Kommunale Fuhrparks überflügeln E-Auto-Gesamtstatistik

Bild: Maxim Hopman/unsplash

Der Thinktank Agora Verkehrswende wirft ein Schlaglicht auf den Elektrifizierungsfortschritt in städtischen Fuhrparks. In einer nicht-repräsentativen, aber umfangreichen Studie zeigt sich dabei, dass in den Fuhrparks deutscher Kommunen bereits jedes fünfte Auto über einen elektrifizierten Antrieb verfügt. Ergo geht die Elektrifizierung in keinem Flottenbereich stärker voran als im kommunalen Sektor. Wir schauen uns die Umfrage genauer an.

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20,7 Prozent – so hoch fällt der Anteil von rein elektrischen Pkw und Plug-in-Hybriden in den Flotten der befragten Städte exakt aus. An der Umfrage haben laut Agora zwischen diesem Juni und September 199 deutsche Städte mit mehr als 20.000 Einwohnern teilgenommen. Von ihren insgesamt 4.687 Pkw sind 777 BEV (16,6 Prozent) und 192 PHEV (4,1 Prozent), auf die restlichen Fahrzeuge entfallen Benzin-, Diesel- und Gasantriebe.

Laut Agora liegt die Elektrifizierungsrate in städtischen Fuhrparks somit deutlich über der im bundesweiten Pkw-Bestand oder in Unternehmensflotten. Dort machten Elektroautos und Plug-in-Hybride nur 1,8 beziehungsweise 8,6 Prozent aus. Nutzfahrzeuge wurden bei der Umfrage ausgeklammert. Die Vorreiterrolle der Städte überrascht nur auf den ersten Blick, denn vonseiten des Bundes wird die Vorbildfunktion der Städte in Form konkreter Handlungsvorgaben zunehmend eingefordert. So legt etwa das „Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungsgesetz“ seit August dieses Jahres feste Quoten für die Beschaffung emissionsarmer Fahrzeuge fest. Da das Gesetz noch ganz frisch ist, dürfte es seine Wirkung aber erst in den kommenden Monaten richtig entfalten.

„Kommunen können ihre Vorreiterrolle beim Umstieg auf Elektromobilität weiter ausbauen“, kommentiert Christian Hochfeld, Direktor von Agora Verkehrswende, die Ergebnisse. „Ein gutes Ziel wäre es, ab 2025 nur noch elektrische Fahrzeuge zu beschaffen. Wenn Stadtverwaltungen sich zu diesem Ziel verpflichten und ihre Planungen und Prozesse darauf ausrichten, können sie ein deutliches Zeichen für Elektromobilität und Klimaschutz setzen. Sie brauchen dafür aber auch die Unterstützung von Bund und Ländern, vor allem in der Finanzierung, beim Ausbau der Ladeinfrastruktur und durch verlässliche Rahmenbedingungen.“

Damit nimmt Hochfeld die Interpretation einiger weiterer Ergebnisse bereits vorweg. Aber der Reihe nach: Die Auswertung zeigt zunächst, dass 77 Prozent – also gut Dreiviertel – der Stadtverwaltungen mit der Flottenelektrifizierung begonnen und ergo mindestens einen E-Pkw im Fuhrpark haben. Noch eine Rarität sind dabei Brennstoffzellen-Pkw: In den 199 Städten gibt es genau drei solcher Fahrzeuge.

In einer geografischen Aufschlüsselung kommt Agora zu dem Schluss, dass die Elektrifizierung von kommunalen Pkw-Flotten in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg am weitesten fortgeschritten ist. Dort liegt der Anteil von Elektroautos bereits bei rund 25 Prozent. Die niedrigste E-Pkw-Quote weist Sachsen auf (unter 8 Prozent). Die Ladeinfrastruktur zur Stromversorgung der kommunalen Flotten fällt dabei nicht automatisch proportional groß aus: So haben zum Beispiel Niedersachsen, Hessen und Sachsen-Anhalt ähnliche Elektrifizierungsraten, aber hessische Kommunen haben im Verhältnis zu Niedersachsens Städten fünfmal mehr Ladepunkte pro Elektro-Pkw im Fuhrpark, Sachsen-Anhalt sogar zwölfmal mehr.

Grundsätzlich schneidet Sachsen-Anhalt bei der Ladeinfrastruktur mit über sieben Ladepunkten pro Elektroauto am besten ab; im Durchschnitt liegt dieser Wert bei 2,2. Dreiviertel der Städte (77%) haben bereits Ladeinfrastruktur aufgebaut, weitere zehn Prozent planen es. Die Anzahl der Ladepunkte, die bis Ende des Jahres insgesamt installiert sein werden, liegt in allen 199 Städten zusammen bei 2.136 Stück, wobei die Menge der Ladepunkte pro Stadt stark zwischen 0 und 170 Ladepunkten variiert. Das Mittel liegt bei sechs Ladepunkten je Stadt.

Erfragt hat Agora auch, ob es konkrete Zielsetzungen zur Flotten-Elektrifizierung gibt. Dies ist laut dem veröffentlichten Bericht nur bei 13 Prozent der Städte der Fall. Die fehlenden Elektrifizierungsziele werden von den Stadtverwaltungen unterschiedlich begründet. „Der Tenor ist, dass die Pkw-Flotte grundsätzlich dekarbonisiert werden soll, der Zeitpunkt dafür sich aber nach dem Bedarf und der Lebensdauer der Bestandsflotte richte“, teilt Agora mit.

Unter jenen Städten, die konkrete Ziele für die Elektrifizierung ihrer Fahrzeugflotten festgelegt haben, sind einzelne, die bereits bis 2025 vollständig auf Elektrofahrzeuge umstellen wollen – darunter große ebenso wie kleinere Kommunen. Ein  Zusammenhang zwischen Fuhrpark- oder Stadtgröße und Elektrifizierungszielen lasse sich daraus nicht ableiten, so die Umfrageleiter.

Das größte Hindernis sehen die befragten Kommunen in den Anschaffungskosten. Entsprechend schätzen sie die finanzielle Unterstützung als hilfreichste Maßnahme ein. Vorbehalte gegenüber der Technologie sind dagegen kein Problem. Nach Einschätzung der Stadtverwaltungen ist die Akzeptanz unter denen, die die Elektroautos fahren, zu fast 80 Prozent gut oder sehr gut.

Agora Verkehrswende interpretiert die Ergebnisse dahingehend, dass es „Vorreiter in allen Stadt- und Fuhrparkgrößen gibt, erkennbar entweder am großen Anteil der bereits elektrifizierten Pkw oder an der ambitionierten Zielsetzung“. Das hohe Potenzial zur Antriebswende in den Kommunen müsse aber durch bundes- und landespolitische Weichenstellungen befördert werden: „Das betrifft vor allem die finanzielle Förderung, den flächendeckenden Ladeinfrastruktur-Ausbau und die Planungs- und Rechtssicherheit für Stadtverwaltungen. Außerdem sollten gezielt notwendige Informationen und Beratungsangebote zur Verfügung gestellt werden, wie etwa zum Netzausbau.“

Die Kommunen selbst nimmt der Thinktank bei der strategischen Planung in die Pflicht, diese schaffe Verbindlichkeit und Orientierung. Außerdem helfe die Qualifizierung und beratende Unterstützung der Mitarbeitenden und die Schaffung von
Personalstellen für Mobilitäts-, E-Mobilitäts- oder Ladeinfrastruktur-Manager – eventuell in regionalen Zusammenschlüssen von Stadtverwaltungen.

Agora Verkehrswende ist eine gemeinsame Initiative der Stiftung Mercator und der European Climate Foundation. Der Thinktank hat nach eigenen Angaben das Ziel, den Umbau zu einem klimafreundlichen und nachhaltigen Verkehrssystem zu fördern. Wir haben Direktor Christian Hochfeld anlässlich der Umfrage drei zusätzliche Fragen zu weiteren Aspekten der Flotten-Elektrifizierung gestellt:

Herr Hochfeld, welche Bedeutung haben gewerbliche Flotten grundsätzlich als Wegbereiter für Elektromobilität?

Weitere Erhebungen von uns zeigen, dass Unternehmen insgesamt mit ihren Fahrzeugflotten und ihrer Beschaffungspraxis eine Schlüsselrolle für den Fahrzeugmarkt einnehmen und zum Wegbereiter für Elektromobilität werden können. Etwa zwei von drei Neuzulassungen in Deutschland sind für den gewerblichen Gebrauch bestimmt. Diese Neuzulassungen prägen den Pkw-Bestand über viele Jahre. Der Elektroanteil ist bei gewerblichen Haltern bereits zehnmal höher als bei privaten, aber insgesamt immer noch auf niedrigem Niveau. Bei den Neuzulassungen hat der Elektroanteil zuletzt deutlich zugenommen. Anreize der Politik können den Markthochlauf weiter verstärken. Wichtige politische Instrumente sind zum Beispiel Kaufprämien, Dienstwagenbesteuerung und Kfz-Steuer. Die Unternehmen wiederum sollten ihr Flotten- und Mobilitätsmanagement nachhaltig auf Klimaschutz ausrichten und verbindliche Richtlinien für die Anschaffung und Nutzung von Elektrofahrzeugen entwickeln.

Wie steht Ihr Thinktank zur aktuellen Dienstwagenbesteuerung – speziell auch mit Blick auf Plug-in-Hybride? 

Die Dienstwagenbesteuerung muss grundsätzlich reformiert werden. Die bisher geförderten Fahrzeuge sind besonders klimaschädlich, denn sie haben durchschnittlich deutlich mehr Motorleistung (160 PS) als privat zugelassene Pkw (115 PS) und fahren mit rund 30.000 Kilometern doppelt so viel im Jahr. Für Arbeitgeber und Beschäftigte lohnt es sich in Deutschland, besonders teure, oft große und damit tendenziell emissionsstarke Fahrzeuge anzuschaffen, weil dann der Steuervorteil durch Absetzbarkeit der Anschaffungskosten und Vorsteuerabzug im Vergleich zum privaten Pkw am größten ist. In den oberen Fahrzeugsegmenten sind aber bisher nur wenige vollelektrische Modelle verfügbar. Stattdessen wird die Hybridvariante mit Ladestecker gewählt. Eine Motivation, diese Fahrzeuge elektrisch zu fahren, besteht jedoch ohne spezifische betriebsinterne Regelungen nicht. Plug-in-Hybride sollten nur dann gefördert werden, wenn sie überwiegend elektrisch genutzt werden. Privilegien für Verbrennerfahrzeuge gehören generell abgeschafft.

Und wie sieht es beim Aufbau von Ladeinfrastruktur aus? Können Unternehmen auch da einen substanziellen Beitrag leisten?

Unternehmen können beim Ladeinfrastruktur-Aufbau durchaus eine Vorreiterrolle einnehmen. Mit Lademöglichkeiten an Unternehmensstandorten und zu Hause bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern könnte in Zukunft ein großer Teil des Bedarfs gedeckt werden. Notwendig ist dafür vor allem ein einfaches Verfahren, um im Zusammenhang mit dem EEG dienstliche und private Ladevorgänge voneinander abzugrenzen. Derzeit ist dies für die Betreiber der Ladepunkte noch mit hohem Aufwand und hohen finanziellen Risiken verbunden. Außerdem braucht es bessere Beratungs- und Förderangebote für Unternehmen, die Ladesäulen einrichten und betreiben möchten. Bund und Länder haben es in der Hand, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen.

Herr Hochfeld, haben Sie vielen Dank.
agora-verkehrswende.de (Umfrageauswertung als PDF), agora-verkehrswende.de

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