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IAA: Verliert Deutschland bei E-Mobilität den Anschluss?

Wenige Tage vor dem Start der IAA Mobility in München haben wir für unseren Podcast „eMobility Insights“ mit Beatrix Keim, Direktorin des CAR – Center Automotive Research, über die aktuelle Lage der deutschen Autoindustrie gesprochen. Ihre Diagnose fällt kritisch aus: „Deutschland läuft Gefahr, im globalen Wettbewerb um die Elektromobilität den Anschluss zu verlieren – nicht aus technologischen Gründen, sondern durch fehlende industriepolitische Konsequenz und mangelnde gesellschaftliche Unterstützung.“

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Vor wenigen Tagen hat das CAR die Studie „Elektromobilität am Wendepunkt – Notwendige Entwicklungen bis Ende 2025 zur Wiederherstellung einer positiven Perspektive“ vorgelegt, die wir hier zusammengefasst haben. Im Gespräch mit electrive-Chefredakteur Peter Schwierz betont CAR-Leiterin Beatrix Keim, dass das abrupte Ende der Umweltprämie Ende 2023 ein zentraler Knackpunkt für die Elektromobilität in Deutschland war: „Das war ein absoluter Fauxpas, gelinde gesagt idiotisch, zu kurz angesagt, nicht wirklich gut erklärt – und der Bevölkerung wurde, sehr salopp gesagt, der Stinkefinger gezeigt.“ Während die Bundesregierung weiterhin 15 Millionen E-Autos bis 2030 auf der Straße sehen möchte, habe sie durch die Förderpolitik genau das Gegenteil signalisiert.

Hinzu komme eine unzureichende Kommunikation seitens Industrie und Politik. „Es wird immer noch nicht ausreichend erklärt, was E-Mobilität eigentlich ist, welche Vorteile sie bringt und für wen sie geeignet ist“, so Keim. Mythen über Batterielebensdauer, Recycling, zu wenige Ladestationen oder Reichweite seien nach wie vor weit verbreitet. Auch die Diskussion um ein „Verbrenner-Aus“ 2035 sorgt für Verunsicherung: Viele Menschen denken offenbar, dass Autos mit Verbrennungsmotor dann gleich ganz verboten werden sollen, dabei geht es nur um ein Verkaufsverbot für Neuwagen, die lokale Emissionen verursachen. Die Verunsicherung hat für eine Kaufzurückhaltung bei E-Autos gesorgt.

Forderung nach sozialer Förderung

Um die Nachfrage im Privatmarkt zu beleben, plädiert Keim für eine stärkere soziale Ausrichtung der Förderung. „Es reicht nicht, wenn steuerliche Vorteile vor allem Dienstwagenbesitzern zugutekommen. Auch Menschen mit normalen Gehältern brauchen Zugang zur E-Mobilität.“ Sie verweist auf das französische „Social Leasing“, das innerhalb weniger Monate vergriffen war.

Ein ähnliches Modell könne auch in Deutschland funktionieren – wenn es ausreichend finanziert wird. Darüber hinaus müsse die Ladeinfrastruktur weiter zügig wachsen, trotz oft leerer Ladeparks. Keim betont: „Es ist besser, fast schon zu viel zu haben, als wirklich zu wenig. Die gefühlte Lücke sorgt für Unsicherheit – und die Reichweitenangst sitzt tief.“

Einstiegspreise bleiben das Nadelöhr

Einen weiteren Hebel sieht Keim bei günstigen Einstiegsmodellen. Fahrzeuge unter 25.000 Euro sind in Europa bisher Mangelware. „Ich habe Volkswagen schon gesagt: Bringen Sie bitte den ID.2 oder ID.1 so schnell wie möglich – besser nicht erst 2027.“ Auch Stellantis oder chinesische Hersteller könnten diese Lücke schneller schließen. Zwar hätten die jüngst eingeführten EU-Zölle die Importpreise erhöht, doch viele Unternehmen absorbierten diese Kosten, so Keim.

Gleichzeitig warnt sie vor einer zu großen Abhängigkeit von Asien. „Wir brauchen dringend mehr Zellfertigung in Europa. Solange wir bei Batterien von China abhängig sind, bleiben wir verwundbar.“ Auch beim Zugang zu Rohstoffen müsse Europa neue Quellen erschließen – sei es in Norwegen, Chile oder sogar in der Pfalz, wo seit Kurzem Lithium gefördert wird.

Deutsche Hersteller zwischen Hoffnung und Realität

Im Hinblick auf die IAA richtet Beatrix Keim in unserem Podcast ihren Blick auf die heimischen Hersteller. Bei Volkswagen sieht Keim Licht und Schatten: „Die ID-Modelle werden in Europa durchaus gut angenommen, auch Cupra läuft sehr gut. Aber in China sieht es schwieriger aus.“ Der Premiumbereich mit Audi und Porsche hinke spürbar hinterher – auch weil Projekte wie die Cellforce-Batterieentwicklung ins Stocken geraten seien.

BMW hingegen tritt mit seiner „Neuen Klasse“ an. „Das ist ein echter Hoffnungsträger, technologisch sehr stark und mit internationaler Ausrichtung.“ Mercedes bringt die MMA-Plattform, hält aber die Tür für den Verbrenner weiter offen. Keim versteht die Strategie: „Wir haben noch zehn Jahre bis zum Verbrenner-Aus. Der US-Markt ist weiter ein Verbrennermarkt, auch in China dominiert der Verbrenner noch. Daher halten sich die Hersteller Optionen offen.“

Opel sucht seinen Platz – China drängt nach Europa

Auch Opel sorgt für Diskussion: Die Marke will nun doch nicht wie eigentlich geplant 2028 rein elektrisch werden, sondern setzt auf die Multi-Energy-Strategie von Stellantis. Für Keim ein riskantes Signal: „Man versucht hier nach allen Halmen zu greifen. Aber ob das Vertrauen schafft, ist fraglich.“

Parallel drängen chinesische Hersteller in großer Zahl nach München. BYD, Changan und andere reisen mit großem Auftritt an, flankiert von Batterieproduzenten wie CATL. „Die Fahrzeuge sind technisch gut, aber die Marken haben noch Nachholbedarf beim Image. Ohne mehr Kommunikation und Sichtbarkeit wird es schwer, Vertrauen aufzubauen.“ Gleichzeitig werde aggressiv der Flotten- und Abo-Markt bearbeitet, um Präsenz auf der Straße zu zeigen.

Offene Frage: Schafft Deutschland den Turnaround?

Am Ende bleibt die große Frage: Verliert Deutschland wirklich den Anschluss? Keims Antwort ist differenziert: „Es muss endlich gehandelt werden. Die Bundesregierung darf diese Schlüsselindustrie nicht einfach laufen lassen.“ Innerhalb eines Jahres sind in Deutschland über 50.000 Arbeitsplätze in der Branche verloren gegangen. „Wenn wir nicht reagieren, verlieren wir nicht nur Marktanteile, sondern auch industrielle Substanz.“

Ihre Kernbotschaft vor der IAA lautet daher: „E-Mobilität ist eine sehr schöne, sehr emotionale Mobilität. Aber sie muss von Politik, Industrie und Gesellschaft getragen werden, sonst werden wir in Europa nur noch zuschauen.“

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3 Kommentare

zu „IAA: Verliert Deutschland bei E-Mobilität den Anschluss?“
M
02.09.2025 um 21:50
Verliert Deutschland bei E-Mobilität den Anschluss? Nein. Deutschland hat den Anschluss bereits vor 10 Jahren verloren.
Reinhold
03.09.2025 um 15:53
Deutschland hat bereits verloren.... siehe Strompreise:99% der Stromkosten von der deutschen Politik verursachtSteuern, Abgaben und Umlagen (ca. 29 %)  Stromsteuer:  Eine Verbrauchssteuer auf Strom, die unter anderem der staatlichen Rentenversicherung zugutekommt. EEG-Umlage:  Diese Umlage fördert den Ausbau erneuerbarer Energien und sichert den Anlagenbetreibern eine feste Vergütung. Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer):  Eine allgemeine Verbrauchsteuer von derzeit 19 % auf den Nettopreis. KWKG-Umlage:  Diese Umlage fördert Anlagen, die Kraft-Wärme-Kopplung nutzen. Konzessionsabgabe:  Eine Gebühr, die Stromversorger an die Gemeinden zahlen, für die Nutzung öffentlicher Verkehrswege zum Verlegen ihrer Leitungen.Netzentgelte (ca. 28-29 %) Diese Gebühren werden für die Nutzung der Stromnetze erhoben und decken die Kosten für den Transport des Stroms durch die Leitungen. Kosten für Stromerzeugung und Vertrieb (ca. 40-43 %) Dieser Teil deckt die Kosten für die Beschaffung des Stroms, der an der Strombörse gehandelt wird. Der Preis hängt stark von Angebot und Nachfrage sowie von den Preisschwankungen an der Börse ab. Zusätzliche Kosten Der Atomausstieg kostet in erster Linie die Atomkonzerne selbst, die Milliardenbeträge für den Rückbau der Kernkraftwerke aufbringen müssen, da sie für die Stilllegung und den Abbau gesetzesgemäß Rückstellungen bilden müssen. Die Kosten für den Rückbau liegen pro Anlagenblock bei rund 1 Milliarde Euro. Die gesamten Kosten für die Energiewende, also den Umstieg auf erneuerbare Energien, werden auf hunderte Milliarden Euro geschätztDie Kosten für ein Atommüll-Endlager liegen bei geschätzten 170 Milliarden Euro für die gesamte Entsorgung bis zum Jahr 2100. Ein fester Jahresbeitrag ist nicht festgelegt, da es sich um ein langfristiges Projekt handelt, aber die 170 Milliarden Euro beinhalten auch die Baukosten und den Betrieb der Endlager. Die Kosten für die Zwischenlagerung werden in den prognostizierten Gesamtkosten mit berücksichtigtUnd die Lagerung des Atommüll über tausende von Jahren zusätzlich tausende Milliarden EuroDies bedeutet, dass 99% der Stromkosten von der deutschen Politik verursacht wurden / werden, die Politiker aber nicht bereit sind nur auf 1 Cent ihrer Vergütungen zu verzichten. Statt dessen werden Sozialleistungen gekürzt, Renten gekürzt, und Steuergeld verschwendet!!
Claus Korsinsky
03.09.2025 um 23:02
es ist noch nicht ganz zu spät! Wir brauchen Ladungsspeicher, da habe ich schon alle Automobilfirmen angespitz. 2 Minuten Laden an der Tankstelle (China ist bei 10) wo soll man sonst einen Ladebuffer sinnvoll platzieren? 800 km Reichweite und Preis deutlich unterm Verbrenner - unter 15.000 (China liegt bei 10.000) Sonst kein Geschäft! Warum auch, dann sind die Öffis und der Mietwagen billiger!

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