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„Rolle dezentraler Lösungen im Energiesystem der Zukunft“ – Marc Sauthoff von Roland Berger

Sauthoff roland berger live november

„Mobilität wird ein aktiver Spieler“, sagte Marc Sauthoff in seinem Vortrag bei electrive LIVE – und legte damit fest: Die Zukunft des Energiesystems entscheidet sich nicht nur auf Dächern und in Kellern, sondern auch auf vier Rädern. Denn Elektroautos und ihre Batterien werden schon bald durch bidirektionales Laden zu stillen Riesen des Energiemarkts, deren Potenzial weit über das Fahren hinausgeht.

Sauthoff betont, dass dezentrale Lösungen fürs Stromnetz wie etwa die Rückspeisung von Strom aus E-Auto-Batterien ins Netz in der öffentlichen Debatte bisher „unterrepräsentiert“ seien und man ihren Wert „schlichtweg unterschätzt“ habe. Die New Energy Alliance, ein Zusammenschluss von über 20 Unternehmen, wolle genau das korrigieren und den Blick auf lokale Flexibilitäten lenken. Gerade Energieversorger vor Ort zeigten laut Sauthoff zunehmend Interesse, weil klar werde, dass die vorhandenen Potenziale im Strom-, Wärme- und Mobilitätsbereich vielfältig und wirksam sind.

Im Zentrum seines Vortrags bei der 50. Ausgabe unserer Online-Konferenz stand der künftige Energiemix, den Sauthoff als Dreiklang beschrieb: erneuerbare Energien, konventionelle Backup-Kapazitäten und ein breites Spektrum dezentraler Lösungen. Zu Letzteren zählen Photovoltaik, Batteriespeicher, Wärmepumpen – und vor allem das bidirektionale Laden von Elektrofahrzeugen. Voraussetzung sei allerdings eine technische Basis, die flexible Nutzung ermöglicht. „Smart Meter als Infrastruktur“ seien daher entscheidend, um dynamische Tarife und Preissignale überhaupt möglich zu machen, so Sauthoff.

255 Milliarden Gründe für Dezentralität

Eine von Roland Berger durchgeführte Studie beziffert den möglichen Mehrwert der dezentralen Lösungen bis 2045 auf 255 Milliarden Euro. Sauthoff erklärte, diese Summe umfasse sowohl Einsparungen beim Endverbraucher als auch positive Effekte für das Gesamtsystem, etwa vermiedenen Netzausbau oder den geringeren Bedarf an neuen Gaskraftwerken. Rund sieben Gigawatt an Gaskraftwerkskapazität könnten entfallen, wenn die Flexibilität dezentraler Lösungen konsequent genutzt werde.

Zudem entstünden neue Arbeitsplätze: Ausgehend von heute rund 20.000 Beschäftigten im Startup-Sektor erwartet Sauthoff „eine sechsstellige Zahl“. Auch wenn die Hardwareproduktion längst abgewandert sei, liege enormes Potenzial in Software, Steuerungslogik und innovativen Geschäftsmodellen – also in wertschöpfenden Bereichen, die in Deutschland bleiben können.

Mobilität wird zum aktiven Spieler

Besonders groß sei das Potenzial im Verkehrssektor. „Mobilität wird ein aktiver Spieler“, sagt Sauthoff – und verweist auf die gigantischen Speicherkapazitäten, die bereits heute ungenutzt vor den Häusern stehen. Selbst ein einzelner Pkw habe im Vergleich zu stationären Heimspeichern eine vier- bis zehnmal höhere Kapazität. Aufaddiert entstehe eine bundesweite Flexibilitätsreserve, die für Netzstabilisierung und Marktteilnahme hochattraktiv sei.

Hinzu kommt eine veränderte Marktdynamik: Ab 2030 werde es laut Sauthoff „für zwei, drei Tausend Stunden pro Jahr“ Strom am Markt zu null oder sogar negativem Preis geben. Das eröffne neue Geschäftsmodelle, etwa im Bereich Subscriptions oder anwendungsbasierter Energieservices. Und: Wer sein E-Auto günstig lädt und zum richtigen Zeitpunkt Energie zurückspeist, kann echtes Geld verdienen. Der Energiemarkt entferne sich vom simplen Verkauf von Kilowattstunden – und die Mobilität müsse diesen Wandel mitvollziehen, um ihre Potenziale zu nutzen.

Politik, Akzeptanz – und die letzte Hürde


Auf die Frage nach politischen Rahmenbedingungen antwortete Sauthoff vorsichtig, aber deutlich: Die zentrale Herausforderung sei nicht die Technologie, sondern der Mensch. „Es ist keine technologische Aufgabe mehr“, sagte er, sondern eine kommunikative und regulatorische. Verbraucher müssten Vertrauen entwickeln, dass niemand unkontrolliert in Ladezyklen eingreift und dass sich die Teilnahme lohnt.

Ob Smart Meter Pflicht werden sollten, sieht Sauthoff ambivalent. Zwar seien sie notwendig, aber „man muss auch jedem beibringen, dass er irgendwo zwischen 500 und 800 Euro dafür ausgibt“. Ohne gesellschaftliche Akzeptanz werde es nicht funktionieren – mit ihr aber könne das System enorm profitieren.

Und dann landet er bei der wahrscheinlich einfachsten aller Wahrheiten: Am Ende entscheidet nicht das Können, sondern das Wollen. Oder wie Sauthoff es formuliert: Alles sei bereit – man müsse es „nur noch clever konfigurieren“.

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