Wie Ladesäulen von Einzelhändlern abends und nachts Dritten nutzen könnten

Ladeinfrastruktur an Supermärkten stehen den Kunden während des Einkaufs zur Verfügung. Aber wie wäre es, sie außerhalb der Öffnungszeiten für gewerbliche Nutzer zu öffnen? Ein Forscher-Team hat erörtert, wie groß das Potential einer solchen Mehrfachnutzung wäre – am Beispiel Berlins.

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Bild: RLI/Pinja Saarela

Im Projekt Retail4Multi-Use haben sich Wissenschaftler des Reiner Lemoine Instituts (RLI) und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) intensiv mit Mehrfachnutzungskonzepten für die E-Mobilität beschäftigt. Mit Blick auf Berlin könnte die Nutzung der Lader an Einzelhandels-Standorten außerhalb der Öffnungszeiten „den Ausbaubedarf für Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum um bis zu 17 Prozent reduzieren“, teilen die Projektverantwortlichen mit. Gleichzeitig werde die Wirtschaftlichkeit vorhandener Ladepunkte um bis zu 255 Prozent gesteigert. Sprich: Bestands-Lader werden besser ausgelastet.

Retail4Multi-Use demonstriert aus Sicht der Initiatoren allen voran, wie vorhandene Flächen in Quartieren möglichst effizient und gemeinschaftlich genutzt werden können. „Wenn Stellplätze und Ladepunkte verschiedenen Nutzergruppen offenstehen, kann der Bedarf an neuen Lademöglichkeiten im öffentlichen Raum verringert werden“, vergegenwärtigt das Projektteam. Eine solche geteilte Nutzung unterstütze eine nachhaltige, sozial ausgewogene und zukunftsorientierte Stadtentwicklung.

Laut den Forschern soll künftig eine neue digitale „Matching-Plattform“ helfen, Ladepartnerschaften zur Mehrfachnutzung zu vermitteln. Gemeinsam mit Projektpartner Localiser RLI sei eine solche Plattform entwickelt worden. Live gehen soll diese noch in diesem Quartal. „Interessierte Akteure für Partnerschaften konnten bereits während des Projekts ermittelt werden“, heißt es in einer begleitenden Mitteilung. Und: Eine erste Ladekooperation zwischen den Berliner Wasserbetrieben und dem Energieversorger Vattenfall auf einem Parkplatz des Handelsunternehmens Netto ist bereits in Vorbereitung.

Berlin ist ohnehin Dreh- und Angelpunkt des Projekts, auch wenn laut RLI und DLR die Ergebnisse über die deutsche Hauptstadt hinaus für andere urbane Zentren nutzbar sind. Mit Blick auf Berlin zeigen die Kalkulationen der Projektpartner, dass bis 2045 voraussichtlich rund 330.000 Ladepunkte benötigt werden, um rund 1,4 Millionen elektrische Pkw und leichte Nutzfahrzeuge in der Stadt zu versorgen. Dies sei eine Verzehnfachung des Status Quo. Eine bessere Nutzung bestehender Ladeinfrastrukturen könne daher den Ausbau entlasten. „Das Potenzial an Ladeereignissen, das auf Ladeinfrastruktur an Einzelhandelsstandorten verschoben werden kann, beträgt in Berlin für das Jahr 2035 bis zu 3.500 MWh wöchentlich. Das entspricht dem Energiebedarf von knapp 45.000 Haushalten im gleichen Zeitraum“, so die Verantwortlichen.

Für die Ladebedarfsanalyse hat das Projektteam dabei synthetische Fahrprofile aus realen Mobilitätsdaten verwendet und die Ergebnisse mit dem vom RLI entwickelten Open-Source-Tool SimBEV und dem DLR-Tool CHARGIN simuliert.

Friederike Reisch, Leiterin des Forschungsbereichs Mobilität mit Erneuerbaren Energien am RLI, kommentiert: „Wir haben ermittelt, welche Konzepte helfen können, Ladeinfrastruktur auf Supermarktparkplätzen effizienter zu nutzen. Unsere Ergebnisse dienen besonders gewerblichen Akteuren mit Fahrzeugflotten, aber ohne ausreichend eigene Ladeinfrastruktur. Sie erleichtern die Elektrifizierung des Fuhrparks durch einen besseren Zugang zu Ladeinfrastruktur und unterstützen Betriebsabläufe.“

Jan Grippenkoven, Abteilungsleiter Verkehrsmittel beim DLR Institut für Verkehrsforschung, ergänzt: „Mit unseren Analysen und Vorhersagen zu Anforderungen und Bedarfen der beteiligten Akteure konnten wir die nötigen Grundlagen für die Identifikation von Effizienzen bei Berlins wichtigem Ladeinfrastrukturaufbau beisteuern.“

Das Forschungsprojekt zahlt auf die Maßnahme 52 des Masterplans Ladeinfrastruktur II des Bundesministeriums für Verkehr ein, die die Erprobung und Umsetzung von Mehrfachnutzungskonzepten für Ladeinfrastruktur vorsieht. Die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur begleitete das Projekt im Rahmen von Stakeholder-Workshops. Außerdem wird Retail4Multi-Use im Rahmen der Förderrichtlinie Elektromobilität mit knapp 1,7 Millionen Euro durch das Verkehrsministerium gefördert.

reiner-lemoine-institut.de, nationale-leitstelle.de

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