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Warum E-Lkw in der Schweiz durchstarten – Interview mit Martin Lörtscher von Hugelshofer

Martin Lörtscher ist seit 25 Jahren Chef des Schweizer Traditions-Logisters Hugelshofer – und hat bis dato die Beschaffung von bald 80 E-Lkw geleitet. Als Mann der Praxis weiß Lörtscher um das Kostenbewusstsein seiner Branche – und sieht sowohl in der Antriebswende selbst, als auch im näher rückenden Energiemarkt ein immenses Spar- bzw. Erlöspotenzial.

Hugelshofer sitzt in Frauenfeld nahe der deutsch-schweizerischen Grenze und wird gegen Jahresende rund 80 E-Lkw fast aller Marken im Fuhrpark haben. Dazu betreibt die Gruppe einen Solar-gestützten Lkw-Ladepark, der als Dreh- und Angelpunkt dafür sorgt, dass die eigenen E-Lkw bis zu 200.000 Kilometer im Jahr abspulen. Noch dazu ist der Lkw-Ladepark für Dritte geöffnet. Wann und wie das Unternehmen den Elektrifizierungs-Pfad eingeschlagen hat, können Sie hier nachlesen. Für CEO Martin Lörtscher hat dieser Weg schon heute niedrigere TCO und neue Geschäftsfelder eröffnet. Dabei helfen dem Unternehmer zufolge Neugier und Tatkraft – aber auch die Rahmenbedingungen in der Schweiz.

Herr Lörtscher, was macht die Schweiz anders als Deutschland? Bei Ihnen im Land ist in diesem Jahr jeder fünfte, zugelassene Lkw ein Strom-Truck. In Deutschland sind wir von so einem E-Anteil weit entfernt.

Tatsächlich ist die Schweiz aufgrund ihrer Kleinräumigkeit prädestiniert für die Elektromobilität. Quer durch die Schweiz sind es nur 355 Kilometer. Wir können also heute mit der neuesten elektrischen Fahrzeug-Generation das ganze Land abdecken. 355 Kilometer – das schafft man locker. Und das führt wiederum dazu, dass wir schwerpunktmäßig auch sehr viel auf das Depotladen setzen können. Das ist sicher ein großer Vorteil gegenüber größeren Flächenländern wie Deutschland.

Viele Logistiker sind ja auch grenzübergreifend unterwegs. Was motiviert die Schweizer Logistiker noch, zum E-Lkw zu greifen?

Ganz klar: die Maut, in ganz Europa, aber vor allem bei uns, wo sie LSVA, also leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe, heißt. Wir haben in der Schweiz weltweit die teuerste Straßenmaut. Umgerechnet ein Euro pro Kilometer kostet ein dieselbetriebener 40-Tonnen-Sattelzug. Sprich bei 100.000 Kilometer Fahrleistung im Jahr sind 100.000 Euro Maut fällig. Elektro-Lkw sind von dieser Abgabe noch bis 2031 befreit. Aber inzwischen geht der Wandel hin zur Elektrifizierung schneller voran als gedacht und dem Bund geht perspektivisch das Geld aus der Maut verloren. Er will das Ende der Mautbefreiung für E-Lkw deshalb auf 2029 vorrücken.

Deshalb haben Sie Ihre Beschaffungs-Roadmap beschleunigt und viel schneller E-Lkw eingeflottet als ursprünglich geplant?

Ja, ich bin froh, dass wir früh begonnen haben und unser Ladepark schon steht. Für diejenigen, die erst jetzt elektrifizieren möchten, wird das natürlich alles sehr, sehr eng. Das ist unschön. Die Diskussion um ein vorzeitiges Ende der Mautbefreiung entzieht den Unternehmen die Planungssicherheit.

Die happigen Abgaben für Diesel eingerechnet: Ab wann lohnt sich nach Ihren Erfahrungen ein E-Lkw in der Schweiz? 

Unser Erfahrung zeigt, dass die Rechnung irgendwo bei 70.000 Jahreskilometern zugunsten von E-Lkw kippt. Bis unter 70.000 Kilometer sind die E-Lkw teurer als der Diesel, über 70.000 Kilometer wird es günstiger. Das heißt auch: Je mehr wir fahren, je interessanter wird es aufgrund der Mautbefreiung. Der Business Case an sich geht besser auf, je längere Distanzen Sie mit E-Lkw fahren. 

Selbst auf bergigen Routen, die es in der Schweiz ja zuhauf gibt?

Auf jeden Fall, da hilft die Rekuperation enorm. MAN hat mal einen Fahrversuch gemacht: Innsbruck – Bozen – Innsbruck, zwei Mal über den Brenner und die haben in der Verbrauchskurve quasi die Berge geglättet. Das ist ein Effekt, den stellen auch wir fest, wenn wir zum Beispiel Richtung Tessin fahren. Wir haben ja 42 Tonnen Gesamtgewicht. Wenn ich mit 42 Tonnen rekuperiere, ist das natürlich eine andere Liga als mit dem Pkw. Am San Bernadino können wir sogar – wenn wir von der Nordseite Richtung Süden fahren – mehr Strom zurückgewinnen als wir beim Hochfahren verbrauchen. Der Effekt ist also immens.

Welche Rolle spielt der Lkw-Fahrer dabei?

Eine bedeutende Rolle. Darum setzen wir auch im Bereich Fahrerschulung sehr stark auf dieses Element. Wir haben einen eigenen Fahrtrainer, der überwacht via Telematik die entsprechenden Daten. Und wenn ein Fahrer suboptimal fährt oder diesen Effekt zu wenig nutzt, dann greifen wir zum Hörer und rufen ihn an. Denn das ist wirklich bares Geld, das man verschenkt. Und aus meiner Sicht übrigens der meist unterschätzte Vorteil vom Elektro-Lkw. Womöglich realisiert man das im Flachland weniger, aber auch dort sehen wir die Unterschiede, ob die Rekuperation richtig genutzt wird – oder eben nicht.

Apropos bares Geld: Ein anderes großes Anliegen ist Ihnen die Integration in den Energiemarkt.

Richtig, unser Ladepark hat 30 Lkw-Schnellladepunkte und ist darauf ausgelegt, in 24 Stunden 100 Lkw zu laden. Wir sprechen also von großen Energiemengen, die wir benötigen. Anfangs habe ich mit den Energiepreisen vom lokalen Energieversorger kalkuliert. In der Schweiz ist aber alles über 100.000 Kilowattstunden Energiebezug pro Jahr auf dem freien Markt handelbar. Wir liegen deutlich darüber und während der Bauphase unseres Ladeparks kamen die Bernischen Kraftwerke auf uns zu und fragten, ob sie mit uns ein Pilotprojekt zur dynamischen Energiebeschaffung machen könnten.

Wieder Neuland?

Ja, das kennt man bei uns in der Schweiz quasi nicht – und zwischen der Schweiz und der EU sind dazu auch noch Abstimmungen am Laufen. Wir fanden das Thema sehr spannend und unsere Lernkurve steigt ständig. Was wir aber schon jetzt sagen können: Gegenüber dem lokalen Stromanbieter fahren wir aktuell rund ein Drittel günstiger. Das ist natürlich immens bei unseren Energiemengen.

Und wie funktioniert das in der Praxis?

Wir bestellen täglich den Strom für den Folgetag. Das machen wir auf die Viertelstunde genau. Und je genauer diese Planung gegenüber dem späteren Ist-Bezug ist, desto interessanter wird der Preis. Dabei bilden die prognostizierte Photovoltaik-Produktion unserer eigenen Anlage und unser Tourenplan die Basis für die Strombestellung – immer unter Berücksichtigung der Tourenlängen, die der Kunde vorgibt. Man muss dabei allerdings wahnsinnig aufpassen, dass man sich nicht zu Tode optimiert und am Schluss die Dienstleistung darunter leidet. Oberste Priorität hat daher immer der Kunde, der Auftrag. 

Wie setzen Sie diese aufwändige Optimierung denn technisch um?

Das funktioniert IT-unterstützt. Wir haben zusammen mit einem Anbieter eine Software entwickelt – und zwar mit Eponet, einer kleinen Firma hier aus unserer Nähe. Sie hat mit zwei Leuten begonnen, hat jetzt auf dieses System aufgebaut und ist seitdem stark gewachsen.

Viele Experten sagen, Solarstrom macht nur in Kombination mit einem Speicher Sinn. Sie sehen das anders, warum?

Unserer Ladepark ist aktuell nach der Sonne getaktet, ohne dass wir händisch eingreifen müssen. Wir können also sämtlichen PV-Strom selbst verwenden, auch am Wochenende. Ein Speicher war nie angedacht, denn wir haben immer mindestens vier Fahrzeuge auf dem Hof, sprich zwei Megawatt Batteriespeicher auf Rädern. Das hängt damit zusammen, dass wir sowohl nachts als auch tagsüber Routen fahren – das ist in der Schweiz atypisch. Allerdings haben wir uns jetzt doch für die Beschaffung eines 6-Megawatt-Batteriespeichers entschieden.

Warum das?

Weil wir im Bereich von Systemdienstleistungen großes Potenzial sehen. Wir interessieren uns für die Teilnahme am Regelenergiemarkt. Da gibt es interessante Business Cases und das werden wir jetzt ausprobieren – sozusagen als Nebenprodukt unseres Solar-Ladeparks.

Sie laden Ihre Lkw im eigenen Depot mit maximal 360 kW per CCS-Stecker. Warten Sie schon ungeduldig auf die Einführung erster Megawatt-Lader?

Ich glaube, auf dieses Thema haben wir vielleicht wieder eine etwas andere Sicht als in Deutschland. Bei uns in der Schweiz bin ich definitiv der Überzeugung, dass es das Megawattladen nicht braucht. Denn wenn ich im Moment mit 800-Volt-Systemen – in Zukunft vielleicht sogar mit 1000-Volt-Systemen – lade, erreichen wir perspektivisch bis zu 760 kW per CCS. Das funktioniert ja annähernd jetzt schon: Wir kommen gerade an eine Testanlage mit 560 kW Ladeleistung und das kann aktuell ja noch kein Lkw aufnehmen. Eher ein Thema wird Megawattladen wohl im innerdeutschen Fernverkehr, aber selbst dort braucht es aus meiner Sicht bei den Fahrerpausen nicht unbedingt Megawattladen. Aber das ist nur meine persönliche Meinung.

Gegen Ende des Jahres haben Sie 80 E-Lkw in Betrieb – und noch rund 150 Verbrenner-Lkw. Könnten Sie tatsächlich ganz auf Strom umstellen oder gibt es Limits?

Bei den Einsätzen, die wir fahren, können wir zu 100 Prozent auf E-Lkw umsteigen. Fürs Erste haben wir jetzt festgelegt, 50 Prozent der Flotte zu elektrifizieren und parallel zu beobachten, was sich am Markt tut. Technisch kommt ja vielleicht noch etwas, an das wir aktuell noch nicht denken.

Wie wäre es mit Wasserstoff? Auch wenn Sie daran bestimmt schon gedacht haben.

Ich bin überzeugt, dass Wasserstoff in der Zukunft für die Speicherung von überschüssigem Strom wichtig wird, vor allem für industrielle Projekte. Aber in der Mobilität sehe ich das nicht als sinnvoll an – und wir haben uns wirklich intensiv mit dieser Frage auseinandergesetzt. Knackpunkt ist, dass die Wirkungsgrade zu niedrig und die Leistungsverluste sehr hoch sind. Ich bin deshalb davon überzeugt, dass der Batterie-Lkw das Rennen macht. Das mag nicht in allen Ländern so klar sein, aber bei uns in der Schweiz – da spricht jetzt wirklich gar nichts gegen Elektro-Lkw.

Herr Lörtscher, vielen Dank für das Gespräch.

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