Zwischen Subvention und Systemwandel: Wohin steuert die Elektromobilität 2026?
Im großen Panel-Talk der Jubiläumsausgabe unserer Online-Konferenz diskutierten Prof. Dr. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Markus Hackmann von der P3 Group, Sebastian Bock von Transport & Environment Deutschland und Dirk Specht (Aufsichtsrat und Dozent) mit electrive-Chefredakteur Peter Schwierz. Die 50. Ausgabe von electrive LIVE stand ohnehin ganz im Zeichen der Zukunft. Und auch im Paneltalk wurde klar: Die deutsche Autoindustrie muss technisch vor die Welle kommen. Technologieoffenheit als Feigenblatt, um weiter (elektrifizierte) Verbrenner zu verkaufen, wird nicht reichen, um im Wettbewerb mit China zu bestehen.
Ein wiederkehrendes Thema im Talk war denn auch die kontroverse Debatte um das sogenannte „Verbrenner-Aus“. Die Diskutierenden machten deutlich, dass es sich dabei nicht um ein Technologieverbot, sondern um eine reine Emissionsregulierung handelt – und dass deren ständige Infragestellung vor allem Verunsicherung schafft: bei Konsumenten, in Unternehmen und entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Diese Unsicherheit verzögert Investitionen sowie Kaufentscheidungen und schwächt damit den Industriestandort Europa im globalen Wettbewerb, insbesondere gegenüber China.
Gleichzeitig wurde von den Panelisten betont, dass andere Regionen den Hochlauf der Elektromobilität keineswegs ohne staatliche Eingriffe erreicht haben. Ob durch massive Förderungen, Marktzugangsbeschränkungen oder urbane Zulassungsregime – Regulierung war und ist ein zentraler Hebel. Planungssicherheit und klare Leitplanken gelten daher als entscheidend, um Tempo beim Klimaschutz zu gewinnen und industrielle Wertschöpfung sowie Arbeitsplätze zu sichern.
Ein weiterer Schwerpunkt lag auf der Perspektive der Kundschaft. Die geringe Marktdurchdringung von E-Autos wird weniger als Ablehnung, sondern als Ausdruck von Verunsicherung interpretiert – befeuert durch politisierte Debatten, Mythen zu Reichweite, Batteriehaltbarkeit oder Ladeinfrastruktur sowie widersprüchliche Signale aus Politik und Medien. Demgegenüber stehen klare Fakten: sinkende Gesamtkosten, hohe Energieeffizienz, deutlich verbesserte Reichweiten, langlebige Batterien und eine inzwischen gut ausgebaute Ladeinfrastruktur.
Als große Chancen für die kommenden Jahre wurden vor allem zwei Entwicklungen hervorgehoben: erstens der Hochlauf der Elektromobilität im Nutzfahrzeug- und Logistikbereich, getrieben durch klare Kostenvorteile und hohe CO₂-Hebel; zweitens die stärkere Kopplung von Mobilität und Energiesystem, etwa durch bidirektionales Laden, flexible Stromtarife und dezentrale Erzeugung. Diese Sektorkopplung könnte zu einem zentralen Akzeptanz- und Geschäftsmodelltreiber werden.
Abseits der Antriebstechnologie wurde der Blick auf den tiefgreifenden industriellen Wandel gelenkt: Elektromobilität ist Teil einer umfassenden Disruption, die neue Geschäftsmodelle, mehr Softwarekompetenz, Automatisierung und eine Neuordnung von Arbeit erfordert. Jobverluste in klassischen Bereichen stehen einem massiven Fachkräftebedarf in Energie-, Software- und Zukunftsindustrien gegenüber – ein Strukturwandel, der politisch aktiv begleitet werden muss.
Der Ausblick auf 2026 fällt ambivalent aus: Kurzfristig drohen weitere Reibungsverluste durch politische Unsicherheit und verzögerte Entscheidungen. Mittel- bis langfristig sehen die Panelteilnehmenden jedoch große Chancen für Europa und Deutschland – vorausgesetzt, es gelingt, die Debatte zu entideologisieren, klare Rahmenbedingungen zu setzen und die Stärken der Elektromobilität offensiv zu kommunizieren. Letzteres erscheint denn auch als wichtigste Aufgabe der Branche für das kommende Jahr!
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