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Batterieproduktion made in Europe: Wie Industriecluster die Wettbewerbsfähigkeit sichern können

Europäische Batterie-Großprojekte haben noch nicht richtig gezündet, China dominiert nach wie vor den Markt. Im Interview spricht Andreas Zeus, Director High Tech Industrial bei Linesight, über die aktuellen Entwicklungen in der Batteriebranche und das Vorbild des Battery Valleys in Nordfrankreich.

„Netto-Null oder nichts“ – die Internationale Energieagentur (IEA) lässt in ihrem jüngsten Fahrplan keinen Raum für Halbherzigkeit. Das Erreichen der Klimaneutralität bis 2050 erfordert eine vollständige und rasche Umgestaltung des globalen Energiesystems. Verzögerungen oder schrittweise Änderungen werden nicht ausreichen.

Vor diesem Hintergrund steht die Batterietechnologie im Mittelpunkt, da sie das Rückgrat der Elektrifizierung und ein entscheidender Faktor für die Dekarbonisierung aller Sektoren ist. Doch Europa befindet sich, trotz seiner Ambitionen, den grünen Wandel anzuführen, auf wackligem Boden. Projektstornierungen, Insolvenzen und ein sich vergrößernder Abstand zu asiatischen Konkurrenten haben dringende Fragen über die industrielle Bereitschaft des Kontinents aufgeworfen.

Andreas Zeus, Branchenexperte beim Bauberatungsunternehmen Linesight, bietet eine differenziertere Sichtweise. Im Interview erklärt er, warum China kurzfristig dominieren mag, Europa aber immer noch ein strategisches Zeitfenster hat – und wie industrielle Cluster, intelligente Planung und Durchhaltevermögen die Zukunft der Batterieproduktion auf dem Kontinent bestimmen können.

Herr Zeus, ins Stocken geratene Großprojekte und Insolvenzen haben Sorgen um die Konkurrenzfähigkeit der europäischen Batterieproduktion ausgelöst. Wie sehen Sie die Situation?

Ich würde das differenziert sehen: Kurzfristig werden die etablierten asiatischen Anbieter wohl unangefochten an der Spitze bleiben. Die europäischen Hersteller kommen zwar nur mühsam aus den Startlöchern, aber der allgemeine Trend zur Elektrifizierung ist beachtlich und führt dazu, dass die Nachfrage nach Batterien weiter steigt. Damit bleibt für die europäische Industrie ein Zeitfenster offen, um aufzuholen und die eigenen Wertschöpfungskapazitäten strategisch zu sichern. Dafür braucht es rasch konkrete Maßnahmen.

Entgegen den Erwartungen haben einige hochkarätige Projekte in letzter Zeit negative Aufmerksamkeit erregt. Was ist der Grund für diesen Trend?

Viele der gestrichenen oder verschobenen Großprojekte waren Gegenstand aggressiver Wachstumspläne, als die Stimmung in der Branche geradezu euphorisch war und ein sprunghafter Anstieg der Nachfrage nach Elektrofahrzeugen prognostiziert wurde. Dies hat sich nicht bewahrheitet. In Kombination mit den Herausforderungen, die sich aus der unterschätzten Komplexität bei der Industrialisierung und Inbetriebnahme, den hart umkämpften Preisen und den sich rasch weiterentwickelnden Technologien ergeben, wurden die Projekte unrentabel, bevor sie überhaupt begonnen hatten.
Wir dürfen nicht vergessen, dass es sich um sehr kapitalintensive Großbauprojekte handelt, die eine präzise Planung und erfahrene Partner erfordern. Ansonsten können die Kosten sehr schnell aus dem Ruder laufen, wie wir leider feststellen mussten.

Stimmt Sie angesichts dieser Lage noch etwas optimistisch?

Europa setzt sich weiterhin für die Ziele der Elektrifizierung und Nachhaltigkeit ein und hat aufgrund seiner relativ stabilen Bedingungen im Vergleich zu anderen Regionen an Attraktivität für Investitionen gewonnen. Es gibt auch positive Beispiele für europäische Unternehmen, die ihre Hausaufgaben gewissenhaft machen und kontinuierlich Erfahrung in der Batterieherstellung aufbauen, gegebenenfalls durch Partnerschaften mit etablierten asiatischen Unternehmen. Bei vielen europäischen Akteuren ist ein Mentalitätswandel zu beobachten, sie sehen sich in der Rolle des „Schülers“ bei der Herstellung von Batterien in großem Maßstab.

Schließlich verfügt Europa über gute F&E-Kapazitäten, die in der Lage sind, Innovationen hervorzubringen, und über eine nach wie vor starke Automobilindustrie. Bestehende Automobilzentren in Ländern wie Deutschland, Spanien, Frankreich oder dem Vereinigten Königreich bieten die Möglichkeit, Cluster für die Batterieherstellung zu bilden, die bestehende Strukturen und Fähigkeiten durch neue ergänzen. Natürlich dürfen wir Optimismus nicht mit Naivität verwechseln. Es gibt ernsthafte Herausforderungen zu bewältigen, insbesondere im Hinblick auf die Abhängigkeit von China in der Batterielieferkette. Hier sind entschlossenere politische Maßnahmen erforderlich, um dieses Problem zu lösen.

Welche Bedingungen müssen in Europa erfüllt sein, damit Batteriecluster funktionieren?

Aufstrebende Batterie-Cluster müssen bei der Standortwahl von Batterieherstellern eine hohe Punktzahl erreichen. Der Zugang zu zuverlässiger und erschwinglicher Energie, idealerweise aus erneuerbaren Quellen, ist eine grundlegende Überlegung bei der Standortwahl für eine Gigafabrik. Ein weiterer Schlüsselfaktor ist der Zugang zu Talenten, die ausgebildet – oder umgeschult – werden können, z. B. aus dem Verbrennungsmotorenbau. In Anbetracht der hohen Dynamik der Branche ist die Geschwindigkeit der Umsetzung ein weiterer wichtiger Aspekt, der durch reaktionsschnelle lokale Behörden, die Erfahrung mit der effizienten Genehmigung von Großprojekten haben, aber auch durch eine bereitstehende Infrastruktur einschließlich Industrieflächen und Verkehrswegen erreicht werden kann. Schließlich leben Cluster von der kritischen Masse, d. h. einer Konzentration von Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette an einem Standort. Dies ermöglicht Synergien und erhöht die Effizienz.

Das „Battery Valley“ in Nordfrankreich gilt in dieser Hinsicht als europäisches Vorzeigeprojekt. Was funktioniert dort besonders gut?

Ich denke, was das Battery Valley um Dunkerque besonders stark macht, ist die Tatsache, dass sich mehrere lokale Organisationen mit komplementären Interessen und Angeboten zusammengeschlossen haben, um erfolgreich attraktive Investitionsbedingungen für Batteriehersteller zu schaffen. Zum Beispiel war die Hafenbehörde an einer Erhöhung des Versandvolumens interessiert und hatte Industrieflächen zur Verfügung. Die örtlichen Automobilhersteller wollten kurze Lieferketten für die sperrigen Batterien und gaben durch Abnahmevereinbarungen Planungssicherheit. Die nationalen und regionalen Regierungen waren an einer Reindustrialisierung der Region interessiert, die durch den Niedergang der traditionellen Industrien in Schwierigkeiten geraten war, und boten Subventionen und Infrastrukturinvestitionen an. In Verbindung mit anderen Standortvorteilen wie einer zuverlässigen und erschwinglichen kohlenstoffarmen Energieversorgung durch Kernkraft und Offshore-Windkraft zog dies Akteure entlang der gesamten Wertschöpfungskette für Batterien an. Dies kann auch zu einem sich selbst verstärkenden Effekt führen, der weitere Investoren und Talente in die Region lockt, da sie wissen, dass es ein robustes Industriecluster für Geschäfts- und Karrierewachstum gibt.

Das klingt nach einem Konzept, dem mehr Regionen folgen sollten.

Auf jeden Fall. Aber täuschen Sie sich nicht: Cluster können nicht einfach herbeigezaubert werden und brauchen oft mehrere Jahrzehnte, um sich zu einem florierenden Ökosystem zu entwickeln. Nehmen Sie als Beispiel Silicon Saxony um Dresden in Deutschland, das heute das größte Mikroelektronik-Cluster in Europa ist. Die Ambitionen zur Bildung eines Industrieclusters in der Region reichen bis in die frühen 1990er Jahre zurück. Zugleich ist es aber auch ein Beispiel für eine weitsichtige Industriepolitik, die die richtigen Rahmenbedingungen für die Investitionsattraktivität geschaffen hat. Die Batteriecluster der Zukunft erfordern jetzt gezieltes Handeln und einen langen Atem.

Sie haben erwähnt, dass es beim Bau von Gigafabriken bisher zu kostspieligen Überschreitungen gekommen ist. Wie kann das besser gemacht werden?

Meiner Meinung nach gibt es ein erhebliches Verbesserungspotenzial durch die Übernahme bewährter Verfahren aus anderen fortschrittlichen Fertigungsindustrien wie der Halbleiterindustrie und den Biowissenschaften. So kann beispielsweise eine stärkere Zusammenarbeit innerhalb der Branche, z. B. durch koordiniertes Benchmarking, oder die Entwicklung von Standards und modularen Konstruktionsansätzen zusammen mit der Bauzulieferkette die Effizienz steigern. Die Entwicklung solcher Konzepte im Vorfeld der nächsten Welle von Gigafabrik-Investitionen wird die größte Wirkung entfalten. Außerdem können sich Batterieunternehmen, die sich bei der Projektdurchführung auf erfahrene und professionelle externe Partner verlassen, weiterhin auf ihr Kerngeschäft, die Herstellung von Batterien, konzentrieren.

Wagen Sie einen Blick in die Glaskugel: Wie wird sich die Batterieproduktion in Europa in den kommenden Jahren entwickeln?

Wir werden sicherlich erleben, dass der Sektor in Europa Fuß fasst und die Kapazität zur Herstellung von Batteriezellen von den wenigen hundert GWh, die heute installiert sind, durch neue Gigafabriken, die sowohl von europäischen als auch von chinesischen Akteuren entwickelt werden, vervielfacht wird. In jedem Fall dürfte dies zu einem erheblichen Anstieg des lokalen Know-hows bei der Herstellung von Batterien in großem Maßstab führen und eine solide Grundlage für europäische Akteure schaffen, um Innovationen in den Bereichen Technologie, Verfahren und Automatisierung voranzutreiben und so wettbewerbsfähiger zu werden. Schließlich erwarte ich, dass wir eine gewisse Konsolidierung und Spezialisierung in der Branche erleben werden.

Herr Zeus, haben Sie vielen Dank für das Gespräch!

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