Volvo EX90: Weltpremiere des neuen alten Flaggschiff-SUV

Volvo hat in Stockholm sein E-SUV EX90 enthüllt. Der XC90-Nachfolger kommt nur noch mit rein elektrischen Antrieben und zahlreichen neuen Funktionen – und könnte optisch dennoch als Facelift des bekannten Modells durchgehen.

Als Volvo 2014 in Stockholm den XC90 vorgestellt hatte, war es eine Zäsur für den schwedischen Autobauer. Das große Flaggschiff-SUV basierte auf einer neuen, flexiblen Plattform namens SPA – und war das erste Modell, das unter der Ägide von Geely entwickelt worden war.

Auch vom nun ebenfalls in der schwedischen Hauptstadt enthüllten EX90 verspricht sich Volvo „den Beginn einer neuen Ära unseres Unternehmens“. Der Einstieg der Chinesen ist längst abgehakt und zur Normalität geworden. Die Ära, die Volvo nun mit dem XC90-Nachfolger einläuten will, ist eben jene, „in der wir entscheidende Weichen für eine vollelektrische Zukunft stellen“. Denn statt als Benziner, Diesel und Plug-in-Hybrid gibt es den EX90 nur noch rein elektrisch.

Bei der Antriebstechnik des EX90 gibt es hingegen keine grundlegenden Überraschungen – aus einem einfachen Grund: Bereits im Oktober hatte Polestar seine Interpretation eines Oberklasse-E-SUV auf der gleichen Plattform vorgestellt und die technischen Daten veröffentlicht. Wie der Polestar 3 verfügt auch der Volvo EX90 über eine 111 kWh große Batterie, wovon 107 kWh netto nutzbar sind. Während Polestar spezifiziert hatte, dass die Batterie aus 204 prismatischen Zellen besteht, die in 17 Modulen à 12 Zellen verbaut sind, macht Volvo nun publik, dass die Zellen im EX90 (und damit wohl auch im Polestar 3) von CATL stammen. Die Detail-Angabe zu Zellen und Modulen sparen sich die Schweden in ihrer Übersicht der technischen Daten aber.

Gleich ist auch das Ladesystem: Der 11 kW starke Onboard-Charger ist wie berichtet bidirektional ausgelegt und kann die Batterie sowohl laden als auch entladen. Mit 11 kW ist der Akku in elf Stunden gefüllt. Lädt man hingegen nur einphasig mit 10 Ampere (also an einer Haushaltssteckdose) dauert ein vollständiger Ladevorgang stolze 57 Stunden.

Deutlich praxisrelevanter als die Schuko-Steckdose dürfte das DC-Schnellladen sein. Hier ist der Maximalwert von 250 kW bereits bekannt, Volvo hat aber zum EX90 eine interessante Übersicht veröffentlicht: An Ladestationen mit bis zu 200 kW Leistung dauert der Standard-Ladevorgang von zehn auf 80 Prozent 32 Minuten. Bietet die Ladesäule jedoch bis zu 250 kW, sinkt die Ladedauer auf 30 Minuten. Sprich: Ladeleistungen von mehr als 200 kW kann der EX90 nicht lange nutzen. Der Vollständigkeit halber: An einer 50-kW-Säule dauert der Ladevorgang 97 Minuten.

Zwei Allradantriebe zum Start

Der 380 kW starke Allradantrieb mit zwei Motoren wird beim EX90 als „Twin Motor Performance“ vermarktet. Diese Variante kann dank 910 Nm Drehmoment in 4,9 Sekunden auf 100 km/h beschleunigen, aus Sicherheitsgründen regelt Volvo seine Fahrzeuge seit einer Weile bei 180 km/h ab – egal, wie stark sie sind. Die kombinierte WLTP-Reichweite liegt bei 590 Kilometern. Neben dem als „EE“ bezeichneten Performance-Antrieb listet Volvo noch einen weiteren „Twin Motor Performance“ auf, der jedoch zusätzlich als E2 bezeichnet wird. Diese Variante leistet 370 kW und ist ausschließlich für den US-Markt gedacht. Für Europa sind die Daten der „EE“-Version relevant.

Darunter siedelt Volvo eine Variante an, die nur als „Twin Motor“ bezeichnet wird. Hier liegt die Systemleistung bei immer noch üppigen 300 kW, das maximale Drehmoment bei 770 Nm. Aus dem Stand dauert es eine glatte Sekunde länger, bis die 100-km/h-Marke erreicht ist, die Höchstgeschwindigkeit ist jedoch gleich. Da die Antriebs-Hardware quasi gleich ist und nur über die Software anders geregelt wird, ist die Reichweite mit ungefähr 600 Kilometern nur minimal höher.

Dass der Polestar 3 auf eine etwas höhere WLTP-Reichweite kommt, liegt vor allem an der Karosserie bzw. der Aerodynamik. Denn statt für eine dynamisch abfallende Dachlinie hat sich Volvo für den Nutzwert entscheiden und dem EX90 sehr ähnliche Proportionen zum Vorgänger XC90 verpasst. Anders als das dynamischere Schwestermodell wird der EX90 optional auch als Siebensitzer angeboten – die höhere Dachlinie macht es möglich. Selbst mit drei Sitzreihen passen noch bis zu 365 Liter in den Kofferraum. In der Standard-Konfiguration als Fünfsitzer sind es 655 Liter bzw. 1.010 Liter dachhoch beladen. Legt man auch noch die Sitzlehnen der zweiten Reihe um, passen bis zu 1.915 Liter in den EX90 – dazu kommen noch 65 Liter in einem Fach unter dem Kofferraum und schmale 37 Liter im Frunk unter der Fronthaube.

Die 37 Liter reichen zwar für das Ladekabel aus, sind angesichts der Größe des ehemaligen Motorraums eher überschaubar. Denn bei der Länge der Fronthaube sowie des vorderen und hinteren Überhangs wird klar, dass die SPA2-Plattform des EX90 eben doch nur eine Weiterentwicklung der Verbrenner-Plattform SPA des Vorgängers ist. Wer Elektroauto-typische kurze Überhänge und einen gestreckten Radstand für mehr Platz im Innenraum sucht, wird beim Volvo enttäuscht sein. Schon im aktuellen XC90 waren die Platzverhältnisse zwar sehr gut, die Flexibilität und Zusatz-Möglichkeiten einer reinen E-Plattform bietet der EX90 aber nicht.

Bekanntes Design weiterentwickelt

Mit 5,04 Metern Länge, 1,96 Metern Breite (2,11 Meter mit Spiegeln) und 1,75 Metern Höhe ist der EX90 wahrlich kein kleines Auto. Mit den bekannten Proportionen und auch vielen ähnlichen, aber neu interpretierten Lösungen beim Design könnte er dennoch fast als Facelift des XC90 durchgehen. Auf der anderen Seite könnte man argumentieren, dass der XC90 trotz seiner Premiere im Jahr 2014 immer noch nicht altbacken aussieht – statt auf einen Trend mit kurzen Überhängen aufzuspringen, hat Volvo das weiterentwickelt, was seit acht Jahren gut funktioniert hat. Nicht umsonst spricht Volvo in der Mitteilung schon jetzt von einem „neuen Klassiker im skandinavischen Design“.

An der Front tauchen folglich die mit dem XC90 eingeführten LED-Lichter in Form von „Thors Hammer“ auf – mit dem Unterschied, dass es dieses Mal nicht nur die Lichtsignatur des Tagfahrlichts ist, sondern der komplette Matrixscheinwerfer in der Hammer-Form gehalten ist. Auf einen angedeuteten Kühlergrill verzichtet Volvo gänzlich. Am oberen Ende der Windschutzscheibe fallen die Lidar-Sensoren und an der Seite die bündig integrierten Türgriffe auf. Die LED-Rücklichter am Heck sind neu gestaltet, aber eben sofort als Volvo erkennbar.

Innen gibt es einen 15 Zoll großen Touchscreen, der auf einem Google-System basiert. Zu den verbauten Sicherheitssystemen, bei Volvo traditionell ein Kernthema, hatten die Schweden bereits im September einige Details genannt. So verfügt der EX90 für die Fahrassistenzsysteme ab Werk über eine Lidar-Einheit, die kleine Objekte in mehreren hundert Metern Entfernung erkennen können soll. Volvo bezieht bei den Assistenzsystemen nicht nur wie bisher das Umfeld des Fahrzeugs ein, sondern auch den Innenraum: Spezielle Sensoren und Kameras messen die Blickkonzentration. Die Technologie ermöglicht es dem EX90 zu erkennen, wenn der Fahrer abgelenkt, müde oder anderweitig unaufmerksam ist.

2,8 Tonnen Leergewicht, 2,2 Tonnen Anhängelast

Die große Batterie und die ausladende Karosserie bedeuten aber auch, dass der EX90 auf ein Leergewicht von 2,8 Tonnen kommt – und damit nochmals ein Stück schwerer ist als der Polestar 3. Wenn wir schon bei den Gewichten sind: Die Anhängelast liegt bei für Elektroautos ordentlichen 2,2 Tonnen, zudem können 100 Kilogramm als Dachlast transportiert werden.

Einen Unterschied zum Polestar 3 gibt es aber: Volvo macht es bei der Produktion genau andersherum. Polestar fängt mit der Fertigung in China an und will das E-SUV später auch im US-Werk von Volvo bauen. Die Schweden fangen hingegen 2023 mit der Produktion des EX90 in South Carolina an und wollen später eine weitere Produktion in China folgen lassen. Preise nennt Volvo aber noch nicht – der Polestar wird in Europa bei 89.900 Euro starten.

„Der Volvo EX90 ist ein Statement dafür, wo wir stehen und wohin wir gehen“, sagt Jim Rowan, Vorstandsvorsitzender von Volvo. „Er ist vollelektrisch mit einer Reichweite von bis zu 600 Kilometern mit einer einzigen Akkuladung, er wurde entwickelt, um unsere Sicherheitsstandards weiter zu erhöhen, er ist das erste Volvo-Fahrzeug, das wirklich durch seine Software definiert wird, und er ist Teil eines größeren Ökosystems, das sich mit Ihrem Zuhause und Ihren anderen Geräten verbindet. Der Volvo EX90 ist in vielerlei Hinsicht der Beginn von etwas Neuem für Volvo Cars.“

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