Halböffentliches Lkw-Laden: Daimler Truck setzt bei TruckCharge-Netz auf Spirii-Software

Daimler Truck will es seinen Händlern und Kunden standardmäßig ermöglichen, ihre betriebseigenen Lader für Dritte zu öffnen und auf diese Weise bis 2030 ein Lkw-Ladenetz mit 3.000 Schnellladepunkten in Europa knüpfen. Jetzt präsentieren die Stuttgarter Spirii als Technikpartner, erste Pilotkunden und einen detailliertere Roadmap.

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Bild: Daimler Truck

Daimler Truck kündigte im März an, unter seiner Marke TruckCharge Europas größtes halböffentliches Lkw-Ladenetz knüpfen zu wollen. Nun meldet das Unternehmen, dass Anfang Oktober mit dem Transportunternehmen Wessels im nordrhein-westfälischen Rhede ein erster Pilotkunde live ging. Im Dezember folgte die Spedition Diez mit ihrem Ladepark in Dettingen unter Teck in Baden-Württemberg. Der „offizielle Rollout“ in Deutschland und Österreich soll derweil im ersten Quartal 2026 erfolgen – mit weiteren europäischen Märkten, die im Laufe des Jahres ebenfalls erschlossen werden.

Die Idee ist ebenso simpel wie smart: Daimler Truck baut über seine Marke TruckCharge aktuell viele gewerbliche Ladestationen auf Betriebshöfen seiner Kunden oder bei eigenen Händlern. Anstatt diese rein intern für Unternehmenszwecke zu nutzen, schwebt dem Hersteller vor, diese Lkw-Lader „zur externen, entgeltlichen Nutzung zu öffnen“. Sprich: Beim sogenannten Semi-Public Charging können Unternehmen eigene Ladesäulen zu Zeiten ohne Eigenbedarf zur Verfügung stellen. Die Betonung liegt auf „können“, das letzte Wort haben natürlich die Kunden.

Bis 2030 soll durch diese Initiative ein Netzwerk aus mehr als 3.000 Schnellladepunkten entstehen. Dieses Ziel nannte Daimler Truck bei Bekanntgabe der Pläne im März – und bleibt auch jetzt dabei, obwohl sich zwischenzeitlich als Bremsklotz herausstellte, dass über den Bund geförderte gewerbliche Lader (KsNI-Programm) teils nicht für Dritte freigegeben werden dürfen.

Spirii liefert das Software-Ökosystem

So oder so: Als Partner für die operative und technische Umsetzung präsentiert Daimler nun Spirii, einen Spezialisten für Software und Netzwerkmanagement. Das dänische Unternehmen stellt für das TruckCharge-Netz seine eMobility-Plattform bereit. Diese umfasst u.a. ein Charge Point Management System (CPMS) für Depotbetreiber, eine eMobility Service Provider (eMSP)-Lösung für Flotten sowie eine Lade-App für Fahrer. Das modular aufgebaute Software-Ökosystem der Firma ermöglicht dabei die Verwaltung, Überwachung und Freigabe von Ladestationen für externe Nutzer, während die Betreiber die Kontrolle über den Zugang und die Preisgestaltung behalten. Gäste können über die App wiederum die Lader suchen, buchen und nutzen – inklusive transparenter Preisinformationen und Einbindung von Drittanbietern über Roaming.

Spirii sitzt in Kopenhagen und macht inzwischen in über 22 europäischen Märkten Geschäfte. „Wir bei Spirii sind stolz darauf, unser Know-how für intelligente Ladelösungen einzubringen, um den Rollout des TruckCharge-Netzwerks zu unterstützen und die Umstellung auf elektrischen Transport zu beschleunigen“, äußert Tore Harritshøj, CEO und Mitgründer von Spirii. Der gravierende Mangel an Lademöglichkeiten sei eines der größten Hindernisse für die breite Elektrifizierung des Transportsektors.

Pilotkunden im Münsterland und Schwäbischer Alb

Zum Einsatz kommt das System seit Kurzem bei den genannten Pilotkunden. Bei Wessels Logistik aus Rhede handelt es sich um einen Spezialisten für Abfall- und Schüttguttransporte, der auf seinem Gelände gerade wie berichtet einen Ladepark eröffnet hat und seine E-Lkw-Flotte stetig erweitert. Die Münsterländer gehörten auch zu den Erstbeziehern des Mercedes-Benz eActros 600. Die Spedition Diez aus Dettingen unter Teck verdient ihr Geld dagegen vor allem mit Volumen- und Sondertransporten und hat an ihrem Firmensitz kürzlich ebenfalls einen Lkw-Ladepark in Betrieb genommen. Dieser liegt wie berichtet direkt an der B465 und unmittelbar an der A8 zwischen Stuttgart und München. Das Besondere: Die Lader werden von einem enormen, freitragenden Solardach überspannt.

Doch zurück zu Daimlers Ambitionen: Mit Milence ist der Truck-Hersteller eigentlich bereits an einer privaten Initiative zum Aufbau eines Schnellladenetzes für Lkw in Europa beteiligt. In Deutschland forciert der Bund zudem ein initiales Lkw-Ladenetz, das aber noch in der Ausschreibungsphase steckt. Die Stuttgarter, die mit den eActros 600 vor einem Jahr einen der ersten Fernstrecken-tauglichen E-Lkw herausgebracht haben, fallen über diese Ansätze hinaus mit Tatendrang auf. Kein Wunder: Das Henne-Ei-Dilemma beim Hochlauf von Elektro-Lkw ist das Letzte, was die Marke mit Stern jetzt gebrauchen kann.


Das vom Konzern nun skizzierte TruckCharge-Netz fußt auf dem Laden bei Unternehmen/Händlern, wofür Daimler Truck den Ausdruck „Semi-Public Charging-Ladeoption für Elektro-Lkw “ einführt. Wichtig ist den Verantwortlichen, dass das halböffentliche Netzwerk von TruckCharge explizit als „eine Ergänzung zum öffentlichen Ladeangebot unter anderem von Milence“ verstanden wird. Die Stuttgarter wenden sich also keinesfalls von dem 2022 mit Traton und der Volvo Group gegründeten Joint Venture ab. Dieses will in Europa nach wie vor 1.700 Lkw-Ladepunkte bis 2027 errichten.

Idee einer Depot-Verknüpfung macht Schule

Der Fokus liegt bei Milence aber eher auf Autobahn-nahen Standorten, während sich das künftige TruckCharge-Netz wohl vor allem in Industrie- und Gewerbegebieten manifestieren dürften – dort, wo größere Betriebshöfe eben in der Regel liegen. Eine ähnliche Initiative hatte Mitte 2024 bereits Hersteller MAN und Energieversorger E.ON gestartet – allerdings in kleinerem Umfang und mit reinem Fokus auf das Händlernetz von MAN. Bis Ende 2025 strebt das Duo früheren Angaben zufolge 80 Standorte an, insgesamt sollen es europaweit 400 werden – mit einem Großteil der geplanten Lader in Deutschland. Auch weitere Akteure haben sich im Laufe des Jahres zu vergleichbaren Projekten bekannt. So etwa der zum R+V-Konzern gehörende Transportversicherer KRAVAG, der eine Lade-App entwickelt hat, über die Speditionen Lkw-Ladesäulen anbieten oder suchen und anschließend auch abrechnen können. Oder TST mit einem geplanten genossenschaftlichen Depot-Ladenetz. Ebenso Shell mit einem „integrierten Ladenetz für Schwerlastflotten“.

Alexander Müller, Leiter Zero Emission Vehicle Business Solutions Mercedes-Benz Trucks, betont: „Mit Semi-Public Charging schaffen wir eine Lösung, die unseren Kunden und Partnern echten Mehrwert bietet. Wir verbinden die Vorteile eigener Ladeinfrastruktur mit der Möglichkeit, diese effizienter zu nutzen und gleichzeitig die Verfügbarkeit für die gesamte Branche zu erhöhen. Unser Ziel ist es, den Einstieg in die Elektromobilität für Speditionen und Transportbetriebe so einfach wie möglich zu gestalten. Indem wir bestehende Ressourcen besser auslasten, senken wir die Kosten für Betreiber und schaffen zusätzliche Einnahmequellen. Gleichzeitig tragen wir dazu bei, die dringend benötigte Ladeinfrastruktur für schwere Nutzfahrzeuge schneller auszubauen. Das ist ein entscheidender Schritt, um die Transformation des Transportsektors hin zu emissionsfreien Lösungen voranzutreiben.“

TruckCharge sieht sich in der Vermittlerrolle

TruckCharge soll also quasi Angebot und Nachfrage beim halböffentlichen Laden
zusammenbringen und die Vermittlerrolle zwischen Anbietern und Kunden übernehmen. „Als Initiator und Treiber des TruckCharge Netzwerks bringt Daimler Truck die relevanten Akteure zusammen und ermöglicht den Zugang zu einer europaweiten Plattform für Planung, Buchung, Reservierung und Bezahlung von Ladevorgängen“, formulieren es die Stuttgarter. Die Motivation zum Mitmachen sollen u.a. monetäre Anreize forcieren. Denn die Anbieterseite kann durch extern gebuchte Ladevorgänge Einnahmen generieren, wodurch sich ihre Investition in die Ladeinfrastruktur schneller amortisiert. Die Kunden, die die Lademöglichkeiten nutzen, profitieren ihrerseits ebenfalls von einem Kostenvorteil, denn sie zahlen nicht so viel wie an öffentlichen Ladeeinrichtungen. Darüber hinaus steht ihnen ein engermaschiges Netzwerk zur Verfügung und sie sollen Ladesäulen im Voraus reservieren können.

Das angekündigte Ladenetz ist der bisher größte Wurf von TruckCharge. Die Marke wurde Mitte 2024 gegründet und bündelt seitdem mehrere Infrastruktur-Angebote von Daimler Truck. Unter dem Markennamen fassen die Stuttgarter europaweit alle bestehenden und zukünftigen Angebote rund um die Infrastruktur und das Laden von Elektro-Lkw zusammen – also Beratung, Infrastruktur und Betrieb. Zielgruppe sind sowohl Lkw-Flottenbetreiber als auch Unternehmen aus der Industrie mit eigenem oder fremdbetriebenem Lkw-Fuhrpark. Und wichtig: Da in der Regel Fahrzeuge unterschiedlicher Hersteller eingesetzt werden, ist TruckCharge unabhängig von der Lkw-Marke verfügbar.

daimlertruck.com, via.ritzau.dk

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