Tesla wirbt britische Stromkunden für virtuelles Kraftwerk

Gerüchte zu den Plänen von Tesla, eigene Stromtarife anbieten zu wollen, gibt es schon seit einigen Monaten. In Großbritannien wird dieses Vorhaben nun konkret: Dort können Hausbesitzer mit installierter Solaranlage und Tesla Powerwall nun Teil des „Tesla Energy Plan“ werden.

Auf seiner Webseite wirbt Tesla damit, dass der Tesla Energy Plan die niedrigsten pauschalen Stromtarife in Großbritannien biete und Kunden bis zu 75 Prozent ihrer Stromrechnung einspare. Wer sich für das Angebot entscheidet, wird Teil des virtuellen Kraftwerks von Tesla in Großbritannien. Das heißt, die Tesla Powerwall im Eigenheim, also der Stromspeicher zur Zwischenspeicherung von lokal generiertem Solarstrom, wird dann von Tesla gemanagt und mit anderen Haushalten verbunden, um Strom je nach Bedarf zu beziehen, zu speichern oder ins Netz zurückzuspeisen. Eine Grundkapazität von 20 Prozent bleibt dabei auf Wunsch in der Powerwall im Eigenheim stets erhalten.

Im Gegenzug erhalten Kunden besonders lukrative Stromtarife. Den günstigsten Tarif bietet Tesla Haushalten mit Powerwall und Tesla-Fahrzeug. Dann beläuft sich der Tarif pro bezogener Kilowattstunde auf 8 Pence (rund 8,8 Eurocent). Für Kunden mit Powerwall und ohne Tesla-Fahrzeug kostet die Kilowattstunde 11 Pence (rund 12 Eurocent). Für die Abgabe von Strom gibt es ebenfalls 8 beziehungsweise 11 Pence pro Kilowattstunde.

Realisiert wird das virtuelle Kraftwerk in Kooperation mit dem als Vehicle-to-Grid-Spezialist bekannten Energieversorger Octopus Energy, der für die gesamte Kundenbetreuung zuständig ist und auch ohne Sonnenschein die Versorgung mit Ökostrom garantiert. Beide Partner betonen, dass es sich bei den oben genannten Preisen um den niedrigsten Bezugs- und höchsten Verkaufstarif in Großbritannien handelt. Die Export-Vergütung liege 100 Prozent über der von anderen britischen Energieversorgern gezahlten Rate. Als bisher höchste Vergütung werden von unterschiedlichen Medien 5,6 Pence pro Kilowattstunde von Anbieter Social Energy genannt. Octopus Energy biete in seinem Portfolio selbst 5,5 Pence.

In britischen Medienberichten heißt es, dass Tesla nach einer vorgeschalteten Testphase bereits im August sein „Tesla Energy Plan“-Programm im Vereinigten Königreich gestartet hat. Zunächst war aber offenbar ein Tesla-Fahrzeug im Haushalt Grundvoraussetzung zur Teilnahme. Anfang dieser Woche haben die Kalifornier das Angebot auch für Kunden ohne Elektroauto geöffnet.

Was die Einsparpotenziale angeht, die Tesla nennt, folgende Einordnung: Die Aussage, dass Kunden mit dem Tesla Energy Plan bis zu 75 Prozent ihrer Stromrechnung einsparen können, bezieht sich auf den Vergleich zu den Top-6-Energieanbietern („Big Six“) in Großbritannien und auf einen Stromverbrauch von 8.000 kWh pro Jahr. Das Portal Teslamag merkt allerdings an, dass die Berechnung auf Haushalten mit Tesla, aber ohne Solar-Dach basiert, die für das Angebot nach den Bedingungen gar nicht in Frage kommen – schließlich soll die Powerwall in erster Linie den selbst erzeugten Solarstrom zwischenspeichern.

UK-Tarif nicht direkt auf Deutschland übertragbar

Außerdem weist das Portal noch auf einen weiteren entscheidenden Punkt hin: Demnach scheint es sich bei dem Tesla-Exporttarif nicht um ein mit der deutschen Einspeisevergütung vergleichbares Konstrukt zu handeln, sondern um einen netzinternen Preis: Tesla unterscheide in seinen FAQ zwischen „Exporten“ (also wohl in das virtuelle Netz zusammen mit den anderen Kunden) auf der einen Seite und Einspeisung (in das allgemeine Netz) auf der anderen, so Teslamag.

Im Schatten der Elektroautoproduktion arbeitet Tesla bereits länger daran, ein dezentraler Energieanbieter zu werden. Durch den Zugriff auf Powerwalls, sogenannte Megapacks (also große stationäre Energiespeicher mit einer Kapazität von bis zu 3 MWh, die vor allem für den Einsatz bei Versorgungsunternehmen konzipiert sind) und zukünftig auch die Batterien der angeschlossenen Tesla-Fahrzeuge verfügen die Kalifornier über ein virtuelles Kraftwerk, mit dem sie erhebliche Strommengen anbieten oder abnehmen können.

Der Marktstart in Großbritannien regt natürlich zu Spekulationen an, dass der Tesla Energy Plan künftig auch in anderen europäischen Ländern eingeführt wird. Laut Teslamag wurden im August bereits deutsche Tesla-Kunden aufgefordert, in einer Umfrage ihr Interesse an einem ähnlich klingenden Strom-Angebot zu artikulieren.
greencharging.co.uk, solarpowerportal.co.uk, redorbit.com, twitter.com, tesla.com, octopus.energy

3 Kommentare

zu „Tesla wirbt britische Stromkunden für virtuelles Kraftwerk“
Andreas
28.10.2020 um 22:09
Disruptives Geschäfts(und Energieverteil-)model vs konservierend lobbiiertes Energierecht - spannend, hol schon mal das Popkorn, falls das in D aufkommt. Könnte sein, dass die Energiemonopolisten bald genauso getrieben werden wie die Autobauer. Wenn man's in dem Zusammenhang betrachtet kommt die aktuelle EEG Novelle fast schon wie ein verzweifeltes Rückzugsgefecht rüber.
P. Albert
29.10.2020 um 11:58
Was die Netzagentur den Leuten, die jetzt aus der PV-Förderung fallen, als Anschlussverträge aufzwingt, ist eine Frechheit. Da käme Tesla gerade recht.
Dieter Schleenstein
30.10.2020 um 17:56
Das ist genau der richtige Weg, um das Netz stabil zu bekommen, bei uns wird das ja jetzt und künftig noch mehr geregelt, indem man die Erneuerbaren abregelt, das ist schlicht Verschwendung von Ressourcen. Da aber auch der nicht produzierte Strom und sogar der Netzbetrieb trotzdem bezahlt werden, treibt das natürlich den Strompreis und inzwischen auch die Steuern nach oben.

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