VW stuft Cariad zum Koordinator und Partner von Rivian und Xpeng herunter

Der Volkswagen-Konzern zieht die Notbremse bei seiner Software-Einheit Cariad, die 2020 vom damaligen CEO Herbert Diess ins Leben gerufen worden war. Anstatt die Software für Autos eigenständig zu entwickeln, soll Cariad künftig als Koordinator für extern entwickelte Technologien fungieren – gemeint ist damit v.a. Software von Rivian und Xpeng.

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Bild: Cariad

Die Idee hinter Cariad war einst, die Software-Entwicklung des VW-Konzerns in einer Organisation zu bündeln und an einer einheitlichen Software-Plattform für alle Pkw-Marken des Konglomerats zu arbeiten. Doch das ging gehörig schief: Schnell wurde Cariad zum Ungetüm mit rund 6.000 Mitarbeitern aus verschiedenen Konzernmarken mit unterschiedlichen Ansprüchen und Arbeitskulturen. So wurde Cariad bald zum Flaschenhals des Konzerns – wegen massiver Softwareprobleme verzögerte sich die Einführung wichtiger Modelle wie etwa des elektrischen Macan deutlich, teils um mehrere Jahre.

Deshalb suchte VW vergangenes Jahr sein Heil in einer milliardenschweren Allianz mit dem kalifornischen E-Auto-Startup Rivian, das VW fit für die Welt der Software Defined Vehicles (SDV) machen soll. Und in China hat VW schon seit 2023 eine ähnliche Partnerschaft mit Autohersteller Xpeng.

Angesichts dieser Allianzen zeichnet sich nun schon seit längerem ab, dass VW-Konzernchef Oliver Blume das Vertrauen in Cariad verloren hat und stattdessen bei der Software und Fahrzeugarchitektur auf externe Partner setzt. Und letzteres hat Oliver Blume nun auf dem Auto x Software Summit der „Financial Times“ in München öffentlich bestätigt: Er sprach von einem „kompletten Neustart“ der Softwarestrategie mit neuen Partnern sowie einem umstrukturierten eigenen Team.

„Nachdem wir nun eine klare Softwarestrategie definiert haben, erreichen wir eine hervorragende Kostenpositionierung“, sagte Blume und meinte damit Skalenvorteile. Konkret hat der Volkswagen-Konzern ein „Group Software Stack“ gebaut, das „ein umfassendes Framework mit softwarebasierten Schlüsseltechnologien und Architekturen über Marken und Regionen hinweg“ bietet, wie es in einem Beitrag im Cariad-Blog zu der Konferenz heißt. Darin gibt es vier Schlüsselbereiche, die auch die obige Grafik zeigt: Driver Stack, Experience Stack, Cloud Stack und Motion Stack. Diese vier Schlüsselbereiche werden dabei mit drei Architekturen kombiniert: Der Global Architecture (das ist die in den letzten Jahren von Cariad entwickelte Architektur), der SDV East (aus der Partnerschaft mit Xpeng) und der SDV West (aus der Partnerschaft mit Rivian).

Cariad wird aber weiterbestehen und einerseits für die sogenannten „Legacy-Themen“ zuständig sein, also die Wartung und Aktualisierung der bestehenden Softwareplattformen von VW. Anderseits soll Cariad aber auch die von Rivian entwickelten Plattformen in die zahlreichen Marken von VW integrieren. Zudem soll Cariad auch bestimmte Kernthemen wie autonomes Fahren, Infotainmentsysteme und Cloud-Computing-Dienste verantworten.

Volkswagen will ADAS von Xpeng verwenden

Dazu kommt aus China gerade eine interessante Neuigkeit: Volkswagen wird ab 2026 Xpengs Fahrerassistenzsystem XNGP (XPeng Navigation Guided Pilot) für seine Elektrofahrzeuge in China einsetzen. Das erste Modell mit dieser Technologie wird laut CarNewsChina ein gemeinsam mit Xpeng entwickelter Mittelklasse-SUV sein. Unklar ist aktuell, was dieser Schritt für Cariad bedeutet, denn eigentlich sollte Cariad auch für China Lösungen zum autonomen Fahren entwickeln. Andererseits handelt es sich bei XNGP nicht um ein vollwertiges autonomes System nach Level 4 oder gar Level 5, sondern es wird als Level-2-ADAS (Advanced Driver Assistance System) klassifiziert. Es bietet Funktionen wie automatisches Spurhalten, einen adaptiven Tempomaten und teilautomatisches Fahren auf Autobahnen und in urbanen Umgebungen. Xpeng peilt zwar grundsätzlich Level-4-Autonomie an, XNGP ist aber derzeit noch nicht auf diesem Niveau. Daher ist aktuell unklar, ob dieses ADAS-System von Xpeng tatsächlich statt der Cariad-Technologie genutzt werden soll oder aber Cariad weiter ein solches autonomes System für China entwickelt.

Doch zurück zur generellen Umstrukturierung bei VW und Cariad. Cariad-Chef Peter Bosch sagte gegenüber der „Financial Times“: „Ich bin etwas erleichtert, dass wir das innerhalb von zwei Jahren geschafft haben, denn es ist eine ziemlich massive Transformation.“ Schließlich handelt es sich um einen enormen Strategieschwenk von der Idee des „Do it yourself“ zum Zukauf von Software.

Die Gefahr ist allerdings, dass sich VW mit seinem Modell zu sehr von seinen Partnern Rivian und Xpeng abhängig macht, die ja parallel auch noch eigene Prioritäten verfolgen. So fokussiert sich der bislang hochdefizitäre Hersteller Rivian, dessen zweitgrößter Aktionär Volkswagen mittlerweile ist, gerade auf die Entwicklung der Architektur für sein künftiges Elektro-SUV R2, dessen Produktion im nächsten Jahr starten soll. Erst danach soll der Fokus auf Volkswagen-Themen liegen. Unterdessen ist das Joint Venture beider Partner in Kalifornien bereits von 900 Mitarbeitern bei der Gründung auf nun 1.300 Köpfe angewachsen, zudem soll bald ein Büro in Berlin eröffnet werden.

ft.com, golem.de, heise.de, carnewschina.com (Assistenzsystem von Xpeng)

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