CAR-Studie: Was hinter dem Auf und Ab der deutschen E-Auto-Zulassungen steckt
Das Center Automotive Research (CAR) hat in Kooperation mit Prof. Helena Wisbert (Ostfalia) und der European Climate Foundation (ECF) eine Studie vorgelegt, die den Titel „Elektromobilität am Wendepunkt – Notwendige Entwicklungen bis Ende 2025 zur Wiederherstellung einer positiven Perspektive“ trägt. Die Analyse soll allen voran den Stand der Elektromobilität im Jahr 2025 einordnen, zentrale Akteure – Industrie, Politik und Verbraucher – in ihrer Rolle betrachten und aktuelle Herausforderungen („wirtschaftlich, technologisch und regulatorisch“) benennen.
Ansatzpunkt der Studie ist die Ausgangslage in Deutschland: Nach Jahren des Wachstums kam es hierzulande 2024 zu einem deutlichen Rückgang bei den Zulassungen Batterie-elektrischer Pkw (BEV) – laut den Studienautoren ausgelöst durch „das Ende staatlicher Kaufprämien, hohe Preise und eine unzureichende Ladeinfrastruktur“. Seit Anfang 2025 ist jedoch wieder ein Aufwärtstrend erkennbar (im Juni und Juli kratzten die Neuzulassungen beispielsweise an der 50.000er-Marke), was die Studienmacher zum Anlass für eine Analyse machen, „um Chancen und Herausforderungen der Elektromobilität im Jahr 2025 fundiert zu bewerten und Handlungsoptionen für Industrie, Politik und Verbraucher aufzuzeigen“.
Methodisch basiert die Studie auf einer Auswertung aktueller primärer und sekundärer Quellen mit Stand April 2025 („darunter Geschäftsberichte, Branchenanalysen, politische Strategiepapiere, wissenschaftliche Studien und Medienberichte“). Vertieft haben die Initiatoren die Untersuchung durch eine Fallstudie zu Volkswagen. Abschließend leitet das Team Erfolgsfaktoren und Maßnahmen ab.
Bei der Marktdynamik nimmt die Studie eine Differenzierung zwischen Privat- und Gewerbenachfrage vor – und zoomt allen voran auf Erstere. Denn: „Die Marktdynamik wird derzeit noch stark durch gewerbliche Zulassungen getragen, doch auf lange Sicht ist der Privatmarkt entscheidend. Hier bestimmen vor allem Preis und Betriebskosten über den Kauf – nicht Ideologie.“
In ihrer Analyse festgestellt haben die Autoren denn auch, dass der Rückschlag in Deutschland nach dem abrupten Förderstopp Ende 2023 weitreichender ausfiel als bislang angenommen: Die privaten BEV-Neuzulassungen sanken 2024 demnach um fast 50 Prozent – trotz massiver Herstellerrabatte. Erst im weiteren Verlauf habe sich die Nachfrage durch starke Rabatte und neue Leasingmodelle stabilisiert, was die Autoren als „ein klares Zeichen für die hohe Preissensitivität der Konsumenten“ interpretieren. Das Vertrauen in die Elektromobilität an sich bleibe jedoch fragil.
Auch als die staatliche Förderung noch bestand, ging sie aus Sicht der Studienmacher teils am Bedarf vorbei: Die Förderung habe ausgerechnet jene Zielgruppe zurückgelassen, die für eine flächendeckende Mobilitätswende entscheidend ist: preissensitive Haushalte, sagt Studienautorin Beatrix Keim (CAR). „Förderungen wirken im unteren Preissegment dreimal so stark wie bei Premiummodellen.“ Doch ohne gezielte Anreize bleibe E-Mobilität ein Nischenthema.
Auch beim Verbrauchervertrauen haben die Verfasser des Papiers ein Defizit ausgemacht: „70 Prozent der Deutschen haben noch nie ein Elektroauto genutzt – fehlende Erfahrung schafft Unsicherheit.“ Die Studie empfiehlt daher Testprogramme, niedrigschwellige Sharing-Angebote und Flottenlösungen.
Zur Einordnung der Lage in Deutschland weitet die Analyse auch den Blick auf andere europäische Länder und evaluiert, inwiefern Modelle aus anderen Ländern auf Deutschland übertragbar wären. Außerdem liefert sie eine SWOT-Untersuchung zur strategischen Positionierung der Volkswagen AG für einen „vertieften Einblick in die Strategien eines Schlüsselakteurs“. Und analysiert die Wettbewerbssituation am Beispiel chinesische Wettbewerber und Stellantis. Die Kernaussagen der Studie lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Politisch getriebener Markt: Kaufentscheidungen bei E-Autos hängen in Deutschland weniger von Technologie oder Klimabewusstsein ab, sondern maßgeblich von Förderpolitik. Gezielte Fördermassnahmen für einkommensschwächere Käufer wären deutlich wirksamer als pauschale Prämien.
- Druck auf etablierte Hersteller: Am Beispiel Volkswagen zeigt sich, wie tiefgreifend die Krise ist: In Q1/2025 brach der Gewinn der Pkw-Sparte um 85 % ein. Ursachen sind unter anderem CO2-Rückstellungen, Marktverluste in China, drohende US-Zölle und strukturelle Schwächen in der Software.
- Chinesische Anbieter auf dem Vormarsch: Marken wie BYD oder Geely skalieren schnell, agieren digitaler und preislich aggressiver. Europäische Hersteller verlieren an Wettbewerbsfähigkeit – auch durch bürokratische Hürden und uneinheitliche Regulierungen. Strafzölle auf chinesische E-Autos treffen paradoxerweise auch europäische Joint Ventures.
An Politik und Industrie senden die Autoren die Botschaft, dass die Automobilindustrie ihre internationale Führungsrolle ohne Kurskorrektur dauerhaft zu verlieren drohe. 2025 steht die Elektromobilität in Deutschland aus ihrer Sicht vor einer kritischen Phase. „Ohne entschlossenes Handeln droht der Rückstand gegenüber internationalen Spitzenreitern im Batterie-, Fahrzeug- und Infrastrukturaufbau weiter zu wachsen. Nur durch ein stringentes Paket aus finanziellen Anreizen, Infrastrukturinvestitionen, Informations- und Kommunikationsmaßnahmen, industriepolitischen Förderprogrammen sowie Strategien zur Fachkräftesicherung kann Deutschland mittelfristig seine Position als Leitmarkt behaupten und europäischen sowie globalen Wettbewerb gestalten“, so der Aufruf der Studienmacher.
Internationale Beispiele können in ihren Augen aufzeigen, wie konsequente Industriepolitik Märkte schaffen kann. Die schleppende Transformation in Deutschland sei kein Zufall, sondern Folge jahrelanger Zögerlichkeit. Außerdem bemängeln die Autoren, dass die gesellschaftliche Kommunikation lange zu technokratisch geblieben sei und es versäumt wurde, die Mobilitätswende als existenzielle Zukunftsfrage zu vermitteln – „nicht nur für den Wohlstand, sondern auch im Kampf gegen den Klimawandel.“ Als konkrete Handlungsempfehlungen nennen sie folgende Maßnahmen.
- Sozial zielgerichtete Förderung von E-Autos
- Beschleunigter Ausbau der Ladeinfrastruktur
- Förderung günstiger Einstiegsmodelle (< 25.000 €)
- Lokalisierung von Produktion zur Risikoabsicherung
- Vertrauensstiftende Kommunikation auf EU-Ebene
- Strategische Investitionen in die Batterieindustrie
car-future.com (Zusammenfassung, PDF), car-future.com (komplette Studie, PDF)
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