EVP will Klima-Strafen verhindern – aber nicht mehr mit der Brechstange

Die EVP hat ihre Position im Tauziehen um die CO2-Flottengrenzwerte in der EU abgeschwächt. Forderten Teile der Fraktion im EU-Parlament noch vor einer Woche, die erste Stufe der strengeren Normen von 2025 auf 2027 zu verschieben, soll nun ein Buchungstrick helfen, die Autohersteller 2025 vor Klimastrafen zu bewahren.

co2-eu-symbolbild

Der Vorschlag der EVP-Fraktion ähnelt jener Haltung, die die Regierung aus SPD und Grünen in Deutschland vertritt: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) kündigten Ende November an, die im kommenden Jahr potenziell milliardenschweren EU-Klimastrafen für Autohersteller verhindern zu wollen. Anstatt an den europäischen Flottengrenzwerten zu rütteln, wollen sie aber nur einen „pragmatischen Übergang“ schaffen. Habeck kann sich konkret vorstellen, mögliche Defizite im kommenden Jahr von Autobauern durch die Übererfüllung der Quoten der Automobilkonzerne in den Jahren 2026 und 2027 verrechnen zu lassen.

Auf eben diesen Zug springt mit der EVP nun auch die mit Abstand größte Fraktion im EU-Parlament auf. Das ist umso beachtlicher, wollte die EVP doch vor einer Woche noch die erste Stufe der strengeren Normen von 2025 auf 2027 verschieben und am Verbrenner-Aus für Neuwagen ab 2035 rütteln. Doch der Entwurf des EVP-Positionspapier wurde im Zuge der jüngsten Abstimmungen unter den Fraktionsmitgliedern deutlich modifiziert – und in der jetzigen Form von dem Mitte-rechts-Bündnis auch angenommen. Damit stellt sich die EVP hinter den Vorschlag, Herstellern, deren Autos zu viel CO2 ausstoßen, Strafzahlungen zu erlassen, wenn sie die Ziele später übererfüllen. Denkbar sei etwa ein Dreijahresdurchschnitt als Berechnungsbasis der CO2-Bilanz, heißt es in dem Papier.

Der „Spiegel“ schreibt zu dem Kurswechsel der EVP, dass es für eine Verschiebung der ersten Stufe der CO2-Flottengrenzwerte wohl zu spät gewesen sei: „Womöglich hätten Hersteller, die vergleichsweise gut auf Klimaschutzkurs sind, dagegen geklagt.“ Und: „Manche EVP-Mitgliedsparteien sehen das Verbrenner-Aus zudem weniger kritisch als etwa CDU und CSU.“

Flexibilität mit Blick auf 2025 bedeutet aber noch lange keine Positionsänderung in Gänze: Trotz der Zugeständnisse für das kommende Jahr bleibt die EVP bei ihrer Haltung, das 2035 eintretende Verbot für neue Autos mit Verbrennungsmotor rückgängig machen zu wollen. Inhaltlich steht in dem nun beschlossenen Papier, dass es in der Europäischen Union einen „technologieneutralen Ansatz“ geben solle, der nicht auf Elektroautos beschränkt ist, sondern auch alternative Kraftstoffe (darunter Biokraftstoffe und synthetische Kraftstoffe) integriert. Für den Ruf nach E-Fuels ist bisher vor allem die deutsche FDP bekannt. Das EVP-Papier geht aber in eine ähnliche Richtung. Die Verfasser fordern „eine neue Definition für kohlenstoffneutrale Kraftstoffe“. Die Klimaneutralität für 2050 stellen sie laut „Spiegel“ aber nicht infrage.

Für eine Rücknahme des sogenannten Verbrenner-Aus macht sich allen voran EVP-Chef Manfred Weber (CSU) stark. Schon im Wahlkampf 2023 pochte Weber darauf, dass bereits fixierte Beschlüsse zum Verbrenner-Aus für neue Pkw und leichte Nutzfahrzeuge wieder auf den Prüfstand sollen. Die schärferen CO2-Flottengrenzwerte, die 2035 in dem de-facto-Verbot münden, waren Ende März 2023 beschlossen worden. Konservative hatten jedoch eine Überprüfung der Regulierung im Jahr 2026 durchgesetzt. Diese Überprüfung will Weber auf 2025 vorziehen, um das Verbrenner-Aus „zu korrigieren“. Diese Forderung teilt Weber unter anderem mit dem VDA. Das Kalkül: Eine frühere Überprüfung könnte angesichts der veränderten Mehrheitsverhältnisse im Parlament zu schwächeren Grenzwerten führen.

Nach derzeitiger Gesetzeslage drohen Autoherstellern kommendes Jahr hohe Geldbußen für zu hohe CO2-Werte ihrer Neuwagen. Parteiübergreifend sind sich die meisten Abgeordneten einig, dass dies zur Umzeit kommen würde. „In der aktuellen Krise brauchen die Hersteller ihre Einnahmen, um den Wandel zu meistern“, argumentiert etwa die EVP.

Tatsache ist, dass etwa in Deutschland mit dem plötzlichen Wegfall des Umweltbonus Ende 2023 das Wachstum der Elektromobilität ausgebremst wurde. In den vergangenen Monaten lagen die Neuzulassungen in Deutschland recht konstant bei rund 35.000 Elektroautos, was einem Marktanteil von etwa 14 Prozent entspricht. Um die strengeren CO2-Flottengrenzwerte ab 2025 zu erreichen, müssen die Hersteller aber grob auf einen E-Auto-Anteil von 25 Prozent kommen. Ist der CO2-Ausstoß ihrer Neuwagenflotte zu hoch (E-Autos sind ein großer Hebel, aber nicht der einzige), drohen besagte hohe Strafzahlungen.

Während auf EU-Ebene also weiter über die CO2-Flottengrenzwerte debattiert wird, hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck für Deutschland ganz neu ein umfangreiches „Paket zur Erneuerung der deutschen Automobilindustrie“ erarbeitet. Unter anderem sollen Käufer von E-Autos ein Ladestromguthaben für öffentlich zugängliche Ladesäulen bekommen, aber auch eine steuerliche Förderung ist angedacht. Hier geht es zu den Details.

spiegel.de, eppgroup.eu, eppgroup.eu (Positionspapier)

9 Kommentare

zu „EVP will Klima-Strafen verhindern – aber nicht mehr mit der Brechstange“
Tea Jay
12.12.2024 um 11:17
Die CO2-Flottengrenzen waren seit Jahren bekannt und die Hersteller konnten sich lange darauf vorbereiten. Bei den letzten Anpassungen war das Gejammer im Vorfeld ebenso groß und die Einhaltung der Grenzwerte letztlich kein Problem...
Norbert
13.12.2024 um 07:42
"E-Autos sind ein großer Hebel, aber nicht der einzige". Stimmt. Dann baut doch auch mal sparsame Diesel und Benziner. Ich denke da so an LOREMO. Aber mit lauter dicken SUVs und einem cw-Wert eines 40-Tonners wird es halt nichts. Physik lässt sich nicht überlisten.
Jürgen Baumann
13.12.2024 um 08:54
"Aus vom Verbrenner Aus" ist nichts weiter als eine Aufforderung zur vorsätzlichen Körperverletzung mit Todesfolge in Tausenden von Fällen. Die schlechte Luftqualität, vor allem in den Städten, beeinträchtigt nach wie vor die Gesundheit der Menschen in Europa. Laut aktuellen Schätzungen der EUA verstarben im Jahr 2020 in der EU mindestens 238 000 Menschen vorzeitig, weil sie PM2.5-Konzentrationen von über 5 µg/m3 ausgesetzt waren. Die Stickstoffdioxid-Belastung führte zu 49 000 und erhöhte Ozonwerte zu 24 000 vorzeitigen Todesfällen. (Quelle: European Environment Agency).
Richard
13.12.2024 um 10:57
„Alte weiße Männer“ Da kann man nichts „Neues“ erwarten….
Spock
13.12.2024 um 11:01
Parteiverbände wie der EVP sind, unter anderem, das eigentliche Problem mit dem Hochlauf der Elektromobilität. Das ständige Gequatsche von Technologieoffenheit verunsichert die Bürger und treibt sie dazu weiter Verbrenner zu kaufen, weil sie das kennen. Da muss der Hebel angesetzt werden.
Christian Bergmann
13.12.2024 um 12:20
Das POPULISTISCHE Geschwätz der EVP schadet massiv der heimischen Autoindustrie, weil es sie zu Investitionen in zwei Technologien zwingt und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit in der nicht aufzuhaltenden E-Mobiltät weiter schwächt. Also dumm, kurzsichtig ,.....
sig
16.12.2024 um 10:21
EVP ist CDU-csu. immer dran denken!
Hans-Georg Hummel
14.12.2024 um 11:03
Schon wieder ein Artikel der fälschlicherweise vom Verkaufs-Aus der Verbrenner ab 2035 berichtet. Verbrenner können auch nach 2035 noch gekauft und zugelassen werden. Die müssen dann halt die CO2-Abgabe entsprechend dem CO2-Ausstoß des Fahrzeugs mit dem verwendeten Kraftstoff bezahlen. Viel sinniger ist es allerdings gleich auf einen reinen E-Antrieb umzusteigen und noch viel sinniger ist es den dafür benötigten Strom selbst über eine eigene PV-Anlage oder wenigstens teilweise über eine PV-Balkonanlage zu erzeugen. Das schont den eigenen Geldbeutel und die Umwelt.
Julian
17.12.2024 um 08:13
Welches Verbrenner-Aus? Es gibt und gab kein Verbrenner-Aus. Nur dann, wenn es die vielbeschworenen e_Fuels nicht in dem Maße gäbe. Daher ist klar, was hinter de Getöse steckt: CDU, CSU und FDP wissen genau, dass es die benötigten Mengen an eFuels nicht geben wird oder diese so teuer sein werden, dass diese sich kaum jemand leisten kann. Die "alleinerziehende Krankenschwester", die sich kein BEV leisten und es ja norgendwo laden kann, schon mal gar nicht. DAS käme dann einem Verbrenner-Aus gleich, aber das sagt natürlich keiner von denen.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert