Autobranche startet Bündnis für Softwareentwicklung

BMW, Mercedes-Benz, Volkswagen und weitere Unternehmen aus der Automobilbranche haben sich auf eine vorwettbewerbliche Zusammenarbeit in der Softwareentwicklung auf Open-Source-Basis verständigt. Dabei geht es u.a. um Module für autonomes Fahren.

Bild: VDA

Mit einer bisher einzigartigen Allianz treiben elf führende Unternehmen der europäischen Automobilbranche eine gemeinsame Open-Source-Initiative voran. Ziel ist es, nicht-differenzierende Fahrzeugsoftware auf Basis eines offenen, zertifizierbaren Software-Stacks zu entwickeln – und damit die Transformation zum softwaredefinierten Fahrzeug (Software Defined Vehicle, SDV) zu beschleunigen. Die Initiative wurde nun im Rahmen des 29. Internationalen Automobil-Elektronik-Kongresses mit der Unterzeichnung eines Memorandum of Understanding (MoU) offiziell gestartet.

Bislang hat die deutsche Autoindustrie massive Probleme im Bereich Software, denn sie kommt aus der „deutschen Ingenieurskunst“, fühlt sich aber oftmals in der Welt der Bits und Bytes noch immer nicht zu Hause. Beispielsweise hat der VW-Konzern die Software-Entwicklung in seiner Tochter Cariad gebündelt. Doch macht Cariad seit Jahren Ärger und ist zum Nadelöhr für neue Fahrzeuganläufe avanciert. E-Autos von Porsche und Audi haben sich dadurch stark verspätet – teils um bis zu drei Jahre. Deshalb suchte VW vergangenes Jahr sein Heil in einer milliardenschweren Allianz mit dem kalifornischen E-Auto-Startup Rivian, das VW fit für die SDV-Welt machen soll. Und in China hat VW schon seit 2023 eine ähnliche Partnerschaft mit Xpeng.

Initiiert vom Verband der Automobilindustrie (VDA) und getragen von Branchengrößen wie eben VW, aber auch BMW, Mercedes-Benz, Bosch, ZF, Continental und anderen, will die Industrie damit ein offenes, transparentes und herstellerübergreifendes Software-Ökosystem etablieren. Die Umsetzung erfolgt im Rahmen der Eclipse Foundation und dem Projekt S-CORE, das die Grundlage für einen offenen Softwarekern bildet.

„Wir bauen gemeinsam ein zukunftsfähiges und leistungsstarkes Software-Ecosystem – offen, transparent und sicher“, sagte Dr. Marcus Bollig, Geschäftsführer des VDA. Die Initiative sei ein klares Bekenntnis zur europäischen Technologieführerschaft im globalen Wettbewerb.

Gemeinsamer Code statt doppelter Aufwand

Ein zentraler Bestandteil des Vorhabens ist der sogenannte Code-First-Ansatz: Anstatt lediglich Spezifikationen zu erstellen, wird direkt lauffähige Software entwickelt und bereitgestellt. Dies soll nicht nur den Entwicklungsaufwand verringern, sondern auch die Markteinführung beschleunigen.

Viele der entwickelten Softwarekomponenten – etwa Middleware für Kommunikation, Authentifizierung oder Schnittstellen – gelten als „nicht-differenzierend“, haben also keinen direkten Einfluss auf das Kundenerlebnis. Genau hier setzt die Kooperation an: Gemeinsam entwickelte Basisfunktionen schaffen Freiräume für Innovation bei den differenzierenden Merkmalen.

„Ein gemeinsamer Code-First-Ansatz wird die Grundlage für Funktionsinnovationen in unseren zukünftigen Produkten sein“, erklärt Dr. Christoph Grote, Senior Vice President Electronics and Software der BMW Group. „Wir setzen auf Eclipse S-CORE als einen vielversprechenden Open-Source-Ansatz für unsere kommenden Projekte.“

Funktionale Sicherheit und globale Standards

Ein wesentliches Ziel der Allianz ist es, erstmals überhaupt einen Open-Source-Entwicklungsprozess zu etablieren, der eine spätere Zertifizierung gemäß ISO 26262 – der Norm für funktionale Sicherheit in der Automobiltechnik – ermöglicht. Dieser Prozess wurde Anfang 2025 definiert und erfolgreich extern auditiert.

Darüber hinaus soll die Softwarelandschaft interoperabel mit bestehenden Industriestandards wie AUTOSAR und COVESA sein. Damit wird nicht nur die Kompatibilität gewährleistet, sondern auch eine Fragmentierung durch regionale oder proprietäre Alleingänge vermieden.

Mike Milinkovich, Exekutivdirektor der Eclipse Foundation, betont: „Die Zusammenarbeit bei der Entwicklung sicherer und quelloffener Automobilplattformen ist ein entscheidender Faktor für die Automobilindustrie. Das Governance-Modell der Eclipse Foundation ermöglicht eine offene Zusammenarbeit zwischen OEMs, Tiers und Tech-Playern. Wir nehmen die Herausforderung an, diese strategische Initiative zum Erfolg zu führen.“

Roadmap bis 2030

Das Projekt verfolgt eine klare zeitliche Struktur:

  • Ende 2024: Einrichtung des S-CORE-Projekts mit initialer Toolchain und Basisstack – bereits erreicht.
  • Anfang 2025: Entwicklung eines sicheren Open-Source-Prozesses zur Vorbereitung auf die ISO-Zertifizierung – ebenfalls bereits umgesetzt.
  • Mitte 2025: Definition der Referenzarchitektur und der Funktionsanforderungen.
  • Ende 2025: Erste öffentliche Implementierung wichtiger Softwaremodule.
  • 2026: Veröffentlichung des vollständigen Stacks für Serienprojekte.
  • Spätestens 2030: Erstes Serienfahrzeug mit vollständig integriertem Open-Source-Stack.

Langfristig sollen die gemeinsam entwickelten Komponenten als zertifizierte Distributionspakete für die Industrie bereitstehen. So können Hersteller und Zulieferer ihre Ressourcen stärker auf die Entwicklung differenzierender Funktionen konzentrieren.

Breite Unterstützung aus der Industrie

Die Unterstützung für das Projekt ist breit und prominent. Dr. Thomas Irawan, CEO der ETAS GmbH, betont: „Durch ein Open-Source-Ökosystem treiben wir branchenweite Innovationen voran, beschleunigen die Markteinführung und liefern sichere und nachhaltige Lösungen für die Mobilität von morgen.“

Auch Mercedes-Benz unterstreicht die strategische Relevanz: „Als Gestalter des Automotive Open-Source-Ökosystems treiben wir mit unserer Code-First-Strategie aktiv die Zukunft der Automobilsoftware voran“, erklärt Magnus Östberg, Chief Software Officer. „Dies ist unser klares Bekenntnis zu offenen Standards als Fundament für Innovation.“

Die Initiative steht ausdrücklich weiteren Partnern offen – unabhängig von Größe oder Herkunft. Ziel ist es, ein globales Netzwerk für offene Automobilsoftware zu schaffen, das Innovation fördert, Entwicklungskosten senkt und gleichzeitig höchste Anforderungen an Sicherheit und Qualität erfüllt.

vda.de

0 Kommentare

zu „Autobranche startet Bündnis für Softwareentwicklung“

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert