Arrival kündigt erste Mikrofabrik in den USA an

Der englische E-Fahrzeug-Entwickler Arrival hat seine erste Mikrofabrik in den USA angekündigt. Diese entsteht im York County im Bundesstaat South Carolina und soll ab dem vierten Quartal 2021 Elektrobusse produzieren. Die Rede ist von 1.000 Batteriebussen jährlich.

Wer bei dem Begriff „Mikrofabrik“ jedoch an eine kleine, Manufaktur-artige Fertigung denkt, sollte spätestens bei der Kapazität von 1.000 Bussen pro Jahr ins Stocken geraten. In South Carolina will Arrival bei der Eröffnung bereits 240 Mitarbeiter beschäftigen, das Investment in die Mikrofabrik beläuft sich aktuellen Angaben zufolge auf 46 Millionen Dollar (39 Millionen Euro). Dennoch: Im Vergleich zu einem herkömmlichen Nutzfahrzeug-Werk sind das relativ überschaubare Zahlen.

In dem Werk soll ein Batterie-elektrischer Bus mit U-Bahn-ähnlichem Innenraum gebaut werden – ein solches Konzept hatte Arrival im Juni 2020 gezeigt. Mit kostengünstigen Materialien, einfacheren Montageprozessen und vor allem kleineren und leichteren Batterien soll das Fahrzeug laut dem Hersteller deutlich weniger kosten als aktuelle Batteriebusse.

Möglich wird das Konzept der Mikrofabrik durch die Konstruktionsweise: Die Karosserie wird so gebaut, dass keine Schweißarbeiten mit teuren Produktionsrobotern notwendig sein sollen. Auch eine Lackierstraße entfällt, da die Platten der Außenhaut auf einer speziellen Kombination eines Verbundwerkstoffs mit einem günstigen thermoplastischen Kunststoff gefertigt werden sollen – ähnlich wie bei einem e.Go Life wird der Kunststoff selbst gefärbt, nicht die Karosserie lackiert.

Die E-Transporter aus der Großbestellung von UPS sollen aber vorerst in England gebaut werden, dort hatte Arrival im März sein Produktionswerk in Bicester bezogen. Dennoch scheint es möglich, dass das Unternehmen in den USA weitere Mikrofabriken errichten wird. Nordamerika-CEO Mike Abelson sprach anlässlich der Ankündigung vom „Beginn eines Paradigmenwechsels im EV-Bereich“.

Die Fabrik in Rock Hill will Arrival den eigenen Angaben zufolge im zweiten Quartal 2021 in Betrieb nehmen, die Fertigung soll dann wie erwähnt im vierten Quartal des selben Jahres anlaufen. Da dort neue Arbeitsplätze entstehen, habe der „Koordinierungsrat für wirtschaftliche Entwicklung“ Gutschriften für das Projekt genehmigt – deren Höhe nennt Arrival in der Mitteilung allerdings nicht.

Bis 2026 will das 2015 gegründete Unternehmen nach eigenen Angaben 1.000 Mikrofabriken betreiben. Wenn auch künftig der Zeitraum zwischen Ankündigung und Produktionsstart bei rund einem Jahr liegt, muss der Ausbauplan bald in die Breite gehen. Ein weiterer Standort könnte Gerüchten zufolge in Russland liegen: Wie das Fachportal „Sustainable Bus“ schreibt, soll Arrival laut dem russischen Verkehrsministerium eine Produktionsstätte nahe Moskau erwägen – wohl ebenfalls für den E-Bus. Bestätigt ist diese Information seitens des Unternehmens jedoch noch nicht.

Zudem hat Arrival vor einigen Tagen den Beta-Prototyp seines E-Transporters vorgestellt. Das Fahrzeug unterscheidet sich optisch deutlich von dem Design des im Januar gezeigten Transporters (anlässlich der UPS-Bestellung). Die Windschutzscheibe steht nun deutlich flacher, zudem wirkt der Radstand länger. Insgesamt wirkt das Fahrzeug etwas konventioneller und näher an einem Klassen-üblichen Sprinter als an dem Alpha-Prototyp.

„Die vielen Erkenntnisse, die wir durch unsere Partnerschaften mit einigen Logistikunternehmen gewonnen haben, und wir schließen UPS offensichtlich damit ein, haben wir in das neue Konzept übernommen den Beta-Prototyp entwickelt“, sagt Design-Chef Jeremy Offer. „Die Unterschiede in der Funktionalität und Benutzererfahrung haben zu einigen ziemlich wesentlichen Designänderungen geführt, vor allem in Bezug auf Ein- und Ausstieg.“

Für den E-Transporter will Arrival Akku-Packs zwischen 44 und 130 kWh anbieten. Mit der größtmöglichen Batterie soll die Reichweite selbst bei voller Beladung und häufigem Anfahren bei über 100 Meilen (ca. 160 Kilometer) liegen. Ein Batteriepack mit 44 kWh erscheint zunächst für ein derartiges Fahrzeug sehr klein – allerdings legen Lieferfahrzeuge in manchen Großstädten auf ihrer Zustell-Tour nur 20 bis 30 Kilometer zurück, bevor sie wieder im Depot ankommen. Ein Lieferfahrzeug mit einer solchen Batterie wäre zwar mehr oder weniger an einen bestimmten Einsatzzweck gebunden, würde aber keine teure und schwere Batterie durch die Gegend fahren, die ohnehin nie genutzt wird.
forbes.com, sccommerce.com (beide South Carolina), sustainable-bus.com (Moskau-Gerücht) insideevs.com, carscoops.com (beide Beta-Prototyp)

1 Kommentar

zu „Arrival kündigt erste Mikrofabrik in den USA an“
Hans Herbert
14.10.2020 um 12:28
Kuriose Ereignisse im Reich der Elektromobilität! Und es wird noch dazu kommen, dass sich Kunden eine Batterie nach einer größeren Palette von Leistungszahlen bestellen können. Ökologisch wie ökonomisch wäre das sinnvoll.

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