Geht nicht, gibt’s nicht: Mit aktuellen E-Lkw auf der Langstrecke

Noch sind strombetriebene Fernstrecken-Trucks rar, weite Distanzen daher eher noch nicht im Radius aktueller E-Lkw. Dachten Sie zumindest? BASF und Dachser sind anderer Meinung und haben sich mit Trucks, die auf dem Papier bis zu 300 km schaffen, auf die Langstrecke begeben. Hier geht's zu ihren Fazits.

Bild: Koch International

Viele Akteure in der Logistikbranche tasten sich an den E-Lkw heran. Was kann er? Was braucht er? Und wie viele Schweißausbrüche kostet der Weg zur nächsten Ladesäule? Zwei schon recht erfahrene Player der Branche haben in jüngster Zeit die aktuelle Batterie-Technologie ausgereizt und erprobt, was sich aus elektrischen Mitteldistanz-Lkw für die Langstrecke herausholen lässt. BASF forderte zusammen mit Logistikdienstleister Koch International zwei Volvo FH Electric und Dachser einen Renault Trucks E-Tech D. Also in beiden Fällen Fahrzeuge der Volvo Group, gehört doch Renault Trucks zur Gruppe der Schweden.

Angelegt waren beide Versuche sehr unterschiedlich. Das Duo BASF und Koch testete die beiden FH Electric (mit je einer Norm-Reichweite von bis zu 300 km) auf einen Rundlauf über drei deutsche BASF-Werke, der in Gänze rund 1.460 Kilometer umfasst. Ziel war es, den Test- in einen Regelbetrieb zu überführen, was inzwischen auch geglückt ist, wie wir gleich näher erläutern. Bei Dachser handelte es sich weniger um eine offizielle Erprobung, als um eine Wohltätigkeitsaktion, in deren Zuge Dachser-Mitarbeiter in drei Tagen rund 2.100 Kilometer mit dem Renault-Truck zurücklegten: nämlich einmal nach Ungarn und zurück.

Blicken wir zunächst auf BASF bzw. die Tochter BASF Coatings, die nach eigenen Angaben binnen vier Wochen zwei E-Lkw testweise 10.000 Kilometer zurücklegen ließ. Logistikpartner Koch transportierte bei diesen Rundläufen mit Stopps an den BASF-Werken in Münster, Würzburg und Schwarzheide gut 2.000 Tonnen Ladung. Auf den Volvo FH Electric fiel dabei die Wahl, da ihn die Partner im Vorfeld eine gute Langstrecken-Tauglichkeit und Ausstattung attestierten. Bei der abschließenden Bewertung der Tests analysierten die Partner u.a. die Reichweite, Ladezeiten und den Energieverbrauch der Fahrzeuge.

E-Lkw kamen auf niedrigere Betriebskosten

Und das Volvo-Duo konnte überzeugen: „Im Testzeitraum zeigte sich, dass der durchschnittliche Energieverbrauch beim Elektro-Lkw zu einer CO2-Reduktion von 45% im Vergleich zum Diesel-Lkw führte“, teilt BASF mit. Zudem sei der Kraftstoffbedarf deutlich niedriger ausgefallen als der von vergleichbaren Diesel-Varianten. Und: „Über die Effizienz bzw. ökologischen Vorteile hinaus, konnten auch wirtschaftliche Vorteile bei den Betriebskosten realisiert werden.“ Mit diesen Ergebnissen im Rücken hat sich BASF für eine Überführung der Tests in den Regelbetrieb entschieden. Und für den Einsatz weiterer E-Lkw.

Gegenüber dem Portal Eurotransport äußerte BASF, dass den zwei Volvos ab Ende Januar 2025 ein MAN Lowliner sowie ab Ende Februar 2025 zwei Volvo FL Electric zur Seite gestellt werden. Außerdem ist der Einbezug weiterer europäischer Niederlassungen sowie der Ausbau von Ladegeräten an den Standorten vorgesehen. Apropos: Auf dem rund 1.460 Kilometer langen Rundlauf im BASF-Werksverbund laden die zurzeit eingesetzten Volvo FH Electric an öffentlichen Ladern. Geplant sei der Rundlauf zwei- bis dreimal wöchentlich, heißt es bei Eurotansport weiter.

Aus Sicht von Victor Kaupe, Head of Regional Transport Management & Logistics EMEA bei BASF Coatings haben die Pioniertests auf der Langstrecke gezeigt, „dass Elektro-Lkw eine vielversprechende Lösung entlang unserer gesamten Wertschöpfungskette darstellen und die operative Abwicklung heute bereits möglich ist“. Im Hinblick auf weitere Entwicklungen bei Ladeinfrastruktur und Lkw-Technologie sei es nur konsequent, dass BASF Coatings diese Praxis in den Regelbetrieb übernommen habe.

„Die vorhanden Daten, insbesondere hinsichtlich Reichweite und Energieverbrauch der Elektro-Lkw, überzeugen“, sagt auch Peter Hayn, Team Lead Fleet Management bei Koch International. „Die Fahrzeuge leisten damit einen wesentlichen Beitrag zur Nachhaltigkeit – sowohl bei uns als auch unseren Partnern. Die Ergebnisse bestärken uns in der kontinuierlichen Integration von Elektrofahrzeugen in unsere Flotte.“

Bei Dachser wächst der E-Lkw-Fuhrpark schon länger stetig. Der Logistikkonzern setzt die Trucks bisher vor allem auf der letzten Meile ein, etwa um sein City-Konzept „Dachser Emission-Free Delivery“ umzusetzen – also die emissionsfreie Zustellung innerhalb bestimmter Stadtzonen, zuletzt implementiert beispielsweise in Freiburg oder Köln. Vor einem Jahr traute sich Dachser aber bereits mit einem Volvo FH Electric in Tschechien auf eine mittlere Distanz: Dort wurde dafür ein Exemplar mit zwei Wechselbrücken angeschafft, das seitdem regelmäßig nachts auf einer rund 180 Kilometer lange Strecke zwischen Kladno (nahe Prag) und Hradec Králové pendelt und tagsüber zudem zwei weitere Touren mit jeweils 180 Kilometern Länge absolviert.

Dabei sind die Ladestandorte natürlich immer dieselben – anders bei einem Langstrecken-Experiment, das jüngst bei der Dachser-Niederlassung in Bad Salzuflen im nordrhein-westfälischen Kreis Lippe seinen Anfang nahm. Zwei Mitarbeiter baten dort um Unterstützung für einen Transport für wohltätige Zwecke – und machten sich mit einem E-Tech D von Renault Trucks auf den Weg. Als 16-Tonner ist er spürbar kleiner als die oben genannten Volvo FH Electric – als Reichweite stehen aber auch beim E-Tech D bis zu 300 Kilometer Reichweite im Datenblatt.

E-Lkw gut, Ladeinfrastruktur ausbaufähig

Der strombetriebene Lkw transportierte Möbel nach Ungarn, wobei sich die Gesamtstrecke für die Hin- und Rückfahrt auf rund 2.100 Kilometer addierte. Als größte Herausforderung bezeichneten die Initiatoren, genügend Ladestationen mit ausreichender Ladekapazität zu finden, die auch von Lkw angefahren werden können. Dafür nutzten sie verschiedene Apps.

Auf der Fahrt selbst zeigte sich der E-Lkw nach Angaben der Fahrer zuverlässig, wobei die Ladeplanung am Ende nicht ganz aufging: „Leider mussten wir einige Änderungen der Wegstrecke in Kauf nehmen, denn die Informationen über die Ladestationen, die wir im Vorfeld eingeholt haben, waren manchmal fehlerhaft.“ Insgesamt neun Mal musste das Tandem unterwegs nachladen – „und die größte Herausforderung war es, die Ladestationen tatsächlich anzufahren. Viele als Lkw-tauglich beschriebene Ladesäulen waren es in Wirklichkeit gar nicht.“ In einem besonders kritischen Fall hatten der Renault-Truck nur noch zwei Prozent Batterieladestand. Das ganze Interview mit einem der beiden Dachser-Mitarbeiter können Sie hier nachlesen.

Als Fazit hält das Duo fest: „Unsere Fahrt hat gezeigt, dass man mit dem E-Lkw zuverlässig unterwegs ist – doch die Ladesituation unterwegs an den Autobahnen ist noch sehr ausbaufähig.“ Trotz der komplizierten Lade- und Parksituation würde man jederzeit diese Tour – oder auch jede andere Tour – mit einem E-Lkw fahren. Denn man kenne jetzt die Kleinigkeiten und Details, auf die man achten muss.

basf.com, dachser.de, eurotransport.de

3 Kommentare

zu „Geht nicht, gibt’s nicht: Mit aktuellen E-Lkw auf der Langstrecke“
Markus
12.12.2024 um 11:54
Je mehr getestet wird desto mehr wächst auch die Überzeugung das es dann doch geht. Nicht zuletzt auch dank dem Elektrotrucker. Die von vielen als viel zu übertrieben eingeschätzten steigenden Zulassungszahlen für die nächsten Jahre sehen dann gar nicht mehr so unrealistisch aus wie manche gerne behaupten. Das Problem bleibt die Infrastruktur. Speziell beim Netzausbau den es für Ladesäulen halt braucht würde man sich wohl auch weiterhin deutlich weniger Bürokratie und Genehmigungsverfahren wünschen damit da endlich Geschwindigkeit rein kommt. Z.B. das ein reiner Technologiewechsel kein neues Genehmigungsverfahren erfordert. Manche Genehmigungen ziehen sich über so viele Jahre das sich in der Zwischenzeit die Technik ändert und man mit veraltetem Stand ausbauen muss weil der neue Standard (z.B. Doppelleiter-System statt Einleiter) eine neue Genehmigung bräuchte. Siehe Nördlinger Ries. Sowas ist einfach eine Katastrophe.
TeeKay
12.12.2024 um 12:23
Lustig, dass dem Volvo gute Langstreckentauglichkeit beschieden wird, während der Elektrotrucker auf Youtube, der inzwischen alle möglichen eLKW im Alltag fuhr, das Gegenteil sagt und auch auf der Strecke befragte andere Fahrer des Volvo sich über die geringe Reichweite bei gleichzeitig langsamen Ladetempo beklagen (im Vergleich zu Konkurrenzprodukten). Der Volvo schaffts eben nicht, mal 4h durchzuhalten und dann in 45min Lenkpause für die nächste Etappe aufgeladen zu sein.
Roland
12.12.2024 um 15:33
Lustig, dass Sie der Meinung sind Volvo schafft es nicht die 4h durchzuhalten. Bereits im Januar 2022 wurde hier auf dieser Seite im Artikel "Volvo FH Electric beweist sich auf Green Truck Award Route" darüber berichtet, dass Volvo 345km ohne Nachladung mit voller Beladung nachweisen konnte. Die 345km sind mehr als realistisch in 4h zu fahren ist. Volvo ist bei Ladeleistung und der freigegebenen Netto Kapazität sehr vorsichtig unterwegs. Der Elektrotrucker hat trotzdem auch mit dem Volvo FM Tagestouren realisiert, die nah an dem maximal mit einem LKW möglichen lagen. Eine Langstreckentauglichkeit ist also auch mit diesen seit fast 3 Jahren auf dem Markt befindlichen Fahrzeugen durchaus gegeben. Und dies ist erst recht im im Artikel beschriebenen geplanten Verkehr gegeben. Dass es zwischenzeitlich Fahrzeuge mit mehr Netto-Kapazität und höhere Ladeleistung gibt ist unbestritten und mit diesen zeigt der Elektrotrucker doch das mit solchen Fahrzeugen und damit spätestens mit den ab jetzt auf den Markt kommenden Modellen keinerlei Einschränkungen der Langstreckentauglichkeit mehr vorhanden sind. Hier wird Volvo mit den angekündigten 600km Modell sicher nachziehen. Bei den vom Elektrotrucker wiedergegebenen Erfahrungen an den Ladesäulen angetroffener Volvo-FH/FM-Fahrer war einmal die genannte Reichweite so gering, dass vermutlich nicht die maximale Batteriekapazität verbaut war und einmal der erhöhte Luftwiderstand beim Transport von Hebebühnen sicher weiter einschränkend. Es passt sicher noch nicht in allen Anwendungsfällen, aber das ist trotzdem nicht das Gegenteil von Langstreckentauglichkeit.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert