Leipziger Ladepark: Was steckt hinter dem geplanten Mega-Ladepark?

Auf dem ehemaligen Flughafen Leipzig-Mockau, unweit der Messe gelegen, soll ein riesiger Schnellladepark mit über 100 DC-Ladepunkten entstehen. Initiator Christian Werner sucht nun auch per Crowdfunding nach Investoren. Wie seriös ist das Projekt? Wir haben mit Werner gesprochen.

* * *

Der Tower hat eindeutig schon bessere Zeiten gesehen. Die Farbe platzt von den weiß lackierten Fensterrahmen ab, hier und da sind Graffiti zu finden, das Gebäude steht seit Jahren leer. Es ist lange her, dass hier Flugzeuge abgehoben sind oder sogar Luftschiffe aus den riesigen Wartungshallen schwebten. Die Luftschiff-Hallen stehen schon lange nicht mehr, rund um die Anlage haben sich etwa ein Möbelhaus und die Leipziger Messe breit gemacht. Nur der Tower, damals Fliegerhalle genannt, steht noch. Vor dem früheren Mittelpunkt des Flughafen Leipzig-Mockau holt sich die Natur die nicht genutzten Flächen zurück. Gras und Bäume wachsen, wo immer es geht. Und wenn es nur die schmale Fuge zwischen zwei Betonplatten ist.

Wenn es nach Christian Werner geht, muss die Natur hier bald wieder weichen – dem Klima zuliebe. Er will dort einen Hochleistungs-Ladepark mit 100 bis 200 DC-Ladestationen errichten, um die Elektromobilität rund um Leipzig voranzubringen. Die Ladezeit sollen die Nutzer etwa in der „erstklassigen und nachhaltigen Gastronomie“ verbringen, wie auf der Homepage steht. Zudem soll der „Leipziger Ladepark“ zu einem wahren Zentrum der Elektromobilität werden – über Schulungen (etwa von freien Werkstätten, Behörden, Privatpersonen), als Event-Location oder kleine Verkaufsflächen, auf denen Händler ihre Produkte rund um die Elektromobilität anbieten können. Größter Anziehungspunkt wird wohl aber der Ladepark selbst sein: 200 Schnelllader auf einem Gelände wären eine neue Dimension, in die bislang selbst Tesla noch nicht vorgestoßen ist.

Hinter diesem Vorhaben steht aber nicht ein Großinvestor oder ein Konsortium finanzstarker Unterstützer. Werner sucht derzeit auch auf der Plattform „StartNext“ nach Geldgebern. In der „Alles oder nichts“-Kampagne (es wird also erst gezahlt, wenn die angepeilte Summe erreicht wird) will Werner bis zum 30. Juni eine Million Euro einnehmen. Das Angebot an „Dankeschön“-Paketen ist breit: Unterstützer können sich ab 10 Euro einkaufen, das teuerste Angebot liegt bei 60.000 Euro. Dazwischen gibt es zahlreiche Abstufungen – von der einfachen Namensnennung auf der Trafostation über eine Lade-Flatrate bis hin zur Verkaufsfläche inklusive zweier Ladepunkte.

Im Interview mit electrive.net spricht Christian Werner über die Idee hinter dem Crowdfunding, seine Zielgruppen und warum die nahegelegenen HPC-Parks am Leipziger Porsche-Werk oder dem Autohof Nempitz (Tesla Supercharger, Ionity) für ihn keine Konkurrenz sind.

Abgesehen von Norwegen und womöglich den Niederlanden ist das Geschäftsmodell Schnellladen ein Zuschussgeschäft. Das ist oft nur mit der finanziellen Ausdauer von größeren Unternehmen möglich. Warum wollen Sie trotzdem einen Schnellladepark bauen und das auch per Crowdfunding finanzieren?

Das Crowdfunding ist nicht ausschlaggebend für unsere Finanzierung. Über die Aktion wollen wir Aufmerksamkeit für das Projekt generieren und so auch Privatleute mit der Elektromobilität in Leipzig in Kontakt bringen. Das Gelände ist ein Traum, es passt von der Historie: Es war der erste Flughafen für private Flüge in Leipzig. Damals war die Mobilität im Wandel, heute ist sie wieder im Wandel. Zudem setzen wir auf mehrere Kooperationspartner.

Wer wird das sein?

Wir sind in sehr guten Gesprächen mit Flaschenpost, die in der Nähe ein Logistikzentrum mit 100 Fahrzeugen betreiben. Für dieses Jahr ist ein Startballon mit 25 Fahrzeugen als eine Art Valet Service geplant: Wir holen die Fahrzeuge nach Schichtende ab, laden sie und bringen sie zu Flaschenpost zurück. Ein weiterer strategischer Partner ist CleverShuttle. Aktuell dürfen die Fahrzeuge nur am Leipziger Bahnhof laden. Zwischen der Innenstadt und dem Flughafen Leipzig-Halle wäre unser Ladepark ein perfekter Zwischenstopp. Zudem sind wir mit der Uni Leipzig im Gespräch, in unseren Ladepark lässt sich etwa die Integration so vieler Ladepunkte in ein Backend hervorragend erforschen!

Der Großraum Leipzig ist mit dem Ladepark am Porsche-Werk und dem nahegelegenen Autohof Nempitz mit einem Tesla Supercharger und einem Ionity-Standort gut mit HPC-Stationen versorgt. Wie wollen Sie mit diesen Anbietern konkurrieren?

Ganz einfach: gar nicht. Diese Angebote richten sich eher an Durchreisende. Aber selbst für Bewohner ist das Porsche-Werk zu weit draußen, um dort regelmäßig zu laden. Wir richten uns an Leipziger sowie Pendler aus dem Umfeld. Wir haben 32.000 Menschen, die bei großen Unternehmen wie DHL, Porsche oder BMW arbeiten. Dazu kommt die nahe gelegene Messe. Hier wollen wir Shuttle-Module anbieten, zum Beispiel zusammen mit Diensten wie CleverShuttle oder Moia: Der Arbeitnehmer bringt sein E-Auto zu uns und wird von unserem Partner über ein Jobticket zu seiner Firma geshuttlet. Wir laden das Auto tagsüber, parken es um und der Kunde kann es abends wieder abholen.

Bisher wurden von den angebotenen Unterstützer-Paketen vor allem die günstigsten gebucht, die zwischen zehn und 50 Euro liegen. Wie wollen Sie Unterstützer für die teureren Pakete im vier- oder fünfstelligen Bereich gewinnen?

Mit den günstigeren Paketen zielen wir auf Privatinvestoren, mit den umfangreicheren Paketen auf Unternehmen. Über eine Lade-Flat oder gar eine komplette, gebrandete Ladesäule, die nur für die Flotte des eigenen Unternehmens zur Verfügung steht, können Unternehmen unverfänglich über einen gewissen Zeitraum die E-Mobilität testen. Angebote wie der „Mini-Tower“ richten sich an Händler oder andere Unternehmen aus der eMobility-Branche, die dort ihre Produkte ausstellen können. Zudem kann auch das Gelände für Veranstaltungen, etwa Fahrzeugpräsentationen oder Schulungen gemietet werden.

Wer sind Ihre anderen Geldgeber, wenn das Crowdfunding nur einen Teil der Finanzierung ausmacht?

Der derzeitige Eigentümer des Grundstücks ist mit an Bord. Er will auch den Tower sanieren, dass dieser für das Projekt genutzt werden kann. Zudem haben wir im vierten Förderaufruf aus dem Bundesprogramm Ladeinfrastruktur 50 Schnellladepunkte genehmigt bekommen, was ein Betrag von über einer Million Euro ist. Wir sind auch noch mit einem Solarhersteller im Gespräch, so sollen einige Ladepunkte mit Solar-Carports überdacht werden. So könnten wir auch günstiger an den Strom kommen.

Wie ist der aktuelle Zeitplan?

Derzeit setzen wir den finalen Kaufvertrag für das Grundstück auf. Ab Herbst wollen wir dann parallel arbeiten: Mit mobilen Paletten-Ladern soll bereits ein Ladebetrieb erfolgen, zudem sollen die ersten „festen“ Ladesäulen aufgebaut werden. Wenn der historische Tower saniert ist, soll dort eine Gastronomie mit regionalen und saisonalen Produkten angeboten werden.
leipziger-ladepark.de

7 Kommentare

zu „Leipziger Ladepark: Was steckt hinter dem geplanten Mega-Ladepark?“
Ulrich Küthe
24.04.2020 um 10:55
….bisschen viel vom Bäcker Schüren und dem bereits im Bau befindlichen DC Ladepark bei Düren abgeschaut? Wünsche viel Erfolg.
Jürgen Freyer
24.04.2020 um 12:42
Leider nicht die Überdachung mit PV-Anlagen :-(
Hausdorfer
24.04.2020 um 17:36
„Wir sind auch noch mit einem Solarhersteller im Gespräch, so sollen einige Ladepunkte mit Solar-Carports überdacht werden. So könnten wir auch günstiger an den Strom kommen.“ Hier steht es doch
Simon Saag
24.04.2020 um 11:39
Finden Sie? Ich sehe hier kein Tesla und kein Fastned oder einen anderen bekannten CPO. Deshalb halte ich es für komplett anders aufgezogen und finanziert. Schüren stellt ja „nur“ AC-Lader auf und stellt den DC-Betreibern das Gelände. Und dass Gastro und irgendwelche eMobility-Ausstellungen die einfachsten und effektivsten Maßnahmen gegen Ladeweile sind, ist auch kein Geheimnis.Ich wünsch beiden Projekten gutes Gelingen!
Thoralf Schilde
24.04.2020 um 13:40
Das klingt für mich schon besser als die bisher doch sehr spärlichen Informationen die man über das Projekt hatte und die teilweise nicht plausibel klangen. Generell: Guter Standort, gutes Grund-Konzept mit Shuttleservice und Ladeweile vor Ort! Die Ladesäulen von Porsche oder BMW im Norden sind m.E. wirklich keine Konkurrenz da es dort Null Ladeweile gibt und diese auch nicht verkehrsgünstig unmittelbar an einer Pendlerstrecke liegen sondern im jeweiligen Werksgelände - für nicht Werksangehörige also in der "Pampa". Ich wünsche viel Glück und vor allem viel Ausdauer!
Tripel-T
26.04.2020 um 16:48
Interessanter Bericht. Ich frage mich jedoch, ob es wirklich ein Bedürfnis für so einen riesigen Ladepark gibt? Ich bin seit Juni 2015 begeisterter EV-Fahrer und bin sehr offen für neue und spannende Ideen. Bis jetzt hatte ich jedoch nie Bedürfnis nach solch einem Park. Ich bin jährlich 2-3 Mal in der Region Leipzig unterwegs. Die Ladeinfrastruktur ist doch meines Erachtens sehr gut und ausreichend.Dem beschriebenen Konzept , das einem Park and Ride System mit Lademöglichkeit entspricht, gebe ich persönlich nicht so viel Chancen. Viel eher sehe ich, dass zukünftig immer mehr verantwortungsvolle Arbeitgeber seinen Mitarbeitern die Möglichkeit bieten, die FAHRzeuge (oder müsste man eher von STANDzeuge reden?) während der Arbeitszeit auf dem Firmengelände zu laden.
Thomas Claus
27.04.2020 um 14:21
Ionity ist mit seinen teils nur 4 Säulen ja eher knapp bemessen, gerade wenn in nächster Zeit größere Stückzahlen auf die Straße kommen sollten. 100-200 Säulen finde ich jetzt aber etwas zu viel. Es mag sicher bestimmte Knotenpunkte in D geben wo dies mal notwendig sein wird aber ob es jetzt nun an dem Standort so sein wird? Naja, man kann das Risiko ja minimieren und in Stufen ausbauen.

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