Mercedes eSprinter – E-Transporter für die KEP-Branche im Test

Immer mehr KEP-Dienste elektrifizieren ihre Flotte. Der Mercedes-Benz eSprinter trägt seinen Anteil dazu bei. Doch wie gut eignet er sich für diesen Einsatzzweck? Hier ist unser Fahrbericht.

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Während es im Segment der kleinen und mittleren Kleintransporter mittlerweile recht viele passende Modelle mit Elektroantrieb gibt, sieht es bei den großen Kleintransportern, zu denen u.a. auch der Mercedes-Benz eSprinter gehört, im Vergleich noch recht dünn aus. Erst nach und nach fangen die Konzerne/Hersteller an, auch in dieser Fahrzeugklasse den elektrischen Antrieb einzuführen.

Seit dem Frühjahr 2020 kann der eSprinter von Mercedes-Benz bestellt werden. Vor allem die KEP-Dienste (Kurier-, Express- und Paketdienste) wie GLS oder auch Amazon haben Gefallen an dem E-Transporter gefunden und Bestellungen ausgelöst. Seitdem sind diese auch bei verschiedenen Unternehmen wie GLS im Einsatz. Doch dabei bleibt es nicht: Weitere Exemplare des Modells werden in die Flotten integriert oder gar neu aufgenommen, wie beispielsweise bei DHL Express, wo kürzlich 61 eSprinter für eine neue Station in Berlin Tempelhof angeschafft wurden.

Der GLS-Paketzusteller Emin Gülnaz ist seit Mitte Mai 2020 mit einem Mercedes Sprinter rein Batterie-elektrisch unterwegs ‒ vom Motor ist weder beim Anlassen noch bei der Fahrt etwas zu hören. Lediglich das Kopfsteinpflaster unter den Rädern auf dem Hof des Depots verursacht beim Abrollen Geräusche, wie er seine Erfahrungen uns gegenüber mitteilte. Eine Erfahrung, die wir nach unserem ausgiebigen Test teilen können. Kein Diesel-Motor mehr, der für zusätzliche Vibrationen im Innenraum sorgt, den Lärmpegel senkt und gleichzeitig fällt – was vor allem im Stadtverkehr anstrengend werden kann – die „nervige Schalterei“ weg. Hilfreich sind zudem die vier Stufen „D-“, „D“, „D+“ und „D++“, welche über die Lenkradschalt-Paddles ausgewählt werden und vom vorausschauenden Fahren mit nur einem Pedal (D-) bis zum quasi “segelnden” eSprinter (D++) reichen.

Angetrieben wird der Mercedes eSprinter von einem E-Motor mit einer Leistung von 85 kW. Das zusätzliche Gewicht in der Ladefläche von 470 kg (exkl. Fahrer) hat bei unserem Testwagen noch eine ausreichend schnelle Beschleunigung zugelassen – zumindest im Stadtverkehr. Auf Landstraße und Autobahn wurde es jedoch dann etwas träge. Schluss ist serienmäßig bei 80 km/h. Alternativ kann für 150 Euro (netto) die Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h oder – so wie bei unserem Fahrzeug – auf 120 km/h angehoben werden.

Reichweite für KEP-Branche ausreichend

Für den Mercedes-Benz eSprinter sind zwei Batteriegrößen erhältlich – entweder mit 41 kWh (brutto, 35 kWh netto) oder mit 55 kWh (brutto, 47 kWh netto). Die größere Variante hatten wir zum Test. Laut technischen Daten sollen so bis zu 168 Kilometer möglich sein. „Das reicht locker für die rund acht Kilometer lange Anfahrt ins Zustellgebiet, die komplette Tour, Rückkehr ins Depot sowie An- und Abfahrt zum Wohnort des Paketboten“, so das Fazit im Erfahrungsbericht von GLS in Hamburg. Gülnaz fährt in der Regel zwischen 50 und 65 Kilometer pro Tour. Eine Reichweite, die der eSprinter voll und ganz bedienen kann. Und auch Amazon berechnet genau, welche Routen elektrifizierbar sind. Im Lieferalltag bedeutet dies, dass diese beim eSprinter rund 90 Kilometer lang sind. Schon jetzt wird deutlich, dass der eSprinter mit seinen technischen Daten zunächst primär auf die KEP-Branche zugeschnitten wurde. Ein Fakt, der auch 2018 bereits bei VW fiel. Volkswagen geht vom typischen Nutzungsprofil eines Last-Mile-Zustellers aus: 6-Tage-Woche, 9-Stunden-Tag, 70 Kilometer pro Schicht und währenddessen bis zu 100 Stopps.

Wie die Werte unserer Testfahrten zeigen, sind solche Einsätze mit dem eSprinter sehr gut möglich. Bei überwiegend Stadtfahrten und etwas Landstraße kamen wir rund 140 Kilometer mit einer Akku-Ladung. Mit hohem Autobahn-Anteil bei Geschwindigkeiten von 100 bis 110 km/h waren noch 90 Kilometer möglich. Die Verbrauchswerte lagen zwischen 26 und 33 kWh/100 km (netto, brutto rund 10 Prozent mehr).

Überzeugende DC-Ladeleistung

Wenn der chemische Speicher leer ist, kann dieser mit bis zu 7,4 kW (zweiphasig) an einer AC-Lademöglichkeit wieder aufgeladen werden. Für den kleinen Akku wird eine Ladezeit von 0 auf 100 Prozent von 6 Stunden und beim großen Akku von 8 Stunden angegeben. Für Amazon jedoch ausreichend. „Wir laden im sogenannten Loadbalancing je nach Strompreis und Bedarf mit Ladeleistungen zwischen 3,7 und 10 kW. Da wir genug Zeit dafür haben, müssen wir nicht ans Limit gehen“, führt der Flottenchef Daniel Kasack gegenüber electrive.net aus.

GLS hingegen setzt am Depot für die Hamburger Flotte primär auf DC-Ladeinfrastruktur. „Wir haben zwei Schnellladesäulen aufgebaut, wo vier Fahrzeuge gleichzeitig laden können“, fügt Stegen hinzu. „Es war uns wichtig, dass sich die Akkus schnell laden lassen“, erläutert GLS. In Serie kann der Mercedes eSprinter mit bis zu 20 kW laden. Die Ladezeit von 10 bis 80 Prozent wird für den kleinen Akku mit 70 Minuten bzw. 90 Minuten beim großen Akku angegeben. Optional gibt es für 494 Euro (netto) einen 80-kW-Lader – wofür sich GLS entschied. Zunächst mag die Investition nicht hoch klingen. Doch die Amazon-Bestellung von 1.200 eSprinter würde sich mit dieser Option um 592.800 Euro (netto) erhöhen. Wer sich jedoch für den schnelleren DC-Lader entscheidet, für den reduziert sich die Ladezeit (10 bis 80 Prozent) auf 20 Minuten (kl. Akku) bzw. 25 Minuten (gr. Akku). Unsere Aufzeichnung der Ladekurve hat zudem einen weiteren Punkt offenbart: Mit steigendem SoC (State of Charge) steigt auch die Ladeleistung an und fällt erst bei einem SoC von 98 Prozent wieder ab.

So wie der schnellere DC-Lader optional angeboten wird, so finden sich im Konfigurator etliche Möglichkeiten der Individualisierung wieder. Doch während Pkw-Konfiguratoren oftmals überfrachtet und der Wunsch nach Einfachheit geäußert wird, sieht dies bei einem Transporter wieder anders aus. Zu individuell sind die Kundenanforderungen. So war unser Testwagen mit einem Komfort-Fahrersitz (158 Euro), Lordosenstütze (79 Euro) und der Armlehne (70 Euro) ausgestattet. Wer seinen Arbeitstag im Transporter verbringt, für den kann die Investition sinnvoll sein. Hat aber ein Handwerker nur eine kurze Anfahrt zum Kunden, lohnt es sich eher nicht. Ähnlich sieht es bei den zahlreich verfügbaren Assistenzsystemen aus – für die einen notwendig, für andere lohnt es sich nicht. Anders als einige Elektro-Pkw gibt es den eSprinter aber auch mit sehr einfacher Ausstattung in der robusten Ausführung.

Apropos „Robustheit“: Auch bei der Zuladung zeigt sich, auf welche Kundengruppe das Fahrzeug primär zugeschnitten ist. So ergab bei VW beispielsweise eine Kundenbefragung zum e-Crafter, dass mindestens 875 kg Nutzlast vorhanden sein müssen. Es verwundert daher nur wenig, dass auch bei Daimler – vor allem Blick auf die bisherigen Kunden – ähnliche Angaben im Datenblatt zu finden sind: Bei einem Leergewicht von 2.652 kg (gr. Akku) ist eine Zuladung von 848 kg bzw. bei 2.499 kg (kl. Akku) eine Zuladung von 1.001 kg möglich. Für Amazon ausreichend, denn für den Versandriesen ist laut Daniel Kasack die maximale Zuladung nicht relevant, da die Paketsendungen ‒ auch wenn es viele sind ‒ im Durchschnitt nicht viel wiegen. Das Ladevolumen beträgt übrigens 11 Kubikmeter.

Fazit

Der Mercedes-Benz eSprinter ist derzeit nur als Kastenwagen mit Hochdach zu einem Netto-Listenpreis ab 54.090 Euro für den kleinen Akku bzw. 61.597 Euro für den großen Akku erhältlich. Im Vergleich zur Diesel-Variante (Hochdach Standard), die bei 33.126 Euro (netto) startet, ist dies ein deutlicher Preisunterschied. Hier können Förderprogramme wie der Umweltbonus oder auch andere Bundes- bzw. Länderförderungen helfen, den Preisunterschied zu minimieren. Und dann wäre da noch die Amortisationsrechnung, die am Ende jedes Unternehmen für sich selbst beantworten muss.

Auch wenn die Auswahl an Aufbauten – sei es als Kühltransporter oder auch Rettungswagen – auf Basis des Kastenwagens wächst, so werden auch viele andere Anwendungsbereiche erst mit der neuen E-Plattform „Electric Versatiles Platform (EVP)“ für den Sprinter erschlossen. Diese soll ab 2023 in insgesamt drei Werken gebaut werden. Das Hauptmerkmal der neuen Plattform: Der eSprinter wird künftig aus einem Frontmodul, einem Unterbodenmodul und einem Heckmodul aufgebaut sein. Durch das modulare Konzept soll mehr Flexibilität gewährleistet werden. Und damit werden auch zwei Radstände sowie drei Batteriegrößen ermöglicht.

5 Kommentare

zu „Mercedes eSprinter – E-Transporter für die KEP-Branche im Test“
Andreas
03.09.2021 um 12:11
Einfach lächerlich ,unter 400km Reichweite kein Thema!
Sebastian
04.09.2021 um 19:26
schön und gut... letzte Meile, sauber durch die Stadt, alles klar. Aber warum macht das Daimler nicht gleich richtig? So wie im EQV und schraubt da einen 100 kWh Akku zwischen die Achsen? Vom Preis her taugt der Sprinter eh nicht... mein Transporter hat nicht mal 35T Euro gekostet und hat 900 KM Diesel Reichweite... da muss Diesel schon auf 3,50 euro steigen damit sich das rechnet.
Nico
06.09.2021 um 10:33
@meine beiden Vorredner: Habt ihr den Artikel überhaupt gelesen? Es wird mehrfach hervorgehoben, dass die angesprochene Kundengruppe keine großen Reichweiten benötigt, da die Tagestour nur vergleichsmäßig kurz ist. Daher wird auch nur ein kleiner Akku eingebaut, denn ein größerer wäre einfach nur schwerer und teurer ohne Sinn dahinter.Die extreme Mehrheit von gewerbemäßigen Transporterfahrern fährt damit eben nunmal < 100 km pro Tag. Nur weil ihr unbedingt 400 bzw. 900 km am Stück fahren müsst/wollt, wird euch dafür niemand ein E-Auto bauen, denn ihr seid nunmal nur eine klitzekleine Randgruppe. Für euch bleibt der Diesel. Auch wenn dieser halt irgendwann sehr teuer werden wird.
Sebastian
07.09.2021 um 19:38
jaja, die hunderte Kastenwagen täglich auf den Autobahnen sind alles Sonnenspiegelungen... aus entfernten Ländern.by the way, ob sich jemand der eh nur 100 KM fährt, wirklich einen elektrischen Kastenwagen für 50 bis 70T Euro kaufen wird, darf dezent angezweifelt werden.
Claudio Geyken
31.10.2021 um 19:34
50T ist berechtigterweise als hoch einzustufen, aber wenn davon bis zu 18T (Umweltbonus + Welmo (nur für Berlin)) abgezogen werden, ist man gut dabei. Außerdem kostet Strom mind. die hälfte im Vergleich zu Diesel, also wenn man mit 100 KM im Alltag durchkommt, eine gute Sache. Übrigens durch die kleinere Reichweite / Batterie, fährt man effizienter, weil mit weniger Gewicht.

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