
Aurora lässt Schwer-Lkw in Texas pendeln – ohne Fahrer an Bord
In Texas können einem auf der Interstate 45 künftig Lkw ohne Fahrer begegnen. Ja, das ist erlaubt: Auf dem Nord-Süd-Korridor zwischen Houston und Dallas hat Aurora Innovation dieser Tage einen regelmäßigen Transportdienst mit selbstfahrenden Sattelschleppern aufgenommen. Damit ist die 2017 gegründete Firma aus Pittsburgh nach eigenen Angaben das erste Unternehmen überhaupt, das einen kommerziellen Dienst mit schweren, selbstfahrenden Lastwagen auf öffentlichen Straßen betreibt. Möglich macht das der „Aurora Driver“, ein Fahrassistenzsystem nach SAE-Level 4, das „zunächst auf Autobahnen im Fernverkehr eingesetzt wird“, wie die Initiatoren sagen.
Zur Erläuterung: Level 4 wird auf der von eins bis fünf reichenden Skala des automatisieren Fahrens auch als „vollautomatisiertes Fahren“ bezeichnet. Das bedeutet, dass das Fahrzeug die Fahrten auf bestimmten Strecken völlig selbstständig bewältigen kann und auch ohne Insassen fahren darf. Bei Level 4 erkennt das System seine Grenzen so rechtzeitig, dass es regelkonform „einen sicheren Zustand“ erreichen kann, indem es etwa einen Parkplatz ansteuert. Der Unterschied zum völligen autonomen Fahren besteht nur noch darin, dass die Fahrzeuge auf bestimmte Strecken festgelegt sind. Bei Level 5 müssen Fahrzeuge ortsunabhängig alle Verkehrssituationen bewältigen können.
Texanische Behörden haben grünes Licht gegeben
Um auf öffentlichen Straßen fahren zu dürfen, hat Aurora ein von den texanischen Behörden vorgegebenes Sicherheitsverfahren durchlaufen. In diesem Zuge veröffentlichte die Firma auch einen Bericht, der Details zum Einsatzbereich des „Aurora Driver“ und zu Themen wie Cybersicherheit und Fernunterstützung sowie weitere sicherheitsreleventan Aspekten enthält.



„Wir haben Aurora gegründet, um die Vorteile der selbstfahrenden Technologie sicher, schnell und auf breiter Basis zu nutzen“, äußert Mitgründer und CEO Chris Urmson. „Auf dem Rücksitz bei unserer Eröffnungsfahrt mitzufahren war eine einmalige Ehre – der Aurora Driver hat perfekt funktioniert, diesen Moment werde ich nie vergessen.“ Zum Einsatz kommen dabei aufgerüstete Lkw der Paccar-Marke Peterbilt, aber auch mit Volvo Trucks kooperiert Aurora – und plant, seinen Service schon bis Ende des Jahres auf El Paso, Phoenix und Arizona auszuweiten.
Enge Bande mit Uber
Erste Kunden von Aurora sind Uber Freight und Hirschbach Motor Lines. Dass Uber involviert ist, überrascht wenig: Schließlich war es Aurora, das 2020 die von Uber abgestoßene Abteilung für autonome Autos übernahm. Der Fahrdienstvermittler behielt damals über eine 400-Millionen-Dollar-Investition in Aurora den Fuß in der Tür. Schon damals hieß es, dass der „Aurora Driver“ eng mit Ubers Ride-Hailing-Plattform gekoppelt werden solle. Nun geht die enge Partnerschaft also zunächst im vollautomatisierten Lkw-Transport auf.
Zum „Aurora Driver“ selbst äußern die Amerikaner, dass das System aus einem leistungsstarken Computer und Sensoren bestehe, die über die Länge von vier Fußballfeldern hinaus sehen können. Dabei setzt Aurora auf Technologie von Nvidia und konstatiert: „In über vier Jahren überwachter Pilottransporte hat der Aurora Driver mehr als 10.000 Kundenlieferungen über drei Millionen autonome Meilen absolviert.“ Ferner arbeitet die Lösung mit „verifizierbarer KI“, was laut Aurora ausschlaggebend war, dass die texanischen Behörden grünes Licht gegeben haben. Neben Lkw soll sich des Fahrsystem auch für weitere Fahrzeugtypen bis hin zum Pkw eignen. Zu den Partnern des Unternehmens zählt denn auch Autohersteller Toyota sowie beispielsweise der Zustelldienst FedEx mit seinen tausenden Transportern in der Flotte.
Die nun in Texas zum Einsatz kommenden Sattelschlepper sind noch aufwändig präparierte Einzelstücke, Aurora nennt sie „Launch Trucks“. Erkennbar sind die Peterbilt-Lastwagen u.a. an einer gut sichtbaren Sensoreinheit in der Frontverkleidung oberhalb der Windschutzscheibe und zwei Sensorblöcken, die wie „Ohren“ am Fahrerhaus abstehen. Und auch die Seitenspiegel und der Frontgrill sind mit Extra-Sensorik bestückt. Weniger sichtbar sind dagegen „redundante Systeme bei Bremsen, Lenkung, Energieversorgung, Sensorik, Steuerung, Datenverarbeitung, Kühlung und Kommunikation“, wie Aurora aufzählt. Für eine Skalierung dieses Systems will sich die Firma Fertigungspartner ins Boot holen, also nicht selbst in die Produktion einsteigen. „Das ist der einzige Weg, um selbstfahrende Lkw in großem Maßstab auf die Straße zu bringen“, geben sich die Verantwortlichen überzeugt.
Mit Continental soll der Roll-out in Gang kommen
Und an dieser Stelle kommt der deutsche Zulieferer Continental ins Spiel, der über seine US-Tochter eng mit Aurora zusammenarbeitet, um ein skalierbares System gemäß Level-4 zu entwickeln. Die Betonung liegt auf „skalierbar“, sodass nicht mehr jeder Lkw aufwändig in Handarbeit aufgerüstet werden muss, sondern ein Hardware-Kit herangezogen werden kann, das den Roll-out solcher Lkw beschleunigt. Den Produktionsstart eines solchen Kits peilen Continental und Aurora für 2027 an. Im Boot dabei: IT-Gigant Nvidia mit seinem Drive Thor, ein Chipsystem, das Inferenzaufgaben derart beschleunigen können soll, dass autonomes Fahren realisierbar wird.
Continental hat dabei Weitsicht bewiesen: Bereits 2018 kündigten der Zulieferer und Nvidia die gemeinsame Entwicklung Künstlicher Intelligenz (KI) für selbstfahrende Fahrzeuge an. Mit Aurora schloss Continental dann 2023 eine exklusive Partnerschaft für die skalierbare Version des autonomen Lkw-Systems. In ihrer 2024 veröffentlichten „Partnerschafts-Roadmap“ haben Continental und Aurora den Weg zur Serienproduktion im Jahr 2027 bereits kleinteilig skizziert. Nach der Entwurfs- und Designphase wird Continental nun zunächst erste Versionen der Hardware für Tests im Werk in New Braunfels im US-Bundesstaat Texas und an ihren weltweiten Produktionsstandorten bauen. Fertigstellung, Produktionsstart und Integration der Hardware für den „Aurora Driver“ planen die Partner für nächstes und übernächstes Jahr. Und 2027 soll anschließend der „Einsatz in großem Maßstab“ folgen – dann sollen „Tausende von Lastwagen, die mit dem Aurora Driver integriert sind“ bereit sein , „autonom Fracht in den USA zu transportieren“.




In den USA könnte sich dieser Markt schneller entwickeln als anderswo, da laut Aurora „die meisten US-Bundesstaaten schon heute fahrerlose Fahrzeuge erlauben, darunter Texas, New Mexico und Arizona“. Und auch die Kunden könnten zum wichtigen Treiber werden: „Der autonome Transport kommerzieller Güter, bei dem niemand hinter dem Lenkrad sitzt, ist ein historischer Schritt, um eine intelligentere und effizientere Lieferkette zu schaffen“, betont etwa Lior Ron, Gründer und CEO von Uber Freight.
Der zweite Pilotkunde formuliert das etwas zurückhaltender: „Es ist nie einfach, eine Branche der alten Schule wie den Lkw-Verkehr umzugestalten, aber wir können die Vorteile dieser Technologie in Bezug auf Sicherheit und Effizienz nicht ignorieren“, sagt Richard Stocking, CEO von Hirschbach Motor Lines. „Autonome Lkw werden nicht nur dazu beitragen, unser Geschäft auszubauen – sie werden auch unseren Fahrern ein besseres Leben ermöglichen, indem sie die längeren und weniger begehrten Strecken bewältigen.“
ir.aurora.tech, continental-automotive.com
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