Pascal Wehrlein über Energiemanagement in der Formel E

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Am kommenden Sonntag steigt in Hongkong das 50. Rennen der Formel E. Wir haben uns vorab mit dem deutschen Mahindra-Rennfahrer Pascal Wehrlein (24) in Berlin getroffen und über das anstehende Rennen und den nahenden Heim E-Prix gesprochen. Und über den Umgang mit der Energie im Rennen.

Das indische Formel-E-Team Mahindra ärgert in dieser Saison gehörig die Werksteams von Audi, BMW, Jaguar und Nissan. In den ersten drei Rennen der laufenden Saison landete Mahindra stets auf dem Podest. Im letzten Rennen in Mexiko hatte der Rookie Wehrlein den Sieg auf der Zielgeraden nur knapp verpasst. Außerhalb der Formel E ist Mahindra längst zum wirtschaftlichen Schwergewicht in der Elektromobilität geworden – auch wenn das in Europa kaum einer mitbekommt. Auf dem Genfer Autosalon hat die Mahindra-Tochter Automobili Pininfarina das elektrische Hypercar Battista vorgestellt. Der Flitzer ist noch schneller als ein Formel E-Bolide und beschleunigt in unter zwei Sekunden von 0 auf 100. Doch nun zu Pascal Wehrlein, den wir in Berlin getroffen haben.

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Pascal, du kommst ursprünglich aus dem Verbrenner-Motorsport, hast u.a. 2015 die DTM gewonnen. Aktuell stehst Du auch bei Ferrari als Testfahrer unter Vertrag. Wie schwer fiel Dir die Umstellung von den anderen Motorsportserien, wo es immer nur um Top Speed geht?

Das ist eine mega große Umstellung, weil es eine ganz andere Denkweise in der Formel E ist. Das Qualifying ist überall gleich, man versucht so schnell wie möglich eine Runde zu fahren. In der Formel 1 schaut man im Rennen extrem auf die Reifen. In der DTM hat man das gar nicht so, dass man da auf irgendetwas acht geben muss. In der Formel E dagegen das Energiemanagement sehr, sehr viel aus im Rennen.

Guter Punkt! Beim letzten Rennen in Mexiko ging auf der letzten Geraden Dein Akku gen Null und Lucas Di Grassi schnappte Dir sprichwörtlich auf der Ziellinie den Sieg weg. Welche Strategien nutzt Ihr normalerweise, um Energie zu sparen?

Wir haben beim Start des Rennens 20-25% weniger Leistung, als man braucht, um das Rennen Vollgas zu fahren. Dadurch müssen wir einfach am Ende der Geraden etwas Energie sparen, weil man gerade bei Höchstgeschwindigkeiten am meisten Energie verbraucht. Oder wir rekuperieren mit dem Pedal, um die Bremsenergie zurück in die Batterie zu bekommen. Da haben wir ein paar Möglichkeiten, durch strategische Tools am Anfang mehr zu attackieren oder am Ende. Und genau das macht es so spannend. Bei mir in Mexiko musste ich am Ende Energie sparen, weil ich am Anfang sehr viel verbraucht hatte und später durch den Rennabbruch einiges durcheinander gekommen ist.

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Welche Strategien eignen sich in Bezug auf die Rekuperation? Welche Einflußfaktoren hast Du auf den Grad der Rekuperation?

Am Lenkrad haben wir ein Pedal, das wir ziehen können, und gewinnen dadurch Energie zurück. Dadurch bremst man quasi an der Hinterachse. Es macht einen langsamer und es ist dann auch schwieriger zu fahren. Oder Du gehst am Ende von der Geraden früher vom Gas herunter, das heißt dann „Lift and Coast“. 20 Meter vor dem Anbremsen gehst Du schon vom Gas und dann erst auf die Bremse, anstatt wie beim Verbrenner direkt vom Gas auf die Bremse zu überkreuzen.

Viele Laien, die zum ersten Mal mit Elektromobilität in Berührung kommen, sorgen sich vor Reichweitenangst? Wie gehst Du als Fahrer mit der sich leerenden Batterie um?

Angst habe ich gar keine. Die Challenge ist, das Rennen so schnell wie möglich zu beenden, also so schnell wie möglich zu fahren, aber auch so viel Energie wie möglich zu sparen. Und das sind zwei Sachen, die passen einfach nicht zusammen. Man möchte einfach auf der Ziellinie 0 Prozent haben – und nicht so wie bei mir in Mexiko bereits 50 Meter davor. Aber es gibt auch andere Beispiele, da geht Dir schon zwei Runden vor Ende der Saft aus. Oder Du fährst über die Ziellinie und hast noch 5 Prozent Akku drin, das wäre dann auch schlecht. Dann hast Du nicht das Beste daraus gemacht. Optimal wäre es, die 100 Prozent genau auf der Ziellinie verbraucht zu haben.

Beim dritten Saisonrennen in Santiago, Chile, waren die Außentemperaturen brutal. Das heißeste Rennen in der bisherigen Forme E-Geschichte! Wie geht man mit einer heißen Batterie um? Was für Maßnahmen hat der Fahrer, um in solchen Fällen Energie zu sparen und Überhitzung zu vermeiden?

In Santiago hatten wir 65 Grad Asphalt-Temperatur und 40 Grad Außentemperatur. Ich glaube, da überhitzt irgendwann jedes Auto. Ab 72 Grad verliert die Batterie an Leistung und bei allem darüber kann es sein, dass das Auto sich dann einfach abstellt. Der Akku ist dann einfach zu heiß und du bleibst stehen.

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Also kannst Du gegen das Überhitzen der Batterie kaum etwas machen?

Man darf einfach nicht so aggressiv sein. Nicht mit Vollgas aus den Ecken raus und die Reifen durchdrehen lassen. Man sollte auch nicht den anderen Autos im Windschatten folgen, weil dadurch das Auto nochmal ein paar Grad wärmer wird.

Durch die doppelte Batterie-Kapazität im Vergleich zum Vorjahr fallen die Boxenstopps samt Fahrzeugwechsel weg. Wäre es auch eine Option, superschnelles Laden als Boxenstopp einzuführen? Oder Batterietausch?

Ich finde es nicht schlimm, dass wir keinen Boxenstopp mehr haben oder wie in der Formel 1 Reifen wechseln müssen. Ich finde, am Ende sollte der Fahrer auf der Strecke entscheiden und nicht die Strategie, ob einer einen Stop mehr hatte oder weniger. Wer schnell ist, wird am Ende vorne sein. Mit dem Attack Mode hat man so ein paar Strategie-Möglichkeiten, wann man ihn benutzt. Man kann damit ein bis zwei Positionen gut machen, aber es wird niemals ein Rennen mega beeinflussen und das finde ich gut.

Wie sieht es bei Dir privat aus: Bist Du bereit elektrisch unterwegs?

Nein, ich warte noch. Die ersten rein elektrischen Autos von Mahindra sollte ich aber Ende diesen Jahres bekommen.

Noch fährst Du also privat mit einem Verbrenner?

Oh Gott, ich bin sogar mit einem Diesel unterwegs zur Zeit. Ich habe zwar auch ein E-Bike, aber das benutze ich kaum. Wenn ich Sport mache, dann lieber richtig.

Wir sorgen schon dafür, dass Du in Berlin wenigstens mit einem E-Roller über das Gelände vom Flughafen Tempelhof rollen kannst. Zum Abschluss: Wie lauten Deine Ziele für diese Saison?

Wir sind in einer guten Situation, dass wir in den ersten vier Rennen immer konkurrenzfähig waren und immer vorne mitfahren konnten. Das bleibt hoffentlich so bis zum Ende der Saison. Dann glaube ich, ist alles möglich. Mein erster Sieg war schon in Mexiko fällig. Gut, es hat dann am Ende leider nicht geklappt in der letzten Runde, die war schon sehr chaotisch. Das Potential zum Sieg haben wir aber!

Vielleicht klappt es ja dann auch für Dich hier in Berlin, so wie im letzten Jahr für Daniel Abt. Macht es einen großen Unterschied, ob Du vor deutscher Kulisse fährst?

Das macht natürlich einen Unterschied, weil eine Menge Freunde, Bekannte und Familie von mir hier in Berlin dabei sein werden und dann willst Du es besonders gut machen. Aber meistens geht es in die Hose, wenn Du es besonders gut machen willst… (lacht) Aber ich gehe es an wie jedes andere Wochenende auch. Aber klar, beim Heimrennen erfolgreich zu sein, ist doppelt schön.

Pascal, vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg in Hongkong!

Tickets für den Berlin E-Prix am 25. Mai gibt es unter fiaformulae.com. Am Sonntag zeigt Eurosport den Hongkong E-Prix live ab 9 Uhr morgens.

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