Audi e-tron GT: Mehr als ein Taycan-Klon

Mit dem e-tron GT und RS e-tron GT hat Audi gleich zwei Versionen seines neuen Elektro-Gran-Turismos vorgestellt. Bei der Entwicklung hat Audi zwar auf die Technik des Porsche Taycan zurückgegriffen, weicht aber an zahlreichen Punkten von seinem Technik-Spender aus Zuffenhausen ab. Die ersten e-tron GT sollen ab Sommer ausgeliefert werden, die Preise starten bei 99.800€.

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Beim Antrieb haben sich die Ingolstädter ganz klar beim Taycan bedient, schließlich baut der e-tron GT bekanntlich ebenfalls auf der J1-Plattform des Elektro-Porsches auf. Die 800-Volt-Batterie kommt auf einen Brutto-Energiegehalt von 93,4 kWh, von denen 85 kWh netto nutzbar sind. Die DC-Ladeleistung liegt wie beim Taycan bei bis zu 270 kW. Die von Porsche ebenfalls angebotene kleinere Batterie mit 79 kWh wird von Audi in der Mitteilung nicht erwähnt.

Audi setzt ebenfalls auf permanenterregte Synchronmotoren. Bei dem Elektromotor an der Hinterachse ist das aus dem Porsche bekannte Zwei-Gang-Getriebe verbaut. Im Normalfall fährt der Wagen immer im zweiten Gang an. Nur wenn der Fahrer stark beschleunigt oder die Launch Control aktiviert, schaltet der e-tron GT in den kürzer übersetzten ersten Gang.

Bei den Leistungsangaben der Elektromotoren weicht Audi vom E-Sportler aus Zuffenhausen ab – der Taycan will ein reisetauglicher Sportwagen sein, während Audi den e-tron GT eher als sportlich-dynamischen Gran Turismo positionieren will. Von dem gediegeneren Fahrkomfort des Audis konnte sich electrive.net-Chefredakteur Peter Schwierz bereits bei der Testfahrt mit einem Prototypen überzeugen.

Nicht das letzte kW Spitzenleistung steht im Fokus, sondern der Gesamtcharakter des Autos. Audi gibt den e-tron GT quattro mit 350 kW an, mit der Launch Control sollen kurzzeitig 390 kW möglich sein – der Taycan 4S mit der großen Batterie kommt hier auf 360 bzw. 420 kW. Der RS e-tron GT wird mit 440 kW angegeben, mit der Launch Control sind 475 kW möglich. Zur Erinnerung: Sowohl der Taycan Turbo als auch Turbo S kommen auf 460 kW, im Overboost gibt Porsche bis zu 500 bzw. 560 kW an.

Dafür will Audi mit der Reichweite Punkten. Die WLTP-Prognose für den e-tron GT gibt Audi mit 488 Kilometern an, einen finalen Wert gibt es noch nicht. Der vergleichbare Taycan 4S kommt hier auf 463 Kilometer. Dafür gibt es zwei Erklärungen: Zum einen gibt Audi nur einen nutzbaren Energiegehalt von 83,7 kWh an. Zum anderen betont Audi, dass man bei der Entwicklung hohen Wert auf die Aerodynamik gelegt habe. Der cW-Wert liegt bei 0,24. Zudem sollen der geschlossene Unterboden der Batterie, der Diffusor, der mehrstufig ausfahrbare Heckspoiler sowie aktiv schaltbare Lufteinlässe für Bremsen und Kühler die Aerodynamik verbessern.

Dazu kommt ein wichtiger Unterschied bei der Rekuperation: Während sich Porsche bewusst dafür entschieden hat, dass der Taycan im Schubbetrieb segeln soll (eine milde Rekuperation kann per Tastendruck aktiviert werden), kann der Fahrer im e-tron GT über Lenkradwippen die Rekuperationsstufe auswählen. Beim Rekuperieren (auch über das Bremspedal) kann der e-tron GT mit bis zu 265 kW die Batterie laden.

Mit 4,99 Metern ist der e-tron GT minimal länger als der Taycan (4,96 Meter), die grundsätzlich sportlichen Proportionen bleiben aber erhalten: Große Räder, breite Spur, flache Silhouette, langer Radstand. Der e-tron GT ist 1,96 Meter breit und 1,41 Meter hoch.

Audi bietet den größeren Kofferraum

Beim Design hat Audi dem e-tron GT sein typisches Marken-Design verpasst, das aber etwas weiterentwickelt wurde. Der große Singleframe-Kühlergrill an der Front wird nur noch angedeutet und durch die Lackierung betont – die eigentliche Kühlfläche ist aber deutlich kleiner. Neben den Audi-typischen LED-Scheinwerfern (gegen Aufpreis auch mit Laser-Licht) fallen die Audi-Rückleuchten als klare Unterschiede zum Taycan auf. Von dem Porsche hat der e-tron GT jedoch die langsam abfallende Dachlinie übernommen – mit den entsprechenden Folgen für die Kopffreiheit auf den Rücksitzen. Da der Audi aber auch die „Fußgaragen“ des Taycan übernommen hat, sollen Passagiere auf der Rückbank immer noch bequem sitzen können.

Der Fokus als bequemes Reise-Mobil wird auch bei einem anderen Wert klar: Mit 405 Litern ist der Kofferraum im Audi größer als im Porsche (366 Liter). Der vordere Kofferraum (Frunk) fasst mit 85 Litern ebenfalls etwas mehr.

Vom Taycan übernimmt der e-tron aber eine der wichtigsten Eigenschaften für ein gutes Langstrecken-Elektroauto: die Gleichstrom-Ladeleistung. In unserem Test des Taycan 4S über 1.700 Kilometer konnte das Ladesystem voll überzeugen – teilweise war das Auto schneller für die Weiterfahrt bereit als der Fahrer. Der DC-Ladeport befindet sich wie beim Taycan, aber anders als beim E-SUV e-tron quattro, auf der Beifahrerseite, auf der Fahrerseite ist ein zusätzlicher AC-Port verbaut. Die AC-Ladeleistung liegt bei 11 kW ab Werk, „kurz nach dem Marktstart“ will Audi auch eine Option auf 22 kW anbieten.

Größere Unterschiede im Innenraum

Den wohl größten Unterschied zum Taycan gibt es aber im Innenraum – und das dürfte für den Fahrer den größeren Unterschied ausmachen als ein paar Kilometer mehr Norm-Reichweite oder ein um vier Liter größerer Frunk. Während Porsche hier mit seinem gebogenen Tacho-Display und dem zweiten großen Touchscreen in der Mittelkonsole einen neuen Weg gegangen ist, kommt der Audi hier etwas konventioneller daher. Das Tacho-Display (12,3 Zoll) ist nicht gebogen und unter einer Hutze verbaut. Zudem sind das obere Navi-Display (10,1 Zoll) und die Klima-Bedienung anders integriert als im Porsche. Dessen ansteigende Mittelkonsole mit dem Klima-Touchscreen wurde durch eine flache Mittelkonsole mit mehr Stauraum ersetzt. Die Klimaanalage wird im e-tron GT über physische Tasten gesteuert.

Sowohl im Innenraum als auch Außen und bei der Technik bietet Audi zahlreiche Optionen an. So können die Kunden etwa zwischen drei verschiedenen Scheinwerfern (LED, LED-Matrix und LED-Matrix mit Laserlicht) wählen oder auch zwischen drei verschiedenen Bremsen – Stahl, Wolframcarbid-beschichtet und Kohlefaser-Keramik. Das serienmäßige Dach aus wärmedämmendem Glas kann auf Wunsch durch ein leichteres Kohlefaser-Dach ersetzt werden. Auch für die Vordersitze stehen drei Versionen zur Wahl – Sportsitze, Sportsitze plus mit 14-Wege-Verstellung und Sportsitze plus mit 18-Wege-Verstellung. Beim e-tron GT ist das Luftfahrwerk optional, beim RS e-tron GT hingegen Serie. Ab Werk verfügt der e-tron GT über eine Wärmepumpe und die Möglichkeit, den Innenraum per App vorzukonditionieren. Mit der optionalen „Komfort-Standklimatisierung“ werden auch die Sitze, die Außenspiegel und die Heckscheibe einbezogen. Die Liste ließe sich ohne Probleme weiter fortsetzen.

Gebaut werden die beiden Versionen des e-tron GT in den Böllinger Höfen in Neckarsulm – die Serienfertigung läuft bereits seit Dezember 2020. Die dortige Kleinserienfertigung ist für ihre neue Aufgabe erweitert und umgerüstet worden.

Beide Versionen sollen im Frühjahr 2021 bestellbar sein. Der Grundpreis in Deutschland liegt bei 99.800 Euro für den e-tron GT. Der RS e-tron GT wird mindestens 138.200 Euro kosten.

Update 10.02.2021: „Kfz-Betrieb“ hat nähere Infos zu den geplanten Stückzahlen: „Keine 10.000 Stück will Audi pro Jahr in den Neckarsulmer Böllinger Höfen produzieren. Man sei aber in der Lage, das bei entsprechender Nachfrage hochzuschrauben, betonte Audi. Als größten Markt für das Modell hat der Hersteller die USA im Visier. Rund 50 Prozent aller Modelle sollen in die Staaten gehen. Für Europa ist ein Viertel eingeplant“, heißt es in dem Artikel von „Kfz-Betrieb“. Zudem soll es laut einem Schreiben des Herstellers an Audi-Händler, welches „Kfz-Betrieb“ vorliegt, zum Start u.a. ein Sondermodell geben. Diese Sonderedition sei weltweit auf 100 Einheiten limitiert – 25 Exemplare sind für den deutschen Markt vorgesehen.
audi-mediacenter.com, kfz-betrieb.vogel.de (Update)

6 Kommentare

zu „Audi e-tron GT: Mehr als ein Taycan-Klon“
Hans Gnann
09.02.2021 um 22:17
Ich bin ja mit meinem i3 wirklich zufrieden und BMW entwickelt ja geradezu buddhistische Werte und unterstützt mit einigen seiner besten Manager in Wolfsburg und Ingolstadt, weist mit nachhaltigem Interieur und einer vorbildlichen Beschaffungsstrategie für andere den Weg, aber sie sind inzwischen EINFACH ZU SPÄT DRAN. Tolles Auto, Audi - well done.
David
10.02.2021 um 06:05
Ich muss sagen, dass ich dieses Fahrzeug nicht verstehe. Wer bitte kauft den Audi, wenn der Porsche für weniger Geld zu haben ist? Ich hatte ein wenig drauf gehofft, dass der e-tron preislich deutlich günstiger wird oder mehr Reichweite hat. Beides wäre ok. Aber 0,24 cw ist jetzt auch kein Spitzenwert, zumal der Taycan 0,22 hat. Da wird von EQS bzw. EQE mehr zu erwarten sein...
simon
10.02.2021 um 14:00
Stückzahlen, der Taycan wird deutlich öfter gebaut. Beim Etron GT liegt der Fokus meiner Meinung nach noch mehr auf Exklusivität und Design als beim Taycan. Es gibt auch noch die ganzen RS6 und 7 Fahrer.
Philip
10.02.2021 um 11:39
Als potentieller Käufer verstehe ich nicht, warum man nicht zumindest eine Version baut, die konsequent reichweitenoptimiert ist. Der i4 soll >600km WLTP können, warum macht das Audi nicht mit dem e-tron GT? Sportwagenformen in der E-Mobilität sind nicht nur für schnelles Fahren gut, sondern auch für große Reichweiten. Mit eine SUV kriegt man mit 85 kW netto keine 600km hin, aber mit dem e-Tron müsste das klappen. Wie gesagt, ich verstehe es nicht.
MaxiMax
10.02.2021 um 12:06
Hallo zusammen,denke das Auto ist voll ok und wird Käufer finden, allerdings verstehe ich nicht warum man nur 10,000 Einheiten plant? Porsche hatte doch anfangs schon 20,000 geplant und muss jetzt die Produktion aufstocken, weil die Nachfrage doch wesentlich höher ist?! Aber dieser konservative Ansatz passt zur Autobranche. ;D (Kann natürlich auch sein, dass die Batterien einfach knapp sind...)
simon
10.02.2021 um 14:02
Der Taycan wird so weit ich es gelesen habe jetzt um die 30.000 mal gebaut, was bei Porsche nicht gerade wenig ist. Der Audi ist halt noch mal exklusiver, aber wer weiß, vielleicht schmeißt man den R8 nicht doch noch schneller raus um mehr Etron GT zu bauen.

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