Smart #1 BRABUS: Suche Markenidentität, Leistung gefunden

Weg vom ikonischen Fortwo, rein in die überfüllte E-SUV-Mittelklasse: Keine Frage, Smart hat sich neu erfunden. Der #1, der diesen Neuanfang anführt, basiert auf der gleichen Plattform wie der Volvo EX30 und der Zeekr X. Was kann das Elektroauto aus dem Geely-Konzern?

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Boah, geht der ab! Der Smart #1 BRABUS beschleunigt in 3,9 Sekunden auf 100 km/h. Das ist gefühlt nah an einem Tesla Model 3 Performance. In dieser Klasse sind 315 kW Antriebsleistung, 543 Newtonmeter Drehmoment und Allradantrieb ein Alleinstellungsmerkmal. Und diese Klasse, das sind die kompakten Elektroautos im C-Segment: Der Volkswagen ID.3, der Renault Megane E-Tech oder der Peugeot e-2008. Smart will sich mit dem #1 neu erfinden. Weg vom zweisitzigen Parkplatzsuchgerät. Hin zur profitablen Einstiegsmarke im Mercedes-Autohaus.

Der Smart #1 ist ein bisschen Kompaktwagen und ein bisschen SUV. Die Seitenscheiben stehen fast senkrecht, und auch die A-Säule ist steil. Dazu kommt das hohe Dach. Fertig ist der großzügige Raumeindruck. Knapp wird es allerdings im Kofferraum (313 Liter) und im Frunk (15 Liter). Die Form der Karosserie ist eigenwillig, eine Art Mini-EQB (siehe Heckleuchtenband und Grundproportionen) mit verspielten Designelementen. Die Suche nach einer neuen Markenidentität ist spürbar.

Kooperation mit Geely

Mercedes produziert den #1 in einem Joint Venture mit dem Geely-Konzern in China. Dieser Smart ist unter anderem interessant, weil der Volvo EX30 und der Zeekr X die gleiche technische Basis haben: Der Netto-Energieinhalt der Traktionsbatterie beträgt 62 Kilowattstunden (kWh). Eine Einstiegsvariante mit 49 kWh und LFP- statt NMC-Zellen könnte vielleicht folgen. Bei Volvo ist die LFP-Version bereits bestellbar und kostet 36.590 Euro. Die Auslieferung des EX30 beginnt Ende des Jahres.

62 kWh im Smart reichen laut gesetzlichem WLTP für 400 Kilometer im BRABUS (unser Testwagen) und 440 Kilometer in der Ausstattung Premium sowie in der Launch Edition, die beide ausschließlich Heckantrieb haben. Im Mischprofil verbrauchte der Smart #1 19,3 kWh/100km, woraus sich 321 Kilometer reale Reichweite ergeben. Viel weniger wird es nicht, weil die äußeren Bedingungen bereits günstig waren. Wir waren auch auf der Autobahn unterwegs; im Überlandbetrieb waren auch Werte um 15 kWh/100km ablesbar. Der Versuchung, die Motorleistung zu nutzen, sind wir dagegen nur wenige Male verfallen. Niemand braucht so viel Power. Gekauft wird sie trotzdem gerne.

Gute Ladeleistung, Vorkonditionierung erst nach Update

Unabhängig von der Ausstattungsversion im Smart #1 ist die Ladekurve. Die Werksangabe für den Hub von zehn auf 80 Prozent ist „weniger als 30 Minuten“, und dieser Wert war erreichbar. Die Peakleistung liegt an DC-Säulen bei rund 150 kW, was mehr ist als zum Beispiel bei den MEB-Fahrzeugen von Volkswagen. AC-seitig war das serienmäßige 22 kW-Ladegerät sehr angenehm.

Noch eine Anmerkung zum DC-Laden: Eine echte Vorkonditionierung als Teil des Routenplaners hat Smart #1 beim #1 inzwischen per Update nachgeschoben. Die ersten Fahrzeuge wurden noch ohne diese Funktion ausgeliefert, nun sollte es also auch bei Kälte keine Abstriche im Ladepark geben.

Kleine Softwaremängel

Weitere Updates braucht die Software des Smart #1 ohnehin. Es gibt keine schwerwiegenden Mängel, aber etliche kleine Fehler. Es nervt zum Beispiel, wenn das Navigationssystem auf der Autobahn bei jeder Abfahrt darauf hinweist, dass man doch bitte geradeaus fahren möge. Die Sprachausgabe hat eine schlechte Grammatik. Und die Sprachsteuerung funktioniert vielfach noch nicht. Wahrscheinlich handelt es sich hier nur um Schwächen der Software und nicht der Hardware, denn das Bediensystem an sich arbeitet schnell.

Unangenehm aufgefallen sind zwei weitere Aspekte, von denen unklar ist, ob sie vielleicht einer frühen Baunummer des Testwagens geschuldet waren: Die gekonnte und hochwertige Materialauswahl stand im Kontrast zu deutlichen Knarzgeräuschen auf schlechten Straßen. Außerdem war besonders zwischen 60 und 90 km/h eine störende Brummfrequenz zu hören.

Der Gesamtkomfort dagegen ist wirklich gut. Auch die Fahrwerksabstimmung ist sauber und besser als im eingangs genannten Tesla Model 3 Performance. Mutmaßlich sind auch die weniger potenten Varianten des Smart #1 mit weniger breiten Reifen noch geschmeidiger unterwegs.

Touch- und Keybedienung sinnvoll kombiniert

Bevor wir zum Preis kommen, noch ein Wort zur Bedienung: Hier erinnert vieles an Tesla. Das Starten über den Fuß auf dem Bremspedal, die Verstellung der Lenk-Modi über Menüs im Zentraldisplay oder die Verstellung der Außenspiegel, die gleichfalls dort gemacht wird. Es gibt aber auch ein paar sinnvolle Hard Keys und einen Drehschalter für den Scheibenwischer. Das Ganze ist durchdacht und funktionell.

Der Smart #1 BRABUS kostet mindestens 48.990 Euro. Das ist gemessen am Leistungspotenzial ein Schnäppchen. Leider ist nicht besonders viel Luft nach unten – 41.490 Euro für ein Elektroauto, das weniger Platz als ein VW Golf bietet, sind viel Geld. Wahrscheinlich wird erst die Variante mit LFP-Zellen eine drei ganz vorne haben.

Spaß macht das Teil trotzdem. Wenn Smart #1, dann BRABUS.

8 Kommentare

zu „Smart #1 BRABUS: Suche Markenidentität, Leistung gefunden“
Michael
22.08.2023 um 12:13
Sie schreiben "Kleine Softwaremängel" . Ich fahre den Smart seit 1200km und empfinde die Software als Katastrophe. FM Radio findet er garnicht. Ich muss mich vor jeder Fahrt über die App neu anmelden, oder unzählige Datenschutzbestimmungen quittieren. Ansonsten fährt das Auto toll. Bis auf die völlig unbrauchbaren Assistenzsyteme.
Max_0815
22.08.2023 um 14:11
Ich kann meinen Vorredner nur beipflichten. Den #1 fahre ich seit April und bis jetzt immerhin 14000KM. Das spricht für viel Fahrspaß und auch solide Antriebsleistung. Ich habe auch Polestar 2, id3, id5, cupra Born und Skoda enyaq gefahren, Renault Megane e, Opel Mokka und BYD Hab, nur im Stand getestet. Daher denke ich sehr gut sagen zu können, DER SMART #1 HAT DIE DERZEIT SCHLECHTESTE SOFTWARE von allen derzeit in Deutschland verfügbaren Stromern. Die Navigation ist unterirdisch schlecht, Ladeplanung ist quasi nicht vorhanden, Filtermöglichkeiten für Ladesäulen gibt es nur in der Umkreissuche, 30% der Kartenupdates funktionieren nicht. OTA für die Firmware hat bis jetzt noch nicht einmal funktioniert, ich musste zu jedem Update in die Werkstatt. Die aktive Geschwindigkeitsanpassung legt auf der Autobahn bei fast jedem Ausgabeschild 60 ein Vollbremsung bin. Mit smartpilot einen Berg hinunter erkennt er kein vorausschauendes Fahrzeug und bremst daher nicht. Der digitale Schlüssel funktioniert zu 99% nicht. Usw, usw. Wer da von kleinen Softwaremängeln spricht, hat das Auto nur auf dem Parkplatz gefahren.
Jens
23.08.2023 um 07:50
Wir haben einen #1 Premium (ca. 3.000km) und ich kann mich den vorherigen Kommentaren nur anschließen. Eigentlich ein recht solides und praktisches Auto. Aber die Software ist hat noch sehr sehr viel Potential zur Verbesserung. Gekrönt wird das Ganze leider noch durch den scheinbar völlig überforderten Support seitens Smart unter dem scheinbar auch die Händler leiden. Da wird häufig nur an Symptome herumgedoktert und nicht nach den Ursachen geforscht (fehlende OTA Updates habe u.A. die Ursache in nicht aktueller Software auf einigen Steuergeräten, wenn der Händler aber nur die aktuelle Software per Hand aufspielt, ändert sich natürlich nichts.)
Michse
24.08.2023 um 03:18
"Die Peakleistung liegt an DC-Säulen bei rund 150 kW, was mehr ist als zum Beispiel bei den MEB-Fahrzeugen von Volkswagen."Ähm...schon lange nicht mehr aktuell. Bei meinem ID.3 (77kWh) liegt die Peakleistung bei 178kW, seit die Softwareversion 3.2 aufgespielt wurde,
Andreas
26.08.2023 um 12:26
Geely hat mittlerweile ausreichend Aktien an Mercedes akkumuliert, dass man nunmehr mehr und mehr auch den Ton angeben kann. Dementsprechend auch dieses Produkt.
Max
05.09.2023 um 20:58
Wenn ich mir die Produkte von Geely wie zb. Polestar, Volvo, Zeekr so ansehe, dann hat Geely noch zu wenig Einfluss bei smart und Mercedes.
Dieter Schleenstein
05.09.2023 um 20:30
Zeigt mal wieder, dass die Chinesen bei der Software und den Assistenzsystemen die Nase weit vorn haben.
Hans Koch
29.10.2023 um 21:40
Die Kommentare von Ende August sind durch Updates zum allergrößten Teil überholt. Die SW ist inzwischen viel besser als beschrieben. Fahre den #1 seit Mai, habe inzwischen zwei umfangreiche Updates (OTA) und bin bis auf Kleinigkeiten sehr zufrieden.

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