
Opel Grandland Electric im Fahrbericht: Das Warten auf den großen Akku geht weiter
Auf dem zweiten Grandland lasten hohe Erwartungen. Er ist das erste gehobene Opel-Modell mit einem reinen Elektroantrieb und das erste Modell der Rüsselsheimer, das auf der Stellantis-Plattform STLA Medium aufbaut. Mit einer Länge von 4,65 Metern positioniert sich das Kompakt-SUV am oberen Ende seines Segments und geht damit schon fast als Mittelklasse-SUV durch. Mit Listenpreisen ab 46.750 Euro fühlt er sich aber eher dem Segment der C-SUV verbunden – dem volumenstärksten Europas, vor allem im Elektroauto-Bereich.
Dazu kommt ein gefälliges Design, das mit der verglasten „Vizor“-Front, dem illuminierten Opel-Logo und dem durchgehenden Leuchtband am Heck deutlich moderner als das des Vorgängers, gleichzeitig aber nicht übertrieben futuristisch wirkt. Opel ist es gelungen, seine vor fünf Jahren eingeführte Designlinie weiterzuentwickeln, ohne sich dabei in trendigen Details zu verlieren.
Wenn man die technischen Eckdaten betrachtet, macht das deutsche Schwestermodell des Peugeot e-3008 einen ordentlichen Eindruck – auch wenn die ursprünglich für Anfang 2025 angekündigte Version mit 700 Kilometern Reichweite immer noch nicht verfügbar ist. Diese „Long Range“-Variante würde es dem elektrischen Grandland ermöglichen, im Konkurrenzumfeld vorne mitzufahren. Aktuell ordnet er sich dagegen eher unauffällig im Mittelfeld ein.




Dasselbe gilt auch für die Ladetechnik. Da es sich bei der vergleichsweise neuen Architektur STLA Medium trotzdem um eine herkömmliche 400-Volt-Plattform handelt, fällt auch die Ladeleistung mit 150 beziehungsweise bei dem kleinen Akku 160 kW durchschnittlich aus. Zum Vergleich: Ein ähnlich großer Hyundai Ioniq 5 lädt dank seiner 800-Volt-Plattform mit bis zu 260 kW. Im Idealfall dauert es bei Opels größtem E-Auto knapp eine halbe Stunde, um den Ladestand von 20 auf 80 Prozent zu erhöhen. Keine Blamage, es gibt aber eben Konkurrenten, die da deutlich flinker sind.
Der durchschlagende Erfolg blieb dem Modell bisher verwehrt. Im Vergleich zu den Platzhirschen im Segment trifft man das im Opel-Werk Eisenach gefertigte E-SUV im Straßenbild eher selten an. Gut, seit dem offiziellen Marktstart sind auch erst zehn Monate vergangen, im ersten Halbjahr 2025 hat es das Modell aber nicht einmal in die Top 25 der meistverkauften Elektroautos Europas geschafft. Die Konkurrenten aus dem VW-Konzern, allen voran der Volkswagen ID.4 und der Skoda Enyaq, fahren dagegen vorne mit und sind beide in den Top Ten vertreten. Und das, obwohl die MEB-Brüder schon einige Jahre auf dem Buckel haben und technisch auch keine Überflieger sind.
Aktuell kommt der Grandland bis zu 582 Kilometer weit
Im Rahmen einer Fahrveranstaltung rund um den Frankfurter Flughafen hatte ich Gelegenheit zu überprüfen, ob das SUV das Zeug dazu hat, die Trendwende zu schaffen und im Laufe seines Modellzyklus höhere Marktanteile zu erobern. Genauer gesagt bin ich den Grandland mit reinem Vorderradantrieb und dem mittleren 82-kWh-Akku gefahren, da die reichweitenstärkste Topversion wie bereits erwähnt noch nicht verfügbar ist. Für diese Version gibt Opel eine WLTP-Reichweite von 582 Kilometern an und die Preise für die getestete GS-Line starten bei knapp 52.000 Euro.
Trotz des stattlichen Gewichts von 2,1 Tonnen sparen sich die Rüsselsheimer bei ihrem aktuellen Topmodell adaptive Dämpfer oder sogar ein Luftfahrwerk und setzen stattdessen auf ein konventionelles Stahlfahrwerk. Das gefällt jedoch mit seiner Abstimmung. Die Stellantis-Tochter betont des Öfteren, dass sie sich bei der Abstimmung ihrer Fahrzeuge am deutschen Geschmack orientiere und die Autos auf die Autobahn ausgelegt seien.
Wer angesichts der technischen Verwandtschaft zu seinen Konzern-Brüdern ein französisch weiches Fahrwerk erwartet, kann also beruhigt sein. Der Grandland ist vergleichsweise straff abgestimmt, bleibt aber unter dem Strich aber trotzdem ein komfortables SUV. Der Fahrer wird durchaus über den Zustand des Straßenbelags informiert, selbst Schlaglöcher werden aber nie unangenehm ins Cockpit durchgegeben.
Selbst in schnell gefahrenen Kurven gibt es kaum Wankbewegungen und auf der Autobahn gefällt das E-SUV mit einer guten Geräuschdämmung und einer satten Straßenlage. Unter dem Strich kann die Fahrwerksabstimmung als durchaus gelungen bezeichnet werden, auch wenn es in dem Segment Konkurrenten gibt, die flauschiger federn und auf Kopfsteinpflaster gewisse Vibrationen zu spüren sind. Die Lenkung ist dagegen einen Ticken zu leichtgängig und könnte gerne mehr Feedback vermitteln. Bei den Assistenzsystemen hat Opel seine Hausaufgaben gemacht – der Abstandstempomat (ACC) des Grandland Electric hat bei der Testfahrt beispielsweise bestens funktioniert.
Grandland Electric | Grandland Electric | Grandland Electric AWD | |
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Antrieb | FWD | FWD | AWD |
Leistung | 157 kW | 157 kW | 239 kW |
Drehmoment | 345 Nm | 345 Nm | 509 Nm |
Beschleunigung | 9,0 s | 9,0 s | 6,1 s |
Höchstgeschwindigkeit | 170 km/h | 170 km/h | 180 km/h |
WLTP-Reichweite | 523 km | 582 km | 482 km |
Batteriekapazität | 73 kWh | 82 kWh | 73 kWh |
Ladeleistung DC | 160 kW | 150 kW | 160 kW |
Ladezeit DC 20-80 % | 29 min | 29 min | 29 min |
Preis | 46.750 Euro | 47.750 Euro | 59.990 Euro |
Der Grandland steht leistungsmäßig gut im Futter
Opel hat zwar kürzlich auch eine zweimotorige Allradversion eingeführt, bei den meisten Grandland Electric handelt es sich aber um reine Fronttriebler. Der Motor an der Vorderachse leistet 157 kW sowie 345 Newtonmeter Drehmoment. Angesichts des stolzen Gewichts ist der Grandland also alles andere als übermotorisiert. Die Beschleunigung von Null auf Hundert in 9 Sekunden ist im Vergleich zur Konkurrenz auch nicht wirklich herausragend. Bei 170 km/h wird der Vortrieb von der Software begrenzt.
Wenn man hinter dem Steuer sitzt, fühlt sich der Grandland aber spritziger an, als es das Datenblatt vermuten lassen. In allen Fahrsituationen steht genug Kraft zur Verfügung und selbst im Eco-Modus zieht das SUV noch ordentlich durch und wirkt nicht zugeschnürt. Wer sich mehr Punch wünscht, muss zum 239 kW und 509 Newtonmeter starken Grandland AWD greifen. Dieser beschleunigt in 6,1 Sekunden auf Tempo Hundert und rennt 180 km/h. Dafür bietet diese Variante, die nur in Kombination mit der höchsten Ausstattung „Ultimate“ angeboten wird, hundert Kilometer weniger Reichweite und kostet mit knapp 60.000 Euro auch deutlich mehr – wohlgemerkt für den kleineren 73-kWh-Akku, denn mit dem 82 kWh großen Speicher gibt es den Allradler nicht.
Der Antrieb überzeugt mit Sparsamkeit
Der Normverbrauch liegt bei 17,7 kWh nach WLTP. Bei der Angabe war der Hersteller aber ziemlich bescheiden, wenn man es im Eco-Modus gemächlich angehen lässt, kann man Opels elektrisches Flaggschiff nämlich auch sparsamer bewegen. Nach der rund 30 Kilometer langen Testroute mit einem hohen Autobahnanteil standen als Durchschnittsverbrauch 14,3 kWh auf der Uhr.
Selbst mit laufender Klimaanlage und im Sportmodus, inklusive kurzer Zwischensprints, kam ich bei der Rückfahrt auf 15,6 kWh und blieb damit deutlich unter der Werksangabe. Dies spricht für die Sparsamkeit der Stellantis-Elektromotoren, die bereits mehrfach in Tests anderer Konzern-Modelle gelobt wurden. Die Kollegen von Auto Bild erreichten bei einer Sparsamkeits-Challenge über 1.000 Kilometer sogar einen Durchschnittsverbrauch von nur 11,4 kWh, was dem Grandland den Klassensieg einbrachte. Die Frage bleibt, wie effizient der Antriebsstrang bei winterlichen Temperaturen ist. Dass Opel serienmäßig eine Wärmepumpe verbaut, schafft aber Vertrauen.
Vielleicht wäre in Sachen Effizienz sogar noch mehr drin, wenn man die Rekuperation erhöhen würde. Letztere kann beim Grandland Electric über Paddel am Lenkrad in drei Stufen eingestellt werden. Sie fällt bei Bedarf ziemlich stark aus, komplett ohne Einsatz des Bremspedals kommt das Auto aber nicht zum Stehen. Wie bei den anderen Elektro-Modellen aus Rüsselsheim, ist auch bei Opels größtem SUV kein One-Pedal-Driving möglich.




Sehr gute Sitze und teils analoge Bedienelemente
Passend zur Sparsamkeit des Antriebs lädt der Innenraum zu Langstreckenfahrten ein. Vor allem die bei den Ausstattungsvarianten GS und Edition serienmäßigen „Intelli Seat Pro“-Sitze, die das AGR-Siegel der „Aktion Gesunder Rücken“ tragen, gefallen mit ihrem guten Seitenhalt und den elektrisch verstellbaren Seitenwangen. Man fühlt sich gut eingepackt, was dem Fahrer zusammen mit der hohen Sitzposition ein sicheres Gefühl vermittelt.
Das Cockpit wirkt modern, aber nicht übertrieben reduziert. Außerdem ist es angenehm fahrerorientiert – der je nach Version 10 oder 16 Zoll große Touchscreen ist beispielsweise der Person hinter dem Steuer zugeneigt. Hinter dem Lenkrad sitzt ein 10 Zoll großes Display für die Fahrinformationen, das mit seiner hohen Auflösung gefällt. Außerdem setzt Opel nicht ausschließlich auf eine Touchbedienung – unter dem Zentraldisplay finden sich weiterhin Kippschalter für die Klimabedienung und ein Drehrad für die Lautstärkeregelung. Bei dem Infotainmentsystem kann sich die Stellantis-Tochter aber noch einiges von der Konkurrenz abschauen, die Bedienung wirkt etwas verschachtelt und wenig intuitiv.
Insgesamt überzeugt der Innenraum des Grandland qualitativ – zumindest in der ersten Sitzreihe. Bei der Verarbeitung des in Eisenach gefertigten SUV gibt es kaum etwas zu beanstanden. Auch der Materialmix gefällt im Großen und Ganzen. Opel verbaut zwar an einigen Stellen auch Hartplastik, aber eher im nicht direkt sichtbaren Bereich. Auf dem Armaturenträger, der Mittelkonsole und den Türverkleidungen finden sich mit Stoff bezogene Elemente, Alcantara-Einsätze, Leisten in Metall-Optik und Kunststoff in Carbon-Optik. So wird das Ganze aufgelockert.
Die große Stärke des Grandland ist sein Platzangebot
In der zweiten Reihe hat Opel aber ganz offensichtlich gespart. Sowohl die Türverkleidungen als auch die Rückseite der Mittelkonsole bestehen aus schnöden Hartplastik. Dafür geht es angenehm luftig zu. Vor allem die Beinfreiheit überzeugt. Selbst wenn der Fahrersitz ganz nach hinten gefahren ist, haben großgewachsene Passagiere auf der Rückbank noch genug Luft vor den Knien. Trotz des optionalen Panoramadaches hatte ich mit meinen 1,85 Metern auch noch genug Luft über dem Scheitel.
Sein üppiges Platzangebot ist wohl die große Stärke des Grandland. Auch das Gepäckabteil fällt mit seinen 550 Litern in der Normalkonfiguration überdurchschnittlich groß aus. In dieser Disziplin überflügelt der Rüsselsheimer seinen Technik-Bruder von Peugeot, sowie den Renault Scenic E-Tech Electric und den VW ID.4. Einzig der Skoda Enyaq bietet mit 585 Litern im direkten Umfeld mehr.
Wenn man die Rückbank des Grandland Electric umlegt, lässt sich das Stauvolumen auf 1.645 Liter erhöhen. Auch das ist ein sehr guter Wert. Der Kofferraum ist angenehm gerade geschnitten und sein Boden kann auf zwei Ebenen angebracht werden, wodurch bei Bedarf auch höhere Gegenstände transportiert werden können. Die niedrige Ladekante erleichtert das Beladen.
Fazit
Mit dem Grandland Electric hat Opel ein gut gemachtes und komfortables Kompakt-SUV im Programm. Das angenehme Fahrverhalten, sein sparsamer Antriebsstrang und das gute Platzangebot sprechen zwar für ihn, insgesamt fehlt es dem Stromer aber an herausragenden Stärken oder einem gewissen Preisvorteil, um in dem hart umkämpften C-Segment ganz vorne mitspielen zu können. Die überfällige 98-kWh-Batterie könnte seine Chancen dank 700 Kilometern WLTP-Reichweite verbessern, die durchschnittliche Ladeleistung mindert aber leider sein ansonsten großes Talent als Langstreckenauto.
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