Union, SPD und Grüne einigen sich bei Milliarden-Schuldenpaket
Die Einigung sieht vor, dass aus dem 500 Milliarden Euro schweren Sondervermögen „ausschließlich zusätzliche Investitionen bezahlt werden dürfen – für die Infrastruktur und zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045“, wie etwa das „Handelsblatt“ unter Berufung auf die Grünen-Fraktion schreibt. Die Länder sollen 100 Milliarden Euro aus diesem Topf erhalten, weitere 100 Milliarden Euro aus dem schuldenfinanzierten Sondervermögen sollen in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) fließen. In der Sondersitzung des Bundestages am Donnerstag hatte CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz den Grünen noch 50 Milliarden dafür in Aussicht gestellt. In ihrem Sondierungspapier hatten Union und SPD nur Ausgaben für die Infrastruktur vorgesehen und den KTF oder Klimaschutzziele nicht erwähnt.
Wichtig ist zudem, dass es um „zusätzliche“ Investitionen geht – also wenn sie zehn Prozent des Bundeshaushaltes für Investitionen überschreiten. „Darauf hatten vor allem die Grünen gedrungen, weil sie fürchten, dass Union und SPD sonst schon laufende Projekte oder konsumtive Staatsausgaben darüber finanziert hätten“, schreibt etwa der „Tagesspiegel“. Alle Investitionen, die über diese Quote hinausgehen (die aktuell bei etwa 50 Milliarden Euro läge), können über einen Zeitraum von zwölf Jahren über das Sondervermögen finanziert werden. Konkrete Projekte sind aber zu diesem Zeitpunkt freilich noch nicht bekannt.
Ganz ähnlich zitiert das „Handelsblatt“ die Grünen-Haushaltspolitikerin Paula Piechotta, wonach die Partei mit der Einigung verhindert habe, dass Union und SPD „die ungedeckten Wahlkampfversprechen für Besserverdiener auf Kosten der Allgemeinheit auf Pump“ finanzieren. In ihrem Sondierungspapier hatten CDU, CSU und SPD zahlreiche finanzielle Entlastungen etwa bei der Pendlerpauschale und den Steuern in der Gastronomie vereinbart – was jetzt laut der Darstellung von Piechotta nicht mehr möglich ist: „Die Union und die SPD müssen ihre Sondierungen nochmal von vorn beginnen.“
Merz hatte einst gegen den KTF geklagt
Aus dem KTF wurden zum Beispiel der Umweltbonus als Elektroauto-Kaufprämie und zahlreiche weitere eMobility-Förderungen von der Batterieforschung bis hin zum KsNI-Förderprogramm für klimafreundliche Nutzfahrzeuge finanziert. Nach der von der Union unter Friedrich Merz angestrengten Klage gegen den KTF und vor allem dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von November 2023 mussten unzählige Programme, die aus dem KTF finanziert wurden, gestoppt werden.
In einer ersten Reaktion dankte Friedrich Merz den Grünen für die Einigung. Er habe immer das Gefühl gehabt, dass die Partei an einer Lösung interessiert war. Über diese Lösung sei aber hart gerungen worden. Merz betonte aber auch, dass die Finanzierung kein Freifahrtschein sei. „Die Fiskaldisziplin wird auch in den Koalitionsgesprächen eine Rolle spielen müssen“, so Merz. „Wir werden weiter konsolidieren müssen.“
Die Grünen konnten diese Punkte durchsetzen, weil die wahrscheinlich künftigen Regierungspartner Union und SPD bei einem anderen, zentralen Projekt auf die Zustimmung der Grünen angewiesen sind. Um die Schuldenbremse anzupassen, ist im Bundestag eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig – dafür brauchen Union und SPD die Stimmen der Grünen. Die Ausnahme von der Schuldenbremse, die am kommenden Dienstag noch im „alten“ Bundestag mit den Mehrheitsverhältnissen vor der Bundestagswahl im Februar beschlossen werden soll, ist für Verteidigungsausgaben gedacht. Neu in dem Kompromiss ist hier, dass neben den Ausgaben für die Bundeswehr diese Kredite auch für Zivil- und Bevölkerungsschutz, Nachrichtendienste, Hilfe für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten (Ukraine) und den Schutz der Informationssicherheit genutzt werden können.
Doch selbst mit der Einigung ist noch nicht klar, ob bei der Abstimmung am kommenden Dienstag tatsächlich die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht wird. Denn im „alten“ Bundestag liegen SPD, Union und Grüne nur 31 Stimmen über der nötigen Mehrheit – also wenn alle Abgeordneten anwesend sind und im Sinne der erzielten Einigung abstimmen. Das Problem: Selbst bei regulären Bundestags-Sitzungen fehlen immer einige Abgeordnete – und wer nicht anwesend ist, kann auch nicht mit „Ja“ abstimmen, womit die Abwesenheit faktisch wie eine „Nein“-Stimme zählt.
In der besonderen Situation nach der Bundestagswahl kommt noch hinzu: Viele der Abgeordneten, die jetzt im „alten“ Bundestag noch die wichtige Änderung der Schuldenbremse beschließen sollen, gehören dem „neuen“ Bundestag gar nicht mehr an. Wie der „Spiegel“ in einem anderen Artikel schreibt, sind es bei den Grünen 46 Abgeordnete, bei der Union 48, bei der SPD sogar 95. Die Fraktionsführungen können diese Abgeordneten weder in den Bundestag zwingen noch mit in Aussicht gestellten Posten ihr Abstimmungsverhalten beeinflussen. Für Merz sei das „ein Riesenproblem“, bilanziert der „Spiegel“. „Es dürfte eng werden, womöglich sehr eng.“
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