Interview: Der eCitaro als Allrounder in Ballungsräumen

Daimler Buses hat seine Palette an Elektro-Stadtbussen mit dem Launch des eCitaro fuel cell derart erweitert, dass nun „fast alle Anwendungsfälle in Ballungsräumen“ abgedeckt sind. So formuliert es Till Oberwörder im Interview mit unserem Autor Rüdiger Schreiber. Darin nimmt der Leiter von Daimler Buses auch Stellung zur Umsetzung der hauseigenen E-Roadmap.

***

Daimler Buses hat in Deutschland seit Jahren die führende Rolle im Segment der Batterie-elektrischen Stadtbusse inne. Unter der Leitung von Till Oberwörder werden die unterschiedlichen Baureihen der Marken Mercedes-Benz und Setra zu lokal emissionsfreien Omnibussen transformiert. Auf dem UITP Global Public Transport Summit zeigte das Unternehmen sein nächstes serienreifes Werk: den eCitaro fuel cell, ein Batterie-elektrisch angetriebener Bus mit Brennstoffzellen-Range-Extender. Die Details zu diesem Modell finden Sie hier. Im Gespräch geht Oberwörder nicht nur auf diesen Neuzugang, sondern auch auf andere Aspekte der Elektro-Strategie seines Unternehmens ein, etwa auf die Gründung der neuen Ladeinfrastruktur-Tochter.

Herr Oberwörder, vor fünf Jahren wurden Sie Chef von Daimler Buses – was war das Spannendste, was Sie rückblickend bisher erlebt haben?

Neue Baureihen waren ja bisher immer etwas Besonderes, jetzt kommt im Rahmen der Transformation auf dem Weg zur Elektromobilität auch noch eine ganz neue Variante hinzu: der eCitaro fuel cell mit einer Brennstoffzelle als Range Extender. Auch die Konnektivität und das, was uns die digitale Technik heute schon erlaubt, ist für mich – neben dem eCitaro – das Spannendste meiner letzten fünf Jahre.

Dazu passt die jetzt gegründete Daimler Buses Solutions GmbH. Warum ein neues Tochterunternehmen für Elektromobilität?

Unser strategischer Ansatz bei der Elektrifizierung geht weit über das reine Fahrzeug hinaus. Unsere Kunden benötigen nicht nur elektrisch angetriebene Busse, sondern komplette Lösungen auch für deren Betrieb. Und wir haben bei Daimler Buses entsprechendes Knowhow. Die Eigenständigkeit der Daimler Buses Solutions GmbH ermöglicht durch die unternehmerische Freiheit ein schnelles Wachstum sowie kurze Entscheidungswege wie bei einem Startup.

Beim Auf- oder Umbau elektrifizierter Betriebshöfe wollen Sie damit dann auch markenübergreifend arbeiten?

Ja, wenn von Kunden gewünscht, wird der Auf- oder Umbau der Betriebshöfe auch markenübergreifend übernommen. Wir bewegen uns in einem dynamischen Marktumfeld. Und um einen reibungslosen Betrieb von Elektroflotten sicherzustellen, muss man auch über den Tellerrand schauen. Mit der wachsenden Anzahl an elektrisch angetriebenen Bussen steigt auch die Komplexität in Sachen E-Infrastruktur für unsere Kunden. Wir bündeln alle Aktivitäten in einer schlagkräftigen Geschäftseinheit und wollen so das Serviceangebot optimal auf die Zukunft ausrichten.

Im Umfeld des Elektrobusses präsentieren Wettbewerber ihre Spiegel-Kamera-Systeme und zeigen Konzeptfahrzeuge für das Autonome Fahren. Wann wird Daimler Buses hier der immer wieder zu hörenden Führungsrolle gerecht und Entsprechendes vorstellen?

Wir verfolgen das Thema „autonomes Fahren“ seit der Präsentation des Future Bus im Jahr 2016 intensiv und entwickeln unsere Fahrzeuge stetig weiter. Die 2022 vorgestellte neuen Setra-Modelle ComfortClass und TopClass verfügen beispielsweise über den Active Drive Assist 2. Die Fahrzeuge können beschleunigen, bremsen, Abstand einhalten, lenken, Spur halten und sogar einen Nothalt durchführen, was dem SAE Level 2 entspricht. Wir beobachten und begleiten die Entwicklungen in diesem Bereich genau.

Ein Spiegel-Kamera-System wurde vor einigen Monaten schon in der Wintererprobung gesichtet. Wann wird es für welche Baureihen als Option angeboten werden?

Analog zu den einzelnen Baureihen, die wir vom Stadtbus an aufwärts mit einem elektrischen Antrieb versehen werden, entwickeln wir unsere Fahrzeuge auch im Bereich der Sicherheitssysteme stetig weiter. Und sobald es Neuigkeiten zu unseren Bussen und Ausstattungen gibt, werden wir Sie selbstverständlich informieren.

Das nächste Highlight haben Sie im vergangenen Jahr auf den eMobility Days für 2025 versprochen. Bekommt der BEV-Überlandbus – analog zum eCitaro – auch ein eigenständiges Design der Karosserie, ein Spiegel-Kamera-System und trägt er einen Stern oder das traditionelle K in der Frontmaske?

Für Details ist es heute noch zu früh, aber was ich Ihnen schon jetzt versprechen kann: Es wird ein spannendes Fahrzeug und wir werden in einigen Bereichen Maßstäbe setzen.

Einen lokal emissionsfreien Reisebus haben Sie bis zum Ende des Jahrzehnts angekündigt – sowohl mit wasserstoffbasiertem Brennstoffzellenantrieb als auch über das „ELCH“-Projekt in Batterie-elektrischer Ausführung…

Genau, hier sind wir heute schon einen Schritt weiter, als ich Ihnen das vor einem Jahr auf den eMobility Days sagen konnte. Mit Partnern aus der Wissenschaft und Praxis arbeiten wir in der Tat im Rahmen des Förderprojekts „ELCH“, welches durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert wird, ebenso an Batterie-elektrisch angetriebenen Reisebussen, die bis zum Ende des Jahrzehnts auf den Markt gebracht werden sollen. Aktuell sind wir also im Segment der Reisebusse technologieoffen unterwegs.

Noch einmal ein Blick zurück, Herr Oberwörder! Wie sehen und bewerten Sie die hauseigene E-Roadmap von Daimler Buses?

Wir haben uns klare Ziele gesetzt: Bis 2030 wollen wir für jedes unserer Segmente elektrische Antriebe anbieten, in unseren wichtigsten europäischen Kernmärkten, aber auch in Lateinamerika. In Europa gibt es schon seit Ende 2018 den eCitaro. Und im letzten Jahr startete in Brasilien die Produktion unseres ersten elektrischen Chassis für Lateinamerika. Zudem präsentierten wir auf dem UITP summit 2023 schon den eCitaro fuel cell mit Brennstoffzelle als Range Extender, sprich: wir sind im Hinblick auf unsere E-Roadmap auf einem guten Weg und darauf sind wir stolz!

Der eCitaro fuel cell ist aber kein reiner Wasserstoff-Bus, sondern es gibt zusätzlich zur Batterie eine Brennstoffzelle als Reichweiten-Verlängerung.

Richtig, wir haben es geschafft, dass der eCitaro mit seinen unterschiedlichen Varianten nun für fast alle Anwendungsfälle in Ballungsräumen ausgelegt ist. Wir trauen uns in diesem Segment daher auch eine klare Verpflichtung zu: Ab spätestens 2030 werden wir in diesem Segment in Europa nur noch lokal CO2-neutrale Neufahrzeuge anbieten nicht mehr in Euro VII investieren.

Zukünftig wollen Sie Fahrzeuge der eCitaro-Baureihe auch in Frankreich bauen?

Wir haben eine klare Roadmap für Fahrzeuge mit vollelektrischem Antrieb definiert und die Nachfrage nach E-Bussen steigt. Mannheim ist das Kompetenzzentrum für E-Stadtbusse und wird sich ab 2024 vollständig auf die Produktion von elektrisch angetriebenen Stadtbussen fokussieren. In unserem Werk in Ligny-en-Barrois werden zukünftig sowohl konventionell angetriebene Citaro als auch eCitaro vom Band laufen. So erweitern wir unsere Produktionskapazitäten und wir sehen für den eCitaro noch mehr Chancen auf dem französischen Markt, wenn das Fahrzeug auch vor Ort gebaut wird.

Wann startet die Produktion des eCitaro am Standort in Ligny-en-Barrois? Was haben oder werden Sie investieren und welche Baumuster werden in Frankreich gebaut werden?

In Ligny sollen ab dem ersten Quartal 2024 eCitaro vom Band laufen – in Standardlänge von 12 Metern sowie als Gelenkbus mit 18 Metern Länge. Wir investieren dazu bis 2030 50 Millionen Euro in den Standort.

Die Erweiterung schafft auch neue Arbeitsplätze?

Ja, wir gehen davon aus, dass die Erweiterung der Kapazitäten und die Produktion von Elektrobussen in Ligny rund 250 zusätzliche Arbeitsplätze schaffen wird.

Herr Oberwörder, vielen Dank für das Gespräch!

Autor: Rüdiger Schreiber

0 Kommentare

zu „Interview: Der eCitaro als Allrounder in Ballungsräumen“

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Lesen Sie auch