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Bild: Hugelshofer

Hugelshofers E-Vorstoß: Vom Pferd, zum Diesel, zur Drehscheibe für Elektro-Lkw

Hugelshofer ist eine Schweizer Transportfirma mit langer Tradition und bald 80 E-Lkw im Fuhrpark. Dazu betreibt die Gruppe einen Lkw-Ladepark, der als Dreh- und Angelpunkt dafür sorgt, dass die eigenen E-Lkw bis zu 200.000 Kilometer im Jahr abspulen. Und als wäre das nicht genug, treibt CEO Martin Lörtscher die Integration seiner Logistikfirma in den Energiemarkt in einer bisher selten zu beobachtenden Tiefe voran.

Ihren Sitz hat die Hugelshofer Gruppe in Frauenfeld, einen Steinwurf vom Bodensee entfernt. Hauptgeschäft des 1877 gegründeten Mittelständlers ist das Transport-Business mit 240 Lkw. Zu rund 90 Prozent sind die Trucks der Firma in der heimischen Schweiz unterwegs, in zehn Prozent der Fälle absolviert Hugelshofer aber auch internationale Aufträge – und fährt etwa via Deutschland bis nach Benelux. Aufgebaut ist das Traditionsunternehmen als Holding mit vier Säulen: Neben der Hugelshofer Logistik AG unterhält die Gruppe drei weitere Spaten in den Bereichen Recycling, Service und Transfood. Besitzer der Gruppe, die aktuell rund 400 Mitarbeiter zählt, sind die Familien Hugelshofer und Lörtscher.

Seit 25 Jahren steht Martin Lörtscher als CEO an der Spitze des Unternehmens. Er ist es gewohnt über die eMobility-Aktivitäten seiner Firma zu sprechen. Dieses Jahr hat er bereits über 180 Gruppen durch das Unternehmen geführt. „Die Leute kommen aus ganz Europa“, erzählt er. Grund sind die Dimensionen, die das eMobility-Ökosystem bei Hugelshofer inzwischen erreicht hat. Die Firma betreibt über 60 E-Lkw fast aller Marken. Bis Jahresende sollen es bereits 80 Einheiten sein. Dazu hat das Unternehmen auf seinem Areal in Frauenfeld einen Lkw-Ladepark mit zwei Solarports und aktuell 30 Schnellladepunkten errichtet, der nicht nur die eigenen E-Lkw mit Strom versorgt, sondern auch gegenüber Dritten offen steht.

Noch lohnen sich E-Lkw in der Schweiz extrem

Mit bald 80 E-Lkw ist Hugelshofer seinen eigenen eMobility-Plänen weit voraus. Diese Marke hatten Lörtscher und sein Team eigentlich erst für 2027 angepeilt. Es gibt aber gute Gründe, die Beschaffung zu beschleunigen – und die haben mit der Schweizer Verkehrspolitik zu tun: E-Lkw lohnen sich durch ihre Mautbefreiung in der Schweiz extrem, denn ihre Diesel-Pendants zahlen auf Schweizer Straßen eine der höchsten Mautsätze weltweit. „Umgerechnet ein Euro pro Kilometer kostet die Maut einen 40-Tonnen-Diesel-Sattelzug“, vergegenwärtigt Lörtscher. „Sprich: Bei 100.000 Kilometer Fahrleistung im Jahr zahlen Sie 100.000 Euro Maut.“ Also schickt der Hugelshofer-CEO so viele E-Lkw wie möglich durch das Schweizer Straßennetz. Und nicht nur er: Auch viele andere Schweizer Lkw-Betreiber kalkulieren ähnlich, was in der Alpenrepublik im laufenden Jahr zum höchsten E-Anteil bei Lkw-Zulassungen in ganz Europa geführt hat: Jeder fünfte neue Lkw in der Schweiz ist strombetrieben. Im EU-Durchschnitt sind es nur 3,8 Prozent.

Wie bei Hugelshofer dürften in der Statistik einige vorgezogene Beschaffungen dabei sein. Denn die Mautbefreiung der XXL-Stromer endet in der Schweiz nach aktuellem Stand 2031, wobei die Politik erwägt, diese Frist auf 2029 vorzuziehen. Und parallel soll 2030 eine Mineralölsteuer-Ersatzabgabe auf E-Fahrzeuge eingeführt werden, durch die auf jeden gefahrenen Kilometer noch einmal rund 23 Cent anfallen. „Das alles hat uns dazu bewogen, ein bisschen schneller zu machen. Ich bin froh, dass unser Ladepark schon steht. Für diejenigen, die erst jetzt elektrifizieren möchten, wird das natürlich sehr, sehr eng“, so Lörtscher. Weitere Details zu den Bedingungen in der Schweiz und Hugelshofers Energiemarkt-Integration hat uns der Unternehmenschef in diesem Interview geschildert.

Glücksfall: Lage direkt neben Umspannwerk

Früh dran war Hugelshofer vor allem, weil das Unternehmen günstige Voraussetzungen mitbringt – etwa die Lage direkt neben einem großen Umspannwerk vom kantonalen Elektrizitätsversorger. Und weil sich Lörtscher und seine Leute beizeiten mit den Klimazielen der Schweiz befasst haben. Das Land verpflichtet Betriebe, ihre Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um die Hälfte zu senken (gegenüber 1990). „Mir war eins immer wichtig: Wir sind mit unserer Flotte ein sehr großer CO2-Emittent. Wenn wir irgendwie können, müssen wir die CO2-Emissionen, die wir selbst verursachen, reduzieren“, so Lörtscher. „Und dabei führt einfach kein Weg an der Elektrifizierung der Flotte vorbei, das ist der größte Hebel.“ 

Im Sommer 2017 nahm Hugelshofer also probeweise einen elektrischen MAN-Lkw auf, knapp zwei Jahre später kaufte das Unternehmen den ersten regulären, strombetriebenen 40-Tonner. Einen der ersten in der Schweiz. Parallel bekam Martin Lörtscher die E-Ambitionen der Schweizerischen Post im Lieferwagen-Sektor mit. Die Post – ein Kunde von Hugelshofer. „Ich bin also auf die Schweizerische Post zugegangen und habe gefragt, wie sie das sehen, wenn ich Lkw elektrifiziere – da bin ich offene Türen eingerannt.“ 2024 kam Hugelshofer vor diesem Hintergrund schon auf 32 E-Lkw. Das blieb auch bei anderen Auftraggebern nicht unbemerkt: „Als das langsam publik wurde, haben wir sehr viele zusätzliche Anfragen von Kunden und auch viele neue Aufträge gewonnen – einfach weil bei Kunden die Scope-3-Thematik immer wichtiger wird – und wir da eine Lösung bieten.“ 

Solarstrom fließt in Lkw-Batterien

Um die vielen E-Trucks zu laden, musste mit der Zeit eine durchdachte Lade-Lösung her. Lörtscher und sein Team entschieden sich zum Bau eines eigenen Ladeparks mit 15 Säulen und 30 Ladepunkten auf ihrem Areal. Die Ladesäulen – großteils von Hersteller Kostad – liefern 360 kW, wenn ein Lkw lädt, und sie teilen die Energie auf 2 x 180 kW auf, wenn zwei Trucks gleichzeitig Strom ziehen. Überspannt werden die Lader von zwei 80 Meter langen Solarports mit bifazialen Solarmodulen (also zweiseitig Licht absorbierend). Die gut 7.000 Quadratmeter umfassende PV-Anlage kommt auf eine Leistung von 1,2 MWp und laut Lörtscher auf einen Jahresertrag von 1,1 Millionen Kilowattstunden. Netzseitig sichern zudem drei Trafos à 1.600 kVA die Stromversorgung des Ladeparks ab.

Wer aufmerksam liest, wird sich vielleicht fragen, wie das Verhältnis von 80 E-Lkw und 30 Ladesäulen funktionieren kann – zumal Hugelshofer seinen Ladepark auch gegenüber Dritten geöffnet hat: Vier Ladepunkte mit einer garantierten Leistung von 360 kW stehen stets zur Buchung offen. Die Antwort vom Firmenchef: „Unsere E-Lkw setzen wir zwei- bis dreischichtig ein.“ Sie kommen also zeitversetzt zum Laden. Dieser Rund-um-die-Uhr-Einsatz der Lkw ist in der Schweiz eine Nische, herrscht in der Alpennation doch ein Nachtfahrverbot von 22 Uhr bis 5 Uhr. Hugelshofer ist jedoch speziell in den Märkten stark, für die Ausnahmen vom Nachtfahrverbot gelten, etwa im Bereich Posttransporte oder leicht verderbliche Lebensmittel. Das führt dazu, dass bei Hugelshofer sowohl nachts als auch tagsüber Lkws unterwegs sind. Oftmals ist die Spitzenzeit sogar nachts. „Das ist atypisch“, pflichtet Lörtscher bei. „Und dadurch erreichen wir Laufleistungen bis zu 200.000 Kilometer pro Fahrzeug.“ 

Ladestopp bei der Konkurrenz

Durch den überwiegenden Einsatz innerhalb der Schweiz laden die Hugelshofer-Trucks dabei zu 95 Prozent „daheim“. Auswärts lädt das Unternehmen etwa auf einer seiner regelmäßigen, internationalen Strecken nach Rotterdam und zurück („ohne Probleme während der Fahrerpause“) oder bei Fahrzeugen der ersten Generation in bestimmten Schweizer Regionen, wo Hugelshofer bei Mitbewerbern Strom nachladen kann. „Wir organisieren uns sehr gut in der Branche. Da gibt es eine hohe Solidarität“, schildert Lörtscher, der beim eignen Ladepark ursprünglich gar keine Öffnung für Dritte geplant hatte. „Wir haben dann unsere Strategie geändert, weil wir sehr viele Anfragen von Marktbegleitern bekamen, ob man bei uns laden kann. Dann habe ich gesagt: ,ja, kann man schon. Aber dann möchte ich auch bei dir laden‘. Wir geben da untereinander einen fairen Strompreis. Das funktioniert recht gut.“ 

Apropos Strompreis: Lörtscher ist dabei, sein Unternehmen tief in den Energiemarkt zu integrieren. So ist Hugelshofer ein Pionier bei der dynamischen Energiebeschaffung und kauft täglich Strom für den Folgetag – auf die Viertelstunde genau. Die Basis für diese Strombestellung bildet der Tourenplan – und auch die Wettervorhersage („Je nachdem, wie viel Strom wir morgen selbst produzieren, kaufen wir weniger ein“). Das Ganze funktioniert IT-gestützt mit einer eigens entwickelten Software. Diese stammt von Eponet, einem anfänglich kleinen Startup, das diese mit Hugelshofer kreierte Software inzwischen erfolgreich vermarktet.

„Habe von Strom anfangs gar nichts verstanden“

Das Lade- und Energiesystem ist so gut abgestimmt, dass Lörtscher lange keinen Bedarf sah, einen Pufferspeicher für die Solarenergie zu besorgen: „Wir haben ja immer mindestens vier Fahrzeuge auf dem Hof, die die Energie aufnehmen. Sprich: zwei Megawatt Batteriespeicher auf Rädern. Darauf basiert der ganze Case.“ Nun beschafft Hugelshofer aber doch einen sechs Megawatt großen stationären Speicher, nicht weil es für die E-Lkw gebraucht wird, sondern weil das Unternehmen große Potenziale im Bereich Netz-Systemdienstleistungen sieht. „Für uns ist die Teilnahme am Regelenergiemarkt sehr interessant“. Dass Lörtscher das einmal sagen würde, hätte er vor einigen Jahren wohl selbst nicht für möglich gehalten. „Ich habe ursprünglich gar nichts von Strom verstanden“, sagt er schmunzelnd. „Ich werde immer ausgelacht, aber es ist effektiv so, dass ich ,Die Sendung mit der Maus‘ geschaut habe, um zu verstehen, was Strom ist und wie er funktioniert.“ Inzwischen ist Lörtscher nicht nur Praxis-Experte, er hat auch einen CAS-Abschluss in Energiemanagement gemacht.

Als A und O einer erfolgreichen Antriebswende im Betrieb bezeichnet der Firmenchef on top, dass die ganze Belegschaft mitgenommen wird. „Zu Beginn haben alle die Hände über den Kopf zusammengeschlagen, als ich mit diesem Elektro-Zeugs ankam, aber uns ist es gelungen, die Mitarbeiter zu begeistern. Heute sind meine Leute stolz auf das Know-how, das wir aufgebaut haben.“ Lörtscher ist überzeugt, dass der Chef selbst vorausgehen muss, denn die Elektrifizierung erfordert einen fulminanten Kulturwandel. „Wir sind eine sehr konservative, dieselgeprägte Branche.“ Es brauche zukunftsgewandte Multiplikatoren.

Skeptiker – damals und heute

Lörtscher beruft sich dabei nicht nur auf die aktuelle Antriebswende, sondern auch auf frühere Umbrüche: „In zwei Jahren feiert Hugelshofer 150-jähriges Firmenjubiläum und wir arbeiten dafür gerade die Chronik auf. Es gibt interessante Parallelen“, schildert er: „1877 starteten wir mit Pferd und Wagen, 40 Jahre später – 1918 – kam dann der erste dieselbetriebene Lkw.“ Er habe tatsächlich Schriftstücke in den historischen Firmenunterlagen vorliegen, in denen Skeptiker vehement warnten, dass der Diesel keine Zukunft habe – sondern das Pferd. Wie schnell Pferde im Transport kurz darauf abgeschrieben waren, muss Martin Lörtscher nicht groß ausführen. Zweifler gibt es immer – wie seine Vorgänger auf dem Chefposten will sich auch Lörtscher von ihnen nicht beirren lassen.

1 Kommentar

zu „Hugelshofers E-Vorstoß: Vom Pferd, zum Diesel, zur Drehscheibe für Elektro-Lkw“
Stuker Walter
13.11.2025 um 16:14
Wenn alle Grossen Transporteure zusammenspannen können sie dem Astra zeigen wie es gehen kann.wie dem Bundesamt ( Rösti ).Viel Erfolg.

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