Weltpremiere: Polestar 3 startet bei 89.900 Euro

Polestar hat mit dem Polestar 3 das erste E-SUV der schwedisch-chinesischen Elektroauto-Marke vorgestellt. Das Modell verfügt über eine große Batterie für eine hohe Reichweite und viel Leistung, soll aber auch „aus den richtigen Gründen“ begehrenswert sein. Aber wie nachhaltig kann ein E-SUV mit 111 kWh großer Batterie sein?

Der Polestar 3 ist nicht nur das erste SUV der Marke, sondern auch das erste Modell, das von Anfang an als Polestar konzipiert wurde. Bei dem Gran-Turismo-Coupé Polestar 1 ist die Verwandtschaft zu den damaligen Volvo-Modellen unverkennbar, auch die E-Limousine Polestar 2 war in der frühen Konzeptphase als Volvo-Modell im Stile eines S40 gedacht – und ist erst später zum ersten E-Modell von Polestar geworden.

Zu dem neuen Modell gibt Polestar an, dass es „skandinavischen Minimalismus und Purismus“ mit den „wichtigsten Charakteristiken eines Sport Utility Vehicles“ verbinden soll – und so nichts weniger als „den SUV für das Elektrozeitalter“ definieren.

Beim Blick auf die – teils schon bekannten – technischen Daten ist von Minimalismus aber wenig zu sehen. Das Serienfahrzeug leistet in der zum Start erhältlichen Dual-Motor-Version 360 kW bei einem maximalen Drehmoment von 840 Nm. Mit dem optionalen Performance Paket beträgt die Gesamtleistung 380 kW und 910 Nm. Und entgegen früherer Berichte handelt es sich nicht um einen Dual-Motor-Antrieb mit zwei E-Motoren an der Hinterachse, sondern einen E-Allrad mit einem Motor je Achse. Dennoch ist bei dem laut Polestar Heckbetonen Antrieb ein Torque Vectoring an der Hinterachse möglich. Dazu wurde die elektrische Torque-Vectoring-Doppelkupplungsfunktion des Polestar 1 weiterentwickelt. Damit können nicht nur das kurvenäußere und -innere Rad gezielt mit Leistung versorgt, sondern auch komplett entkoppelt werden. Die mechanisch abgekoppelte PSM an der Hinterachse sorgt somit für keinen Widerstand, womit der Verbrauch im reinen Frontantriebsmodus sinkt.

111 kWh Akku, 610 Kilometer Reichweite

Die Batterie kommt nominal auf 111 kWh, den nutzbaren Netto-Energiegehalt gibt Polestar nicht an. Die Reichweite von bis zu 610 Kilometern nach WLTP ist bekannt, jedoch weiterhin ein vorläufiger Wert. Finale Angaben zum Energieverbrauch und zur Reichweite werden zu einem späteren Zeitpunkt 2023 veröffentlicht, so Polestar. Da das Fahrzeug offiziell als Polestar 3 Long Range Dual Motor bezeichnet wird, liegt auch wie beim Polestar 2 eine Standard-Range-Variante mit kleinerer Batterie nahe. Dazu gibt es aber noch keinerlei Angaben – auch nicht zu einem theoretisch möglichen Single-Motor-Modell.

Begnügen wir uns mit den bekannten Fakten: In dem Batteriegehäuse aus Aluminium sind 204 prismatische Zellen verbaut, die in 17 Modulen (also à 12 Zellen) gruppiert sind. Der Zelllieferant wird nicht genannt, in der Vergangenheit hat Polestar sowohl mit CATL als auch LGES zusammengearbeitet. Die Batterie verfügt über eine Flüssigkeitskühlung und arbeitet mit der serienmäßigen Wärmepumpe zusammen. Das Fahrzeug kann so die Umgebungswärme für die Klima- und Batteriekonditionierung nutzen.

Geladen wird der Polestar 3 über einen 11-kW-AC-Onboardcharger oder per DC mit bis zu 250 kW. Letztgenannter Wert ist interessant, da Volvo zum Plattform-Bruder EX90 bisher keine DC-Ladeleistung genannt hat. Wie der EX90 wird auch der Polestar 3 mit seinem Ladegerät für bidirektionales Laden ausgerüstet sein. Damit gibt es künftig die Möglichkeit, auch Vehicle-to-Grid-Funktionen anzubieten. Konkret angekündigt wird zur Premiere des Polestar 3 aber kein Projekt in dieser Richtung. Übrigens: Die Ladebuchse ist wie beim Polestar 2 über dem Hinterrad auf der Fahrerseite.

Ab Werk ist der Polestar 3 mit einer Zweikammer-Luftfederung ausgestattet, die laut der Mitteilung mit einer „fortschrittlichen Fahrwerkskontrolle“ kombiniert wird. Das Fahrzeug kann seine aktive Dämpfergeschwindigkeit alle zwei Millisekunden (500 Hz) elektronisch anpassen – und so zwischen komfortableren und dynamischen Federungseigenschaften wechseln.

Beim Karosseriedesign gibt es angesichts der bisherigen Polestar-Kommunikation keine Überraschungen – schon früh wurden Erlkönig-Bilder und auch bereits eine Aufnahme des unverhüllten Fahrzeugs veröffentlicht. Neu sind die Maße: Das Fahrzeug ist 4,90 Meter lang, bei einem Radstand von 2,985 Metern. Inklusive Spiegel ist das SUV 2,12 Meter breit und 1,61 Meter hoch. Das Leergewicht liegt zwischen 2.584 und 2.670 Kilogramm, die Anhängelast bei 2,2 Tonnen. Zudem sind 100 Kilogramm Dachlast möglich. Unter der Fronthaube ist ein 32 Liter großer Frunk für Ladekabel, in den Kofferraum passen zwischen 484 Liter (Sitze hochgeklappt) und 1.411 Litern (Sitze umgeklappt) – 90 Liter unter dem Kofferraumboden sind in beiden Fällen mit eingerechnet.

Einzig bei der Frontansicht gibt es ein ungewohntes Designelement: Der Polestar-typische „Kühlergrill“ ist in seiner Form zwar noch angedeutet und wurde zur „Smart Zone“ mit Sensoren, beheiztem Radarmodul und Frontkamera umfunktioniert, wirkt aber optisch dennoch etwas zerklüftet: Am oberen Ende ist ein Lufteinlass, der die anströmende Luft über die Fronthaube lenkt. Polestar bezeichnet das als den „vorderen Aero Wing“. Trotz derartiger Aerodynamik-Tricks liegt der cW-Wert bei 0,29, den Strömungswiderstand gibt Polestar mit 0,78 cWA an.

Serienmäßig verfügt der Polestar 3 über insgesamt fünf Radarmodule, fünf externe Kameras und zwölf externe Ultraschallsensoren. Während Volvo bereits angekündigt hat, dass der EX90 ab Werk über eine Lidar-Einheit verfügen wird, ist das Lidar-System von Luminar bei Polestar Teil des optionalen Pilot-Pakets, welches ab dem zweiten Quartal 2023 bestellt werden können soll. Neben den Lidar-Einheiten umfasst das Paket eine zusätzliche Steuereinheit von NVIDIA, drei Kameras, vier Ultraschallsensoren und eine Reinigungsfunktion für die Front- und Rückfahrkamera. Zudem verfügt der Polestar 3 über Radarsensoren im Innenraum, die Bewegungen im Submillimeterbereich erkennen können. Das soll verhindern, dass Kinder oder Haustiere unbeabsichtigt im Fahrzeuginneren zurückgelassen werden. Das System ist auch mit der Klimaanlage verbunden, um Hitzschlag oder Unterkühlung zu vermeiden.

Wenn wir beim Innenraum sind: „Die Interior-Materialien des Polestar 3 wurden aufgrund ihrer Nachhaltigkeitsmerkmale ausgewählt und sorgen gleichzeitig für eine hochwertige Ästhetik und luxuriöse Haptik“, so das Unternehmen. „Dazu gehören ‚bio-attributed‘ MicroTech, tierschutzzertifiziertes Leder und vollständig rückverfolgbare Bezüge aus Wolle.“ Hier will Polestar mit der Nachhaltigkeit punkten.

14,5 Zoll großer Touchscreen mit Android Automotive

Im Innenraum ist dann auch der eingangs erwähnte, skandinavische Minimalismus zu finden: Das Design wirkt sehr aufgeräumt, das aus dem Polestar 2 bekannte offenporige Holz und eine durchgängige Lüftungsdüse sorgen für einen cleanen, aber auch eleganten Look. Da der Polestar 3 auf einer reinen Elektro-Plattform basiert, gibt es anders als bisher auch eine offene Mittelkonsole. Für das Infotainment bleibt es bei dem hochkant angeordneten Touchscreen. Dieser ist nun 14,5 Zoll groß und nutzt als Betriebssystem weiterhin Android Automotive OS – inklusive der OTA-Funktionalität.

Bei der Hardware des Infotainmentsystems nutzt Polestar die Snapdragon Cockpit Plattform von Qualcomm. Neben dem Touchscreen gibt es noch ein hochauflösendes Cockpit-Display für den Fahrer. Dieses ist aber auch freistehend und nicht wie noch im Polestar 2 in ein klassischeres Cockpit-Layout eingebunden.

Der Polestar 3 ist ab der Premiere in den Launch-Märkten Nordamerika, Europa und China zu einem Preis ab 89.900 Euro bestellbar, das Performance-Paket kostet 6.600 Euro Aufpreis. In den USA liegt der Basispreis bei 83.900 Dollar (jedoch wie dort üblich ohne Mehrwertsteuer), im UK wird das Fahrzeug ab 79.900 Pfund angeboten.

Gefertigt wird das Fahrzeug zunächst im Volvo-Werk im chinesischen Chengdu, dort soll die Fertigung Mitte 2023 anlaufen, damit die ersten Fahrzeuge im vierten Quartal 2023 ausgeliefert werden können. Ab 2024 soll die Produktion im Volvo-Werk Ridgeville im US-Bundesstaat South Carolina folgen. Die ersten Auslieferungen aus diesem Werk werden gegen Mitte 2024 erwartet – ab dann sollen Nordamerika und „weitere Märkte“ aus dem US-Werk bedient werden.
polestar.com

5 Kommentare

zu „Weltpremiere: Polestar 3 startet bei 89.900 Euro“
eMobilitätsberatung-Berlin K.D. Schmitz
13.10.2022 um 11:02
Ich war dabei, live in Berlin. Die Schwerpunkte der Präsentation waren schon völlig anders gewichtet als man das so von anderen kennt. Nicht Leistung, Ladegeschwindigkeit und Reichweite waren hier im Focus. Es geht wohl bei Polestar hauptsächlich um Sicherheit, Gesundheit, Nachhaltigkeit und wohlfühlen. Wann bekommt man schon in einer Präsentation exakte Zahlen genannt, Zb. über die Geschwindigkeit der Airbag Auslösung. Die Inhalte waren wirklich beeindruckend und anders als bei anderen. Der Entwicklungsstand der vom Käufer hier erworben wird, rechtfertigt auch den Preis.
Bernd
13.10.2022 um 20:19
Ihre Kommentare hier sind ja oft fundiert, aber in dem Fall muss ich da meine Zweifel anmelden! Ich würde eher tippen, dass Sie hier voll der PR-Masche aufgesessen sind. Ich war bei keinem dieser Polestar-Events dabei, habe mir aber die hier verlinkte Original-Pressemeldung durchgelesen. Die ist genau in dem gleichen Tenor geschrieben wie der bei Youtube zu findende Livestream aus Kopenhagen. Fokus auf Sicherheit ist ja schön und gut, aber was bringen mir vermeintliche Alleinstellungsmerkmale wie die Auslösezeit eines Airbags, wenn ich keine unabhängige Vergleichsgröße habe? Richtig, Augenwischerei. Und natürlich ist es toll, wenn ich die Wolle der Sitze bis zum Ursprung zurückverfolgen kann oder Recyclingmaterial im Innenraum verwende. Super Sache. Aber dann baut es bitte in ein (hochwertiges) Kompakt- oder Mittelklassemodell und nicht in ein 500 PS SUV mit 111 kWh. Kann man schon machen, aber dann muss ich nicht mit nachhaltiger Wolle kommen oder als Unternehmen eine „Vision Zero“ ausrufen.Und sind wir ehrlich: Kauft man ein E-Auto, weil man weiß, woher die Wolle kommt? Oder weil ich mit der Kombination aus Reichweite und Ladezeit in X Stunden von A nach B komme? Daher finde ich es gut, wenn in den Artikeln nicht auf das Greenwashing, sondern auf die harten Daten zur Technik eingegangen wird.Anhand der Pressemitteilung und des Livestreams (nichts anderes war ja die Veranstaltung in Berlin) würde ich mir nicht anmaßen zu bewerten, ob das Auto das Geld wert ist oder nicht. Können Sie das auch wirklich oder waren Sie von einer stimmigen und stimmungsvollen Unternehmens-Darstellung geblendet?
Kitchenpitcher
12.03.2023 um 09:44
Ja, auch ich habe einen Polestar u.a. wg. der exakten Angaben zur Herkunft der verbauten Materialien - und das ist eben das genaue Gegenteil von Greenwashing. Jeder kann sich sich im übrigen auf seine Nase verlassen. Während ein neuer Tesla stinkt, gibt es olfaktorisch in einem Polestar nichts zu bemängeln (mit Hilfe der Nase hatte ich auch schon den Erbauer meines Einfamilienhauses ausgesucht, Stinkehäuser wurden schlichtweg von der Liste gestrichen, bis nur noch ein Holzhaus übrig war). Merke: Greenwashing greift immer dann, wenn der Hersteller versucht, die Lieferkette zu verschleiern, also dem Gegenteil der Polestarstrateguie!
eMobilitätsberatung-Berlin K.D. Schmitz
14.10.2022 um 14:08
Ich war in keinster Weise geblendet, dafür bin zu lange in der Branche. Die Inhalte der Präsentation waren einfach interessant, im Gegensatz zu dem sonst üblichen solcher Veranstaltungen. Das andere Hersteller auch sehr gute Entwicklungen haben, schon klar, aber berichtet wird sonnst eben immer nur das gleiche. Eine Bewertung ob Polestar besser oder schlechter ist als andere, hab ich hier auch nicht abgegeben. Lediglich die Schwerpunkte der Entwickler wurden von mir beschrieben.
Renato
30.01.2023 um 11:03
Batterie mit 111 kWh passt nicht zum Thema Nachhaltigkeit und ein Verbrauch von 18.2 kWh/100 km auch nicht. Da ist noch viel Verbesserungspotenzial ! Schade...

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