Finnlands Staat hat ab sofort das Sagen bei Valmet und Ioncor

Der finnische Staat wird Mehrheitseigentümer beim einheimischen Zulieferer und Auftragsproduzent Valmet Automotive. Auch das 2024 ausgegliederte Batteriegeschäft von Valmet geht zu 70 Prozent in den Besitz der staatseigenen Finnish Minerals Group (FMG) über. Als Grund der Teilverstaatlichung wird die „geopolitische Lage“ genannt.

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Bild: Valmet Automotive

Finnland teilt sich eine 1.300 Kilometer lange Grenze mit Russland und fühlt sich durch den Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine besonders bedroht. Das Land unternimmt deshalb schon länger Vorkehrungen, um für den Fall der Fälle verteidigungsfähig zu sein. Dazu sollen auch einheimische Unternehmen ihren Beitrag leisten. Bei Valmet Automotive führt dies nun zu einer Teilverstaatlichung, um das Know-how des Zulieferers und Auftragsfertigers über die Autoindustrie hinaus für andere Branchen nutzbar zu machen – etwa für den finnischen Verteidigungssektor. „Angesichts der veränderten geopolitischen Lage wird die besondere Expertise von Valmet Automotive in der industriellen Serienproduktion ganz Finnland zugutekommen“, heißt es in einer begleitenden Mitteilung.

Der finnische Staat wird vor diesem Hintergrund Mehrheitseigentümer bei Valmet Automotive Plc. Der Staat und die Pontos Group haben dazu 20,6 Prozent der Anteile an Valmet Automotive von CATL erworben. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart. Gleichzeitig geht das bisherige Eigentum der Finnish Industry Investment Ltd (Tesi) in den direkten Staatsbesitz über. Dadurch wird der Staat künftig 79 Prozent und die Pontos Group 21 Prozent an Valmet halten. Darüber hinaus geben beide Seiten bekannt, rund 37,5 Millionen Euro an neuem Kapital in Valmet investieren zu wollen.

Auch das 2024 unter dem Namen Ioncor ausgegliederte Batteriegeschäft von Valmet wird teilverstaatlicht. Dazu haben der Staat, die Varma Mutual Pension Insurance Company und die Pontos Group gemeinsam die bisherigen Anteile von Valmet Automotive an Ioncor erworben. Auch hier ist über den Kaufpreis nichts bekannt. Nach Abschluss der Transaktion wird Ioncor zu 70 Prozent im Besitz der staatlichen Finnish Minerals Group sein. Den restlichen Besitz teilen sich Varma (16 %) und Pontos (14 %). Und auch bei Ioncor verpflichtet sich der Staat, rund 20 Millionen Euro an neuem Kapital zu investieren. Als Kerngeschäft des Unternehmens gilt die Montage von Batteriesystemen.

Staats-Einstieg wurde lange vorbereitet

Vorbereitet wurde der Einstieg des Staats bei dem finnischen Zulieferer schon über Monate: So leitete Valmet Automotive nach eigenen Angaben 2024 zunächst eine strategische Überprüfung ein, „um die Unabhängigkeit seiner Geschäftsbereiche zu stärken und das Auftragsfertigungsgeschäft auf neue Branchen auszuweiten“. Der Abschwung in der europäischen Automobilindustrie habe daraufhin angehalten, und die Elektrifizierung des Verkehrs sei langsamer vorangeschritten als erwartet. Laut Valmet der richtige Moment für die nun vollzogene strategische Expansion: „Das Unternehmen wird seine jahrzehntelange, fundierte Expertise in der industriellen Serienproduktion künftig einer Vielzahl von Branchen anbieten, darunter auch der Auftragsfertigung von Rüstungsgütern.“

Schon vergangenes Jahr beschloss Valmet, seine drei Geschäftsbereiche unabhängiger voneinander zu gestalten: In diesem Zuge entstand Ioncor als eigenständige Tochter für das Batteriesystemgeschäft, nebst dem klassischen Auftragsfertigungsgeschäft der Muttergesellschaft und RKS (Roof & Kinematic Systems), das sich auf Dach- und Kinematiksysteme konzentriert und in Polen und Deutschland tätig ist. Die Geschäftstätigkeit von RKS soll übrigens von den neuen Eigentumsverhältnissen unberührt bleiben. Auch heißt es, dass Valmet Automotive-CEO Pasi Rannus weiterhin seine Position bekleidet.

„Wir gehen einen völlig neuen Schritt in der 60-jährigen Geschichte von Valmet Automotive“, wird Rannus denn auch zitiert. „Unsere für finnische Verhältnisse einzigartige Expertise in der industriellen Serienproduktion bildet eine starke Grundlage für diese Expansion. Dies wird unserem Geschäft neue Säulen verleihen und gleichzeitig mehr inländische Produktionskapazitäten in Finnland schaffen, beispielsweise für den Bedarf des Verteidigungssektors und die Versorgungssicherheit. Ich freue mich besonders, dass die besondere Expertise in der industriellen Serienproduktion nun in Finnland verbleibt.“

Ioncor soll unterdessen nun „integraler Bestandteil der finnischen Batterie-Wertschöpfungskette“ werden und das Beteiligungsportfolio der staatlichen Finnish Minerals Group (FMG) stärken – „insbesondere in den nachgelagerten Bereichen der Wertschöpfungskette in den Bereichen Forschung und Entwicklung sowie Produktion von Batteriesystemen“, wie es heißt. CEO des Batterieunternehmens bleibt Roberts Abele.

„Das strategische Ziel von FMG ist es, eine verantwortungsvolle Batterie-Wertschöpfungskette in Finnland aufzubauen und die Schaffung einer neuen Industrie und neuen Know-hows im Land voranzutreiben“, erläutert Matti Hietanen, CEO von FMG. „Ioncor passt perfekt zu unserer besonderen Mission und Strategie, da Batterieentwicklung und Batteriesystemfertigung eine wesentliche Ergänzung unseres Portfolios in der nachgelagerten inländischen Batterie-Wertschöpfungskette darstellen.“ Zurzeit entwickelt und fertigt Ioncor Batterielösungen für Busse, Lkw, weitere Nutzfahrzeuge und die Automobilindustrie. Das Unternehmen beschäftigt nach eigenen Angaben rund 1.000 Mitarbeiter in Finnland (in Salo und Uusikaupunki) sowie Deutschland (Kirchardt).

Vertrag mit Porsche aufgelöst

Für bisherige Kunden von Ioncor hat die Teilverstaatlichung spürbare Folgen. So muss sich Porsche für die geplante Batterie-Lieferkette des kommenden Sportwagens 718 etwas Neues einfallen lassen. Denn nicht nur der bisher vorgesehene Zell-Lieferant Northvolt ist insolvent. Die Montage der Batteriepacks sollte eigentlich bei der Valmet-Tochter erfolgen, die dafür in Kirchardt, in der Nähe von Heilbronn, extra eine Produktionsstätte aufgebaut hat.

Bereits vergangene Woche berichtete jedoch die „Automobilwoche“ unter Berufung auf Insider, dass Porsche den Vertrag mit Valmet aufgelöst habe. Ein Zusammenhang mit der nun bekanntgewordenen Teilverstaatlichung ist zwar nicht bestätigt, aber wahrscheinlich. Die Fabrik in Kirchardt hatten die Finnen 2023 eröffnet und sollten dort die Batteriepacks für die Porsche-Produktion in Stuttgart herstellen. Der Markstart des Elektro-Cayman und Elektro-Boxster verzögert sich aber auf frühestens 2027 statt wie geplant in diesem Jahr zu erfolgen. Aktuell wird außer einer Kleinserie von Plug-in-Hybrid-Batterien für Lamborghini in Kirchardt kein weiteres Produkt gefertigt.

Die staatseigene Finnish Minerals Group als neue Mehrheitseignerin von Ioncor baut derweil zusammen mit dem chinesischen Partner Beijing Easpring Material Technology eine Kathodenmaterial-Fabrik in der südfinnischen Hafenstadt Kotka. Das Investitionsvolumen soll sich auf rund 800 Millionen Euro belaufen. die Aufnahme der kommerziellen Produktion ist für 2027 vorgesehen.

valmet-automotive.com, mineralsgroup.fi, ioncor-batteries.com

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