Studierende. Notwendig seien mutige Entscheidungen, nicht „perfektionierte Langsamkeit“.
E-Mobilität als Technologie der Begeisterung
Kampker erinnert auch daran, dass Elektromobilität nicht nur nachhaltig, sondern vor allem ein überlegenes Produkt sei: „Alle, die wirklich E-Fahrzeuge gefahren sind, finden es einfach ein mega cooles Produkt.“ Mit Projekten wie einem selbst entwickelten E-Truck mit Batterie und Brennstoffzelle demonstriere sein Team, dass Deutschland sehr wohl liefern könne.
Zum Schluss appellierte der frühere Mitgründer des E-Transporter-Herstellers StreetScooter an Unternehmen, Hochschulen und Politik gleichermaßen: weniger Debatten, mehr Umsetzung, mehr Geschwindigkeit – und gemeinsames Ziehen an einem Strang. „Diesen Mindshift, den müssen wir in die gesamte Gesellschaft reinkriegen, dass wir aus dieser Verteidigungshaltung rein in eine Haltung kommen“, mit der Deutschland „das Spiel wieder drehen“ und seine industrielle Stärke in das Zeitalter der elektrischen Mobilität übertragen könne.
Sie möchten sich den kompletten Vortrag anschauen? Dann nutzen Sie bitte den Videoplayer oberhalb des Beitrags oder wechseln direkt zu YouTube.





0 Kommentare