Wie Containerlogistiker Contargo die Antriebswende anpackt

Als Contargo 2019 den ersten schweren E-Lkw in den Dienst schickte, glaubte noch kaum einer an eine schnelle Antriebswende im Schwerlastverkehr. Heute zeigt sich: Der Spezialist für Container-Hinterlandlogistik ist bei Themen wie Depot-Laden und E-Lkw-Erprobung vorne dran – und dehnt seine E-Roadmap im trimodalen Verkehr auch aufs Wasser aus.

Bild: Contargo

Aktuell installiert die Contargo GmbH & Co. KG das größte private E-Lkw-Ladenetz in Deutschland und beschafft eine zweistellige Anzahl von E-Sattelzugmaschinen verschiedener Marken. Ferner hat der Logistik-Dienstleister einen der noch sehr seltenen Oberleitungs-Lkw auf dem E-Highway in Hessen in der Erprobung und experimentiert mit Wasserstoff-Binnenschiffen. Kristin Kahl ist im Unternehmen zuständig für Sustainable Solutions – und teilt mit electrive sowohl die eMobility-Pläne von Contargo als auch erste Erfahrungswerte nach Inbetriebnahme einer Vorhut schwerer E-Lkw.

Doch zunächst zu Contargo selbst: Der in Duisburg ansässige Logistik-Dienstleister bietet Transporte zwischen den Seehäfen und dem europäischen Hinterland im trimodalen Verkehr an und bezeichnet sich selbst als eines der führenden Container-Hinterlandlogistik-Netzwerke Europas mit 24 Terminals, mehr als 40 Binnenschiffen in vier Fahrtgebieten und gut 50 wöchentlichen
Bahnverbindungen. Die Lkw-Flotte, die bei Contargo nach Schiffen und Bahn in der Regel die „Last Mile“ des Transports für die Kunden bewerkstelligen, zählt rund 1.000 Fahrzeuge.

Gegründet wurde Contargo 2004 von der Rhenus Gruppe und bündelt seitdem die Aktivitäten mehrerer Unternehmen auf dem Gebiet der Container-Hinterlandlogistik, die zum Teil schon seit 1976 im Kombinierten Verkehr und dem Betrieb von Terminals aktiv waren. Heute fußt das Konzept des 1.280 Mitarbeiter zählenden Unternehmens auf drei Säulen: eigene Terminals als Knotenpunkte, eigene Transportlinien und den zugehörigen Kundenservice zur Auftragsabwicklung. Adressaten sind allen voran Reeder, Spediteure und Logistiker.

Contargos Transportnetz spannt sich vor allem über Deutschland, reicht aber bis in die Niederlande und Belgien, nach Frankreich, Polen und in die Schweiz. Seit mehreren Jahren beschäftigt sich das Unternehmen mit den Vorbereitungen für eine schrittweise Elektrifizierung seiner Transportmittel. Dabei kommt Contargo laut Kristin Kahl entgegen, dass die Containertransporte festen Routen und Fahrplänen folgen.

Als Technikpartner agiert SBRS

2023 ist das Jahr, in dem die Antriebswende bei den Duisburgern wirklich sichtbar wird: Contargo plant den Aufbau des größten privaten Ladenetzes für schwere E-Lkw in Deutschland. Vor Ende des ersten Quartals 2024 sollen hierzulande 33 Schnelllader an 14 Contargo-Standorten eingerichtet werden. Als Technikpartner ist der Ladeinfrastruktur-Hersteller SBRS aus der Shell-Gruppe an Bord.

Der Rollout der 250-kW-Ladepunkte hat laut Kristin Kahl im September begonnen. „Pro Monat schaffen wir drei Standorte, sodass wir zum Ende des ersten Quartals fertig sein dürften.“ Es handele sich um Ladesäulen mit Pufferspeicher, um die für E-Lkw benötigten hohen Ladeleistungen zu realisieren. Dennoch sei an einigen Standorten eine Erweiterung des Netzanschlusses Teil der Arbeiten.

Die Ladeanlagen werden dabei durch ein Energiemanagement in den Standorten integriert. So sollen sie später unter anderem mit Photovoltaikanlagen verknüpft werden. Auch die Energie, die am Terminal durch die Kräne beim Absenken der Ladung entsteht, wird über die genannten Pufferspeicher erhalten und über die Ladesäulen wieder an die Lkw abgegeben. SBRS produziert dabei nach eigenen Angaben alle Komponenten der Anlage entweder selbst oder mit Kooperationspartnern nahe seines Stammsitzes in Dinslaken.

Ausschließlich schwere Lkw im Einsatz

Die 14 zunächst für die Elektrifizierung ausgewählten Contargo-Standorte in ganz Deutschland erhalten dabei zwischen einem und fünf Ladepunkten: In Duisburg sind es fünf, in Neuss und Weil am Rhein je vier. Hinzukommen Voerde-Emmelsum, Emmerich,  Frankfurt-Ost, der Industriepark Frankfurt-Höchst, Hamburg, Koblenz, Ludwigshafen, Mannheim und Wörth mit je zwei Ladepunkten. Für Gustavsburg und Karlsruhe ist je ein Lader vorgesehen.

Als Akteur im Kombinierten Verkehr setzt Contargo rein auf Lkw mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 44 Tonnen. Das gilt auch für die aktuellen und künftigen Elektro-Exemplare im Fuhrpark. Zurzeit baut das Unternehmen eine Elektro-Flotte von 31 strombetriebenen Schwer-Lastern der Marken DAF, Futuricum und Volvo auf. 27 davon beschafft die Rhenus-Gruppe im Nachgang einer Mitte 2022 eingegangenen Millionen-Förderung (die auch die Ladeinfrastruktur umfasste) aus dem KsNI-Topf des Bundes. Vier Elektro-Exemplare waren bereits zuvor im Dienst. Hinzukommt der Oberleitungs-Lkw von Scania auf der hessischen A5.

Grundsätzlich läuft die Beschaffung der Sattelzugmaschinen über Contargos Schwestergesellschaft Rhenus Trucking. Contargo erhält die Fahrzeuge im Zuge eines Dienstleistungsverhältnisses zur Verfügung gestellt und bedient alle Kunden als neutraler Dienstleister.

Doch zurück zur E-Roadmap: Während die Ladeinfrastruktur aktuell noch errichtet wird, sind Kristin Kahl und ihre Kollegen bereits dabei, die Ausweitung der E-Flotte zu planen. Im Zuge der zweiten KsNI-Förderrunde hat die Rhenus-Gruppe dieses Jahr bereits die Zusage für die Bezuschussung 59 weiterer Elektro-Lkw erhalten. Inzwischen gibt es auch die Förderzusage für die zugehörige Ladeinfrastruktur.

Klar ist: Die Marken-Vielfalt im Elektro-Lkw-Pool des Unternehmens soll wachsen. „Wir planen voraussichtlich mit Modellen von DAF, Volvo, Quantron, Scania und Nikola/Iveco“, blickt Kahl voraus. Und: Den Anfang des Monats vorgestellten, aber noch nicht erhältlichen Mercedes-Benz eActros 600 nimmt die Rhenus-Gruppe in Kürze zum Testen in Empfang.

Im Transportnetz von Contargo übernehmen die Lkw grundsätzlich die erste und die letzte Meile. Für die langen Hauptstrecken sind Schiffe und Züge zuständig. „Wir reden bei den Lkw-Einsätzen von etwa 250 bis 450 Kilometern“, präzisiert Kristin Kahl. Es handelt sich also nicht um Fernstrecken, weshalb die Lkw überwiegend an den unternehmenseigenen Standorten laden sollen. Bei einschichtigen Einsätzen geschieht dies über Nacht, andernfalls zwischen den Schichten mit kürzeren 250-kW-Ladeeinheiten.

„In Hamburg testen wir die E-Lkw bereits für den Einsatz im Fernverkehr. Dabei wird das öffentliche Laden allerdings wesentlich“, berichtet die Contargo-Verantwortliche für nachhaltige Lösungen. Insofern beobachten sie und ihre Kollegen die Vorbereitungen für den Rollout eines flächendeckenden Lkw-Ladenetzes genau. Noch ist das Laden auf der Langstrecke äußerst schwierig, weil das Angebot der Stationsbetreiber stark fragmentiert ist und die Dichte an Ladestationen in den Regionen schwankt.

Auf das öffentliche Laden ist bisher also noch kaum Verlass, laut Kahl birgt das Depotladen aber ebenfalls große Herausforderungen. Durch die elektrische Misch-Flotte sind etwa Links- und Rechtslader im Fuhrpark. „Das ist ein Problem, denn wir können die Ladeinfrastruktur nur für die eine oder die andere Ladeseite planen.“ Und: „Wenn wir bei E-Lkw hochskalieren, werden wir Schwierigkeiten mit den verfügbaren Standflächen bekommen. Containerterminals haben nur begrenzten Platz.“ Aktuell parken Lkw auch häufig außerhalb der Terminals, etwa auf Randstreifen in Hafen- oder Industriegebieten. „Müssen sie aber aufgeladen werden, geht das nicht mehr.“ Theoretisch müssten die E-Lkw künftig „an der Ladesäule durchwechseln“, vermehrt bei Kunden geladen werden oder Transportunternehmen müssten in Industriearealen Flächen ankaufen und mit Ladern versehen.

O-Lkw mit strategischen Vorteilen

„Oder es wird etwas mit dem dynamischen Laden“, verweist Kahl auf die Tests mit dem Oberleitungs-Lkw. Das wäre aus ihrer Perspektive die komfortabelste Lösung, um die sich abzeichnenden Flächen-Engpässe an den Terminals zu umgehen. „Das dynamische Laden während der Fahrt hat strategische Vorteile. Wir hoffen, dass sich diese Technik durchsetzt. Dann bleibt annähernd die Flexibilität von heute erhalten.“ Seit 2020 gehört Contargo zu den Pilotunternehmen, die die Technologie auf dem E-Highway in Hessen erproben. Nach einem kürzlichen Fahrzeugtausch handelt es bei dem umgerüsteten Lkw mit Pantograf von Scania inzwischen um einen Plug-in-Hybriden.

Mit Wasserstoff-Lkw plant Contargo zurzeit übrigens nicht konkret. „Wir schließen das nicht aus und werden sicher auch H2-Lkw testen. Aber Kosten und Wirkungsgrad überzeugen uns aktuell noch nicht“, so Kahl. Interessanter als auf der Straße ist das Wasserstoff-Thema für Contargo auf dem Wasser: „Wir lassen durch unsere Schwestergesellschaft Rhenus Partnership gerade drei neue Binnenschiffe bauen, die Anfang des nächsten Jahres für uns in Betrieb gehen. Sie erhalten einen E-Motor, der mit einer Batterie und einer Wasserstoffbrennstoffzelle ausgerüstet ist und zusätzlich vorerst noch mit weiteren Diesel-Generatoren angetrieben wird. Welcher Antrieb sich zukünftig durchsetzt, werden wir dann sehen.“ Noch sei alles offen. Kahl bezeichnet das Projekt als „zentral“ für Contargo.

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