Ionity-CEO van Tilburg strebt dynamische Ladepreise an
Die Ausbauziele, die Ionity einst für Ende 2025 angekündigt hat, wird das Unternehmen laut van Tilburg nicht schaffen. 2021, als Blackrock als Investor eingestiegen war, wurden 1.000 Standorte mit 7.000 Ladepunkten in Aussicht gestellt – aktuell steht Ionity bei rund 5.000 Ladepunkten an 750 Standorten. Wie van Tilburg im Interview mit electrive Global angibt, liegt das aktuelle Ausbau-Tempo bei 125 Standorten pro Jahr. „Das entspricht zwar nicht ganz den Zielen, die wir uns vor ein paar Jahren gesetzt haben, aber es entspricht dem derzeitigen Tempo der Einführung von Elektrofahrzeugen. Wir arbeiten auf der Grundlage eines wirtschaftlichen Modells“, so der Niederländer.
Allerdings hat van Tilburg die 2021 veröffentlichten Ziele nicht zu verantworten. Damals war er noch Head of EV Charging Network bei Tesla und für den Ausbau der Supercharger in der EMEA-Region verantwortlich. Ionity leitet van Tilburg erst seit Mai 2024. Seitdem plant er den Ausbau des Ionity-Netzes neu – etwa mit Partnerschaften wie mit der Gastro-Kette L’Osteria. Unter van Tilburg hat Ionity auch einen eigenen Flotten-Ladedienst aufgelegt, eine neue App gelauncht und auch eine weitere Tarifoption eingeführt. Mit Ionity Go, Ionity Direct, Ionity Passport Motion und Ionity Passport Power gibt es inzwischen vier Preisstufen, um bei Ionity den gleichen Strom zu laden – von den neuen Flotten-Optionen und den Roaming-Diensten ganz zu schweigen.
In dem Interview spricht van Tilburg viel darüber, Verantwortung zu übernehmen und die Elektromobilität für Neulinge zugänglicher und einfacher verständlich zu machen – hält aber gleichzeitig an vier Preisstufen zwischen 39 und 69 Cent je Kilowattstunde für die identische Ladeleistung fest. „Wir sind immer noch eine junge Branche mit enormen Vorabinvestitionen, die wir versuchen müssen, wieder hereinzuholen. Der beste Weg, den wir alle gefunden haben, sind Abonnementmodelle. Und wir versuchen, sie so begrenzt wie möglich zu halten“, sagt van Tilburg. „Wir geben zu, dass es für viele Autofahrer immer noch überwältigend und verwirrend sein kann, aber wir glauben, dass wir mit den vier Modellen, die wir anbieten, die Dinge bereits erheblich vereinfacht haben. Es ist noch nicht auf dem Niveau des Tankstellengeschäfts, aber die gibt es schon seit mehreren Jahrzehnten. Und sie haben eine sehr hohe Stationsauslastung, weil es immer noch mehr Verbrenner als Elektroautos auf den Straßen gibt. Für mich ist das also nur eine Frage der Zeit.“
Dynamische Ladepreise erfordern weitere Investitionen
Tatsächlich kann sich der Manager vorstellen, von vier starren Preisstufen abzuweichen. „Ich stelle mir eine Zukunft vor, in der wir dynamische Preise in Echtzeit anbieten können, abhängig von niedrigen Energiekosten, wenn der Wind weht oder die Sonne scheint“, sagt van Tilburg. Der Haken: „Aber das erfordert enorme Investitionen in unsere Backends, um eine tiefere Integration mit dem Energiemarkt zu ermöglichen.“ Angesichts der bereits jetzt hohen Vorabinvestitionen, die zum Teil die aktuellen Ladepreise begründen, kämen also weitere „enorme Investitionen“ hinzu. Ob das Laden für die Kunden damit am Ende in Summe tatsächlich günstiger wird (oder nur in kurzen Zeitfenstern), lässt van Tilburg offen.
Dazu kommt: Es wird für Ionity nicht einfacher und günstiger, die passenden Standorte für die weitere Expansion zu finden. Die Konkurrenz wächst, es suchen mehr und mehr Betreiber nach den optimalen Flächen für ihre Ladeparks – die Verkehrsanbindung muss stimmen, am besten gibt es bereits Einrichtungen wie (Schnell-)Restaurants oder Läden vor Ort und natürlich muss auch der Netzanschluss für die Ladestationen gesichert sein. Und auch in diesem Bereich ist die Lage dynamisch: „Vor sechs Jahren dauerte es nur etwa drei Monate, um in den Niederlanden einen Netzanschluss zu erhalten. Es war als eines der Länder bekannt, in denen die Einführung am schnellsten ging“, berichtet van Tilburg. „Heute dauert es bis 2028 oder 2029, um einen Netzanschluss zu erhalten. Das zeigt, wie schnell sich die Branche verändert.“
Und auch Ionity verändert sich. Das Joint Venture wurde einst von Audi, Porsche, BMW, Mercedes-Benz und Ford gegründet, um Langstreckenfahrten mit dem Elektroauto zu ermöglichen. Auch mit dem Einstieg von Hyundai und Kia hat sich daran nichts geändert. Mit den 5.000 Ladepunkten, die größtenteils in Autobahn-Nähe entstanden sind, ist die Langstrecke mit dem Elektroauto heute kein Problem mehr – erst recht, wenn man neben Ionity die Schnelllader weiterer Anbieter nutzt. Van Tilburg will daher beim weiteren Ausbau in die Städte gehen. „Denken Sie vor allem an die Ringstraßen“, sagt van Tilburg über die kommenden Ionity-Standorte in der Stadt. Die breit angelegte Strategie für die „urbane Expansion“ sei aber noch in der Entwicklung.
Was van Tilburg bereits jetzt über die „Sweet Spots“ beim Laden in der Stadt verrät, wie die gemeinsam mit Atlante, Electra und Fastned gegründete „Spark Alliance“ das Laden in Europa vereinfachen soll, was das Laden mit dem Kauf eines neuen Fernsehers gemeinsam hat und was Ionity aus van Tilburgs Sicht bereits heute besser macht als sein Ex-Arbeitgeber Tesla, können Sie im ausführlichen Interview mit electrive Global nachlesen.
14 Kommentare