Christian Senger: „Wir müssen ein Ladenetz aufbauen.“

Kommt der Plug-in-Hybrid auch in den Polo? Wer liefert die Batteriezellen für die elektrischen Visionen von Volkswagen? Und was kann Deutschland von Norwegen lernen? Darüber hat electrive.net-Chefredakteur Peter Schwierz auf dem Pariser Autosalon mit Christian Senger, Leiter der neuen Baureihe e-Mobility bei Volkswagen, gesprochen. Den ersten Teil des Interviews, der vor allem die Pläne für den ersten Stromer aus dem MEB beleuchtet, finden Sie hier. Nun folgt Teil II.

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Plug-in-Hybride sind das schlechteste aus zwei Welten: kompliziert, teuer, schwer, unpraktisch und umweltverpestend. Sind Ihre GTE-Modelle angesichts wachsender Batteriekapazitäten und sinkender Batteriepreise schneller tot als sie auf die Welt gekommen sind?

Heute ist der Plug-in-Hybrid eine sehr wichtige Technologie, um die Brücke zu bauen. Die Kunden in Norwegen, wo der e-Golf Marktführer ist, sagen uns, erst wenn ein Elektroauto 600 km schafft, würden sie auch keinen Plug-In mehr in Erwägung ziehen. Und auch dann gibt es immer noch die Menschen, die mit dem Wohnwagen ans Mittelmeer fahren. Hierfür sind die 600 Kilometer noch keine Antwort. Also werden wir weiterhin Kunden haben, die schlichtweg den Verbrenner brauchen. Darum würde ich den Plug-In weiterhin sehen. Aber die Bedeutung nimmt ab.

Es gibt auch Kunden, die kaufen Plug-Ins und laden sie dann nicht, wie man so hört. Das ist auch nicht die richtige Idee, oder?

Also ich fahre privat auch einen Plug-In, weil ich mit dem e-Golf nicht alle Strecken bewältigen kann. Der kommt immer an die Steckdose, weil elektrisch einfach das schönere Fahren ist. Auch meine Frau liebt den Komfort, nicht an die Tankstelle zu müssen. Aber der Nebeneffekt ist, dass unser Auto seltener gewaschen wird. (lacht) Also Sie sehen, der Plug-in-Hybrid wird schon geladen.

Alle Energieversorger sagen mir, mit Ladeinfrastruktur ist kein Blumentopf zu gewinnen. Geben Sie unseren Lesern doch mal ein Gefühl dafür, welche Vision von Geschäftsmodell Sie da sehen im Versorgen der Fahrzeuge mit Energie.

Wenn die Fahrzeug-Penetration groß genug ist, gerade entlang der Autobahn, ist nach unseren Analysen sehr wohl auch ein wirtschaftliches Laden darstellbar. Die Frage ist, wie gehen wir mit den 15 Jahren um, bis es so weit ist? Da braucht es jetzt einfach mal ein entschlossenes Handeln.

Heißt das, Sie gehen wie Tesla in Vorleistung und bauen ein Schnellladenetz auf, vielleicht konzernweit?

Porsche hat ja dazu ein Statement gegeben. Natürlich werden wir als Konzern agieren und wir hoffen auch, dass wir nicht nur als einzelnes Unternehmen agieren müssen. Das ist eine gemeinsame Aufgabe. Das gilt gerade auch für die Premiumhersteller, die ja doch eher Langstreckenfahrzeuge machen. Wir müssen eigentlich alle zusammenhalten und ein Ladenetz aufbauen, das genügend Dichte hat.

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Welche weiteren Batterie-elektrischen Autos können wir von VW bis 2020/25 erwarten?

Matthias Müller hat ja gesagt: Wir haben jetzt 30 neue Elektrofahrzeuge vor uns. Über alle Marken. Wir werden bei VW noch einige machen. Und auch in China einige Elektrofahrzeuge auf Basis MQB launchen.

Und in Deutschland?

Haben wir den e-Golf und starten dann in 2020 durch.

Und dann geht es im Jahrestakt oder wie darf man sich das vorstellen?

Ja, wir werden einen relativ flotten Ramp-up forcieren und weltweit Fertigungsstätten hochfahren. Wir haben als Volkswagen jetzt die Basis geschaffen, einen Plan gemacht. Von nun an geht es zügig voran.

Zuvor haben Sie gesagt, die Bedeutung der Plug-in-Hybride nimmt ab. Bringen Sie trotzdem noch neue GTEs?

Ich denke, dass wir da noch ein paar Modelle brauchen. Aber wir werden fokussiert agieren.


Bis hinunter zum Polo oder ist auch irgendwann Schluss?

Das würde ich jetzt mal offen lassen, da es nicht meine Zuständigkeit ist. Ich mache ja die reinen Elektroautos. Das hat natürlich auch mit Regularien zu tun. Wir müssen reagieren können, wenn kurzfristig irgendwo mit Einfahrverboten zu rechnen ist.

Apropos: Schauen Sie mit einem lachenden oder mit einem weinenden Auge nach Düsseldorf?

Es hilft der Elektromobilität ganz klar. Aber ich verstehe die ganzen Wechselwirkungen dahinter, die lokalen Geschäfte, die Handwerker, die mit ihren alten Handwerkerautos hinaus und hinein wollen – und vielleicht nicht investieren können. Das ist eine ganz delikate Sache. Wir müssen über einen positiven Ansatz arbeiten. Norwegen ist ein sensationelles Beispiel, wie dort die Elektromobilität bereits von den Leuten angenommen wird. Und was uns begeistert: Über 90 Prozent der Leute, die schon ein Elektroauto haben, wollen als nächstes definitiv wieder eines. Die gehen nicht mehr zurück zum Verbrenner.

Viele Dinge aus Norwegen hätte man in Deutschland ja auch machen können, waren wir zu zaghaft?

Norwegen hat besondere Voraussetzungen, Strom ist sehr günstig darstellbar, das kann man hier nicht so machen. Zudem sind die Fördermodelle sehr umfassend. Auch das Thema Maut ist ein interessantes Phänomen. Man sieht: Je mehr man tut, desto besser. Aber ich will nicht glauben, dass es hier zu wenig wäre. Heute müssen wir noch abwägen: Haben wir schon die Autos, die genügend Substanz haben für alle Nutzer? Kann es eigentlich sein, wenn ich bei uns nach Hannover an den Flughafen fahre, dass es dort nur zwei Ladesäulen gibt? Und das dann nicht mal deren Status erfasst ist? In einer Messestadt. Ich glaube, wir können uns momentan auf den Kopf stellen, aber wir kriegen die Stückzahl nicht beliebig hochgerechnet. Es muss noch ein bisschen wachsen. Aber in den nächsten fünf Jahren wird eben viel passieren.

Steht uns auch unsere German Autobahn im Weg, mit ihrer Möglichkeit Voll-Speed zu fahren an vielen Stellen?

Wie viele Kilometer sind denn wirklich unbeschränkt? Und wie viele fahren denn schneller als 130 oder 150? Das sind gar nicht so viele. Wenn wir sagen, wir wollen 20 bis 25 Prozent Volumenanteil für Elektroautos haben, gibt es schon jetzt genügend Menschen, die überhaupt keine Einschränkungen haben werden.

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Ist die Standortentscheidung für einen Batteriezulieferer bereits gefallen?

Wenn wir die Probefahrt in 2020 anbieten wollen, dann müssen wir jetzt zügig auch festlegen, mit wem wir zusammenarbeiten. Ich kann so viel sagen: Wir reden nicht von einem Standort, sondern von mehreren.

Heißt das, Sie arbeiten auf Zell-Ebene mit mehreren Zulieferern zusammen?

Das werden wir festlegen, was aus kommerzieller und technischer Sicht das Beste ist.

Wird es in Deutschland eine Batteriefabrik geben, zum Beispiel in Salzgitter, wo bald keiner mehr den TDI braucht, oder in Emden, wo eine direkte Ökostromanbindung an Offshore-Windparks möglich ist?

Es ist viel diskutiert worden, auch öffentlich, zu dem Thema. Und da wird es auch weitere Entscheidungen geben. So viel können wir sagen: Der MEB wird definitiv mit einem Zulieferer starten.

Es gibt da draußen progressive Annahmen, dass die Batteriepreise rapide fallen. 100 Euro pro Kilowattstunde auf Systemebene – in welchem Jahr sehen Sie das?

Wenn man eine optimale Wertschöpfungskette aufzieht, dann ist das in den frühen Zwanzigern möglich.

Batterie-elektrische Konzepte versagen auf der Autobahn sowie bei großen und schweren Fahrzeugen. Welche Lösung favorisieren Sie persönlich für deren Elektrifizierung?

Wir haben ja auch eine Nutzfahrzeugsparte. Es wird irgendwo auch Einschränkungen geben für Lieferdienste in Innenstädten. Aus meiner Sicht ist die erste Priorität, den Lieferverkehr auch emissions- und geräuschfrei zu machen. Was Langstrecken und Schwerlasttransport rein elektrisch angeht, da ist die Lösung noch nicht verabschiedet.

Ein Fall für die Brennstoffzelle?

Das macht wahnsinnig viel Sinn, logisch. Aber wir haben uns da noch nicht positioniert.

Wenn Sie auf Ihre Zeit bei BMW und den Start von i3 und i8 zurückblicken: Welchen Fehler von damals werden Sie bei Volkswagen nicht wiederholen?

(lacht) Lassen Sie mich so anfangen: Volkswagen ist eine People Brand, wie man sagt. Das Gute ist, wir haben heute bereits Felderfahrung. Der e-Golf ist draußen, wir haben Marktteilnehmer im Premiumbereich. Und daraus ergeben sich ein paar Ableitungen. Für mich ist eine: Statistisch brauchen wir wenig Reichweite, praktisch ist die menschliche Emotionalität so, dass wir einen Puffer brauchen. Bei der Batterie gilt für mich: Bau lieber mehr ein, nimm den Stress pro Zelle herunter, nutze die Standzeit der Autos viel mehr, als dass du dich sklavisch an die kleinste Batterie bindest. Das ist eine Sache, die für mich deutlich ist. Darum sehen Sie beim I.D. auch diese Reichweiten. Zudem wollen die Menschen die Gesamtvorteile des E-Fahrzeugs erleben. Ein schlichter Umbau ist zu wenig.

Ist die Herausforderung bei Volkswagen größer als jene damals in München?

Jedes Projekt hat seinen eigenen Charme. Bei Volkswagen haben wir die Aufgabe im Kern der Marke eine Millionenstückzahl hochzufahren. Wir brauchen also ein Stück weit eine Art Two-Mode-Betriebssystem innerhalb der Firma. Wir haben einerseits die MQB-Welt, klassische Derivate-Bildung und Weiterentwicklung. Und dann haben wir hier mit verkürzten Zeiten die MEB-Fahrzeuge in Vorbereitung und verbinden dort auch Geschäftsmodelle zu einem Service-Eco-System. Das ist eigentlich die Challenge: Wie kriege ich das mit der gesamten Organisation umgesetzt.

Ist das so ein bisschen wie einen Apple-Rechner zu kaufen und trotzdem noch Microsoft für manche Anwendung als zweites Betriebssystem zu installieren?

(lacht) Da sind die Vergleiche schwierig.

Wenn wir beide uns in vier Jahren hier in Paris wiedersehen, können wir dann gemeinsam in einem Prototypen des I.D. durch die Stadt surren – oder gar mit der Serienversion?

2020? Mit einem Serienauto natürlich.

Dann freue ich mich auf die Ausfahrt und bedanke mich für das Gespräch!

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