DHL und Scania lüften Testresultate zu E-Lkw mit Range-Extender
Kurzer Rückblick: Scania und DHL haben einen elektrischen 40-Tonner mit einem Generator an Bord entwickelt, um auf größere Reichweiten zu kommen. Beide Seiten sehen die Technologie als „mögliche Übergangslösung auf dem Weg zur Skalierung vollelektrischer Lkw“ – und haben sich das System patentieren lassen. Im Februar starteten beide Seiten dann einen Testlauf mit dem EREV, zu dem nun erste Resultate vorliegen. Die Abkürzung steht dabei für „Extended Range Electric Vehicles“ und ist uns bisher vor allem vom chinesischen Pkw-Markt ein Begriff. EREVs sind teilelektrifizierte Fahrzeuge, die sich extern mit Strom laden und auch mit Kraftstoff betanken lassen – also wie Plug-in-Hybride. Im Unterschied zu diesen werden die Räder bei EREVs aber immer allein vom Elektromotor angetrieben. Sind die Batterien leer, springt ein kleiner Verbrennungsmotor an Bord an und generiert den Strom für den Motor. Dieser Generator wird im Fachjargon als Range-Extender bzw. Reichweitenverlängerer bezeichnet.
Seit Februar wird das Scania-Einzelstück also im DHL-Unternehmensbereich Post & Paket Deutschland für den Transport zwischen den Paketzentren in Ludwigsfelde bei Berlin und Hamburg eingesetzt. Seitdem hat der Lkw laut den Verantwortlichen rund 22.000 Kilometer zurückgelegt und in der Regel die etwa 250 Kilometer lange Strecke ohne Zutun des Range-Extenders zurückgelegt. An kälteren Tagen oder bei unvorhersehbaren Ladeproblemen („wie besetzten oder defekten Ladestationen“), die eine zusätzliche Reichweite erforderten, schaltete sich der Reichweitenverlängerer aber ein. DHL bezeichnet den Generator daher als „Backup für zusätzliche Flexibilität“, der eine zuverlässige Routenplanung erleichtere – „etwas, das in der Logistik unverzichtbar ist“.
Zu 92 Prozent rein elektrisch unterwegs
In der ersten Phase des Tests fuhr das EREV laut Unternehmensangaben konkret zu 91,9 Prozent der Zeit im rein elektrischen Betrieb, 8,1 Prozent der Kilometer wurden über den eingebauten Reichweitenverlängerer absolviert. Im Vergleich zu einem herkömmlichen Lkw hat das EREV damit „bisher mehr als 90 Prozent der CO2e-Emissionen eingespart, was zu rund 16 Tonnen weniger Treibhausgasemissionen während der Testphase im Vergleich zu einem vergleichbaren Diesel-Lkw führte“, heißt es. Und: „In Zukunft könnten die Emissionen weiter reduziert werden, indem Brennstoffe aus erneuerbaren Quellen, wie Biodiesel, für den kleinen Anteil an Energie verwendet werden, der über den Generator bereitgestellt wird.“ Außerdem plant das Duo bereits eine zweite EREV-Generation mit einem größeren Akku. Dazu weiter unten mehr.
Zu sehen ist der Scania mit EREV-Antrieb gerade auf dem International Transport Forum in Leipzig. Tobias Meyer, Vorstandsvorsitzender der DHL Group, betont: „Wir alle – Unternehmen, Politik und Gesellschaft – wollen weniger Emissionen durch erhöhte E-Mobilität im Güterverkehr. Gleichzeitig wissen alle Experten, dass der Übergang zu vollelektrischen Lkw viele Jahre dauern wird, hauptsächlich weil das Stromnetz und die Ladeinfrastruktur unzureichend sind. Aber wir sollten nicht gezwungen sein zu warten. Wir brauchen pragmatische Lösungen wie den EREV und zügige politische Entscheidungen, um solche Brückentechnologien zu ermöglichen. Wir wollen den Verkehrssektor jetzt dekarbonisieren. Die Regulierung sollte uns dabei unterstützen, nicht behindern.“
Mit letzterer Bemerkung verweist Meyer darauf, dass die Berechnung der Straßenmaut und der Emissionswerte für die EU-Flottengrenzwerten aktuell keine EREVs berücksichtigt und diese daher mit Dieseln gleichgestellt wären. Der DHL-Vorstandschef betont, dass diese Instrumente die tatsächlichen oder realistisch zu erwartenden Emissionen widerspiegeln sollten, was derzeit beim EREV nicht der Fall sei: „Ein Fahrzeug sollte die CO2-Lkw-Maut entsprechend seinen effektiven Treibhausgasemissionen zahlen. Die politischen Entscheidungsträger sollten dies unterstützen, indem sie eine zusätzliche Emissionsklasse einführen, die basierend auf zertifizierten Emissionen proportionale CO2-Emissionsreduktionen im Rahmen der Straßenmautgesetzgebung anerkennt.“ Und weiter: „DHL begrüßt ausdrücklich den Koalitionsvertrag der neuen deutschen Bundesregierung, der die Unterstützung für EREVs beinhaltet, als Schritt in die richtige Richtung und fordert eine zeitnahe Umsetzung von entsprechenden Vorschriften.“
EREV-System ist zum Patent angemeldet
Aus den bisherigen Tests ziehen DHL und Scania die Erkenntnis, dass „die Umweltbilanz dieses Fahrzeugs der eines vollelektrischen Lkw nahekommen kann“. Ohne zuvor Aufhebens um die gemeinsame Entwicklung eines solchen Lkw-Antriebs zu machen, hatte das Duo bereits am 19. September 2024 ein Patent auf ein EREV-System beim Deutschen Patent- und Markenamt in München angemeldet. Im Februar veröffentlichten beide Seiten dann Details zu dem Projekt. Als Basis des EREV dient demnach Scanias rein elektrischer Schwerlast-Lkw vom Typ R450e, der je nach Konfiguration mit mehreren 104-kWh-Batteriepacks ausgestattet ist. In der Sonderanfertigung haben die Schweden die kleinste Kapazität mit vier Packs (also 416 kWh) gewählt und anstelle eines zusätzlichen Akkus den Generator eingebaut. Das reduziert zwar die Reichweite im Akkubetrieb, sorgt aber für die oben skizzierte Benzin-basierte Energiereserve.
Bei dem EREV-Exemplar handelt es sich konkret um einen 10,5 Meter langen Lkw mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 40 Tonnen, der von einem 230-kW-Elektromotor (295 kW Peak) angetrieben wird. Die Energie kommt von besagter 416-kWh-Batterie und dem Generator mit 120 kW Leistung. Dieser kann vorerst nur mit Benzin betrieben werden, soll später aber auch mit „erneuerbarem Diesel bzw. HVO“ laufen, wie die Verantwortlichen wiederholen. Zur Ladefähigkeit oder zum Fassungsvermögen des Kraftstofftanks äußern sich die Entwicklungspartner nicht, dafür sprechen sie von einer Höchstgeschwindigkeit von 89 km/h und einem Fassungsvermögen von rund 1.000 Paketen. Aussagekräftiger wären sicher konkrete Daten zu Ladevolumen und Nutzlast. Wichtig ist DHL und Scania zudem, dass EREVs grundsätzlich mit einer Software ausgestattet werden können, die die Nutzung des Generators einschränkt. „Dadurch können die Treibhausgasemissionen reduziert und auf ein bestimmtes Niveau begrenzt werden“, so DHL – freilich zu Ungunsten der Reichweite.
„Pragmatische Lösung“ für die Gegenwart
Als Abkehr zur rein elektrischen Roadmap wollen die Initiatoren des Versuchs den EREV-Vorstoß explizit nicht verstanden wissen. Beide bezeichnen vollelektrische Fahrzeuge als die „ultimative Lösung für ein nachhaltiges Verkehrssystem“, weisen jedoch darauf hin, dass die zügige Elektrifizierung des Schwerlastverkehrs derzeit an mehreren Faktoren scheitere – „darunter fehlende Ladepunkte, hohe Kosten für das Vorhalten ausreichender Ladekapazitäten in den Depots zu saisonalen Spitzenzeiten, die Netzbelastung und hohe Strompreise zum Beispiel an windstillen Wintertagen“. Hier biete das EREV eine Lösung.
Die nächste EREV-Version ist bei den Partnern derweil schon in Planung – dann ein Prototyp mit 520-kWh-Batterie, also mit fünf der aktuell von Scania verbauten Batteriepacks. Hintergrund ist, dass der schwedische Hersteller die Batterieoptionen für seinen R450e erweitert. Standen bisher die Kapazitäten 416 oder 624 kWh zur Auswahl, kommen im Laufe des Jahres die Optionen 520 und 728 kWh hinzu.
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