The Germans‘ Angst: Das Tesla Model 3 Performance

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Unser Reporter Christoph M. Schwarzer hat das Tesla Model 3 Performance auf Herz und Nieren getestet. Ergebnis: Ein überlegener Antriebsstrang steht einem teils disfunktionalen Autopilot gegenüber. Für etablierte Autohersteller ist der differenzierte Fahrbericht gleichwohl ein weiterer Grund zur Sorge.

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Es ist ein Stich ins Herz der deutschen Autoindustrie: Im März wurden laut Kraftfahrtbundesamt 2.224 Tesla Model 3 neu zugelassen. Die Limousine ist das meistverkaufte Elektroauto. Sowieso. Aber es kommt auch dem Audi A4 (5.584 Exemplare), dem 3er BMW (4.014) und der Mercedes C-Klasse (4.941) viel näher, als es den Favoriten der Flottenbetreiber lieb sein kann. In der Schweiz war das Model 3 sogar das meistverkaufte Auto überhaupt. electrive.net stieg für fünf Tage in die Performance-Version ein. Es gab begeisternde Aspekte – und eklatante Schwächen.

Die herausragende Qualität und das Alleinstellungsmerkmal des Tesla Model 3 ist der Batterie-elektrische Antriebsstrang. Die Beschleunigung ist abartig-monstermäßig: Was passiert, wenn die beiden Elektromotoren ihre Kraft entfalten, gibt die Werksangabe von 3,4 Sekunden auf 100 km/h nur unvollkommen wieder. Passagiere reagieren mit Oooh- und Haargh-Lauten. Bitte nehmen Sie Rücksicht, falls Sie selbst am Steuer sitzen. Außerdem sollten Sie reaktionsschnell sein, um die jeweilige Geschwindigkeitsbegrenzung nicht zu überschreiten. Der Schub ist selbst für Tesla-Verhältnisse extrem.

Das macht einfach nur Spaß und ist das Ergebnis des Dual Drive-Antriebs: An der Hinterachse arbeitet ein 211 kW starker Synchronmotor mit Reluktanzeffekt. Geringer Raumbedarf, hohe Effizienz und gleichmäßige Kraftentfaltung sind die typischen Eigenschaften dieser Bauart. Dazu kommt ein Asynchron-Motor mit 147 Kilowatt (kW) Leistung an der Vorderachse, woraus sich insgesamt 358 kW (für Gestrige: 478 PS) ergeben. Diese optimale Kombination aus Power und Traktion macht den Alltag mühelos und sicher.

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Die zielgenaue Lenkung ist ebenfalls ein Freudenspender. Wir haben den Komfort- statt den Sportmodus gewählt. Man gleitet dahin, und wer sich dem Verkehrsfluss überlässt, bekommt im Gegenzug sehr niedrige Verbrauchswerte. Beispiel Richtgeschwindigkeit: Hier ergab eine Stichprobe über eine 30 Kilometer (km) lange Strecke 20,8 Kilowattstunden (kWh) auf 100 km. Das sind nur elf Prozent mehr als im sparsamsten Batterie-elektrischen Auto, dem Hyundai Ioniq (18,7 kWh). Und das ist kein Wunder: Der Luftwiderstandsbeiwert ist mit cW 0,23 sehr niedrig, und die Stirnfläche des 1,44 Meter hohen Teslas ist gering. Vielleicht sind in den kommenden Basisvarianten noch bessere Ergebnisse möglich – der Performance-Testwagen lief auf breiten 235er Winterreifen mit dem Geschwindigkeitsindex W: Das ist eine Freigabe bis 270 km/h.

Krasse Power, wirksame Batteriekühlung

Bei Sonnenaufgang an einem Sonntagmorgen haben wir im Anschluss geprüft, wie hoch sich der Verbrauch bei gnadenlosem Fahrstil treiben lässt. Die Tachoanzeige (Achtung: Teslas haben fast keine Abweichung!) sollte über eine Distanz von 34 km nicht unter 220 km/h inklusive Ausnutzung der Höchstgeschwindigkeit (261 km/h) fallen, was uns weitgehend gelungen ist. Das Ergebnis waren 59,4 kWh Verbrauch, die Erkenntnis, dass das Fahrwerk unterdämpft ist sowie eine reichlich erhitzte Batterie.

So lag die Ladeleistung nach dieser Tortur lediglich bei 40 kW. Das ist nicht erstaunlich. Interessanter ist vielmehr, wie lange das Model 3 schnell fuhr ohne signifikant einzubrechen und wie zügig die Temperatur im elektrochemischen Speicher wieder aufs Normalmaß sank: Weil auf dem Rest der Fahrt wieder Disziplin einkehrte, waren am nächsten Supercharger gut 90 kW ablesbar. Das geht nur mit Flüssigkeitskühlung, und hier dokumentiert Tesla eine inzwischen große Erfahrung.

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Der Minimalverbrauch auf einer Bundesstraßentour lag bei 13,9 kWh, und in der Stadt ergab sich je nach Verkehrsfluss eine Spanne von rund 15-20 kWh auf 100 km. Im Geschwindigkeitsbereich bis 130 km/h errechnet sich bei 75 kWh Kapazität eine Reichweite von etwa 360 und mehr Kilometern. Wer es schneller mag, was angesichts des immensen Potenzials verständlich ist, verkürzt den Aktionsradius entsprechend – eine Messung bei lockerem 160er-Trab ergab circa 30 kWh; es bleiben demnach rund 250 km. So ist es halt mit einem Batterie-elektrischen Auto.

Der Antriebsstrang ist also top. Und er ist im Wortsinn konkurrenzlos: Es gibt kein Alternativangebot. Dazu räumt der Autor dieses Beitrags freimütig ein, dass ihm das Design subjektiv gefällt: Eine eigenständige Formensprache, gedrungen und fließend. Und im Innenraum eine maximale Schlichtheit und Reduktion, die Kritiker sofort als Sparmaßnahme identifizieren.

Model 3 oder nix

Die Gefahr, die vom Tesla Model 3 für die deutsche Autoindustrie ausgeht, ist offensichtlich: Kunden, die eine Batterie-elektrische Kompakt-Limousine wollen und über die nötige Kaufkraft (Bruttolistenpreis des Testwagens: 76.330 Euro inkl. 2.000 Euro netto Umweltprämie) verfügen, haben keine Wahl. Model 3 oder nix. Dass sie im Gegenzug Abstriche hinnehmen müssen, ist ihnen egal, wie die Verkaufszahlen belegen.

Denn, das gehört zur Wirklichkeit des Tesla Model 3, in etlichen sachlichen Punkten ist der schicke Stromer verbesserungswürdig. Ein Auszug aus der Liste: Die Geräusche von Wind und Fahrwerk sind relativ laut. Die Verwindungssteifigkeit der Karosserie ist trotz 1.931 kg Gewicht schlechter als bei viel preisgünstigeren Autos. So knarzt es zum Beispiel vernehmlich auf Kopfsteinpflaster. Die Sitzflächen sind schon für mittelgroße Menschen zu kurz, das Lenkrad quietscht manchmal beim Drehen, und es fehlen sowohl Haltegriffe als auch ein Rollo zum Sonnenschutz.

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Selbst bei der Ladesoftware gibt es Nachholbedarf. Die von Foristen zitierte Spitzenleistung von über 110 kW konnten wir in keinem Fall feststellen, und gut 90 kW waren es nur einmal. An einem anderen Supercharger lag die Ladeleistung bei 28 kW, was durch Wechsel an den benachbarten Stall kurzfristig auf 72 kW gesteigert werden konnte, die wiederum gleich auf gut 50 kW reduziert wurden. An einer AC-Säule brach der Vorgang nach wenigen Minuten ab, was wir erst am nächsten Morgen bemerkt haben. Immerhin: Die anfangs monierten Probleme an Tesla-fremden CCS-Säulen blieben aus.

Mängel am Autopilot

Ein dürftiges Bild gaben die Fahrautomatisierungsfunktionen ab, die unter dem Label Autopilot bekannt sind. Erfreulich war allein das automatische Wiederanfahren im Stop-and-Go-Verkehr. Normalerweise wird ein Impuls des Fahrers verlangt, also das Antippen des Pedals oder der Resume-Taste am Lenkrad. Von diesem Plus abgesehen gab es Mängel. So erkennt der Autopilot in der puren Funktion des adaptiven Tempomaten zu häufig Fehlziele, wie es im Jargon der Entwickler heißt: Das Model 3 bremst, obwohl das nicht notwendig wäre. Dieses Phänomen ist bei den radarbasierten adaptiven Regelungen seit Jahren nicht mehr zu beobachten.

Außerdem war es nicht möglich, die aktuelle Geschwindigkeit im Tempomat zu setzen. Das Model 3 wählt grundsätzlich die im Kartenmaterial hinterlegte zulässige Höchstgeschwindigkeit aus. Ein Unding, zumal diese Karten wider Erwarten nicht aktuell sind und nicht über die Kameras mit den Verkehrszeichen abgeglichen werden. Darüber hinaus hält sich der Autopilot auf der Autobahn nicht ans Rechtsfahrgebot, und die Ramp-on-Ramp-off-Funktion („Navigate o