Transparenz-Offensive: Wie die EnBW den kWh-Tarif einführt

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Neue Tarife im wachsenden Ladenetz der EnBW bringen die Abrechnung nach Verbrauch in die Fläche. Welchen Weg der baden-württembergische Versorger in Bezug auf die Eichrechtskonformität geht, hat Christoph M. Schwarzer recherchiert. Dabei geht es auch um neue Ehrlichkeit in der Elektromobilität. 

* * *

Eigentlich ist alles ganz einfach: Dieselkraftstoff kostet 1,26 Euro pro Liter und Superbenzin 1,37 Euro. Das kann jeder sehen, der sich einer Tankstelle nähert. So ähnlich wünschen es sich die Fahrer von Batterie-elektrischen Autos – nur vielleicht nicht mit den urzeitlich wirkenden Anzeigetafeln, sondern digital. Ein Preis pro Kilowattstunde Strom, das wäre es doch. Stattdessen müssen sich die Nutzer der Elektroautos besonders an schnellen DC-Säulen häufig mit Pauschalen auseinandersetzen. Der Versorger EnBW hat das geändert und rechnet seit 1. März nach Kilowattstunden ab, der einzig sinnvollen Einheit für den Verkauf von Strom. Transparent und nachvollziehbar.

Eine Kilowattstunde (kWh) kostet an den AC-Säulen der EnBW 39 Cent und an den DC-Säulen 49 Cent. Im Vielfahrer-Tarif (4,99 Euro Grundgebühr ab dem vierten Vertragsmonat) zahlt man 29 (AC) und 39 (DC) Cent. „Unsere Motivation für die Einführung dieses Modell waren die Rückmeldungen der Kunden“, erklärt dazu Marc Burgstahler, Leiter Elektromobilität bei der EnBW. Der Wunsch der Fahrzeughalter: „Das bezahlen, was man verbraucht.“

Gerade an den DC-Säulen mit hohen Ladeleistungen bekommt die Abrechnungsmethode nach kWh eine große Bedeutung: Wer auf der Autobahn von A nach B fährt, will in möglichst kurzer Zeit genug Strom in der Batterie haben, um zum Ziel zu kommen. Es ist nur logisch, wenn ein Kunde lediglich die zwingend notwendige und nicht die größtmögliche Energiemenge nachladen möchte. Die zurzeit häufigen Pauschalen widersprechen diesem Gedanken. Zugleich fördern sie eine hohe Verweildauer, die zumindest an DC-Säulen nicht erstrebenswert ist – am liebsten möchte man schließlich für das einmalig gezahlte Geld so viele kWh haben, wie die Batterie fassen kann.

Prozesskette muss abgesichert sein

Der Hintergrund der aktuell besonders verbreiteten Tarifmodelle, die gerne als Wirrwarr oder Dschungel bezeichnet werden, ist die nicht vorhandene Eichrechtskonformität der Ladesäulen. Neben der korrekten Zählung der Kilowattstunden gehört zur Eichrechtskonformität die Absicherung der Prozesskette, also zum Beispiel die Speicherung der Daten sowie die Zuordnung zu einem Nutzer. Übersetzt: Weil die Betreiber aus technischen Gründen gar nicht korrekt im Sinn des Gesetzgebers abrechnen konnten, mussten sie vorübergehend zu Verrenkungen wie den Pauschalen oder gar dem Verschenken des Stroms greifen.

Zuständig für die Konformitätsbewertung der AC- und DC-Säulen ist die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig. Hier gehen immer mehr Anträge ein, wobei sowohl neue Ladesäulen als auch Nachrüstlösungen für den Bestand eine Freigabe erhalten können.

Im Fall der EnBW bedeutet das zum Beispiel, dass die älteren AC-Säulen der Konzernmarke SMIGHT im Feld bald nachgerüstet werden sollen. Die aktuelle Generation 3.2 ist als eichrechtskonform zertifiziert, und die EnBW hofft darauf, dass der Nachfolger 4.0 ebenfalls zügig eine Freigabe erhält. DC-seitig wird es ein paar Monate länger dauern: Es gibt mit Isabellenhütte, deren Kooperation mit Innogy und Porsche faktisch erst zwei fertiggestellte Systeme. Etliche andere werden 2019 folgen.

Nachrüsten, sobald die Hersteller liefern können

„Hinsichtlich eichrechtskonformer Lösungen unternehmen wir alles Denkbare um schnellstmöglich eine flächendeckende Implementierung zu erreichen. Wir erwarten von unseren Lieferanten, dass Sie zeitnah entsprechende Lösungen bereitstellen, damit wir bis spätestens Ende 2020 alle Standorte ertüchtigt haben“, sagt Marc Burgstahler von der EnBW. Das ist besonders angesichts der 1.000 erwarteten DC-Ladestandorte ehrgeizig. Zugleich ist diese Zusage aber die Voraussetzung für die zuständigen Behörden, dass die derzeitige Übergangslösung geduldet wird.

Vereinfacht gesagt nimmt es die Eichrechtsdirektion Baden-Württemberg hin, dass vorübergehend nicht überall eichrechtskonform gemessen wird. Das ist für den Endkunden wahrscheinlich kein Schaden: Die Zähler in den Säulen entsprechen den Vorgaben, lediglich die Prozesskette ist nicht gesetzeskonform oder nicht zertifiziert. So genannte Messwertkapseln oder Speicher- und Anzeigemodule werden Abhilfe schaffen.

„Im Sinne bundesweiter Einheitlichkeit wäre es wünschenswert, wenn alle Landeseichbehörden bis zur Nachrüstung eine kWh-Abrechnung auch ohne konformitätsbewertetes Messgerät akzeptieren“, sagt dazu Dr. Katharina Boesche, Leiterin der Fachgruppe Recht im Technologieprogramm IKT für Elektromobilität. Die Rechtsanwältin ergänzt: „Es dient dem Verbraucher und den Betreibern, da nach der hoffentlich zeitnahen Nachrüstung keine Tarifumstellung erforderlich wird“. Der Konflikt der Behörden ist offensichtlich: Sie können das bestehende Eichrecht erst durchsetzen, wenn technische Lösungen ausreichend am Markt sind. Gleichzeitig dürfen sie diejenigen nicht bestrafen, die mit Tatkraft vorangehen und bei der PTB Baumusterprüfbescheinigungen beantragen.

Unterdessen müssen alle Betreiber von Ladesäulen bis zum 31. März AC- und DC-Säulen melden, die noch nicht als eichrechtskonform bewertet sind. In einem weiteren Schritt kann davon ausgegangen werden, dass die CPOs (für Charge Point Operator) Nachrüstpläne entwickeln müssen – so, wie es die EnBW bereits getan hat.

Ökologische Lenkungswirkung

Aus der Szene gibt es durchaus Kritik an den Tarifen. Der Preis von bis zu 49 Cent pro Kilowattstunde an einer DC-Ladesäule wird von einigen Foristen als überzogen empfunden. Hohe Ladeleistungen aber sind das neue Super Plus: Schnellstrom kostet mehr, weil die Säulen und die Transformatoren teurer sind. Trotzdem ist bekannt, dass viele Anbieter erst in sieben bis 15 Jahren damit rechnen, dass sie einen echten Gewinn erzielen. In der Jetztzeit geht es darum, Kunden zu gewinnen und sich attraktive Standorte zu sichern.

Nicht vergessen werden darf in diesem Zusammenhang, dass der Strom an Ladesäulen nicht zum Gestehungspreis der Versorger verkauft werden darf – der liegt oft im einstelligen Cent-Bereich. Darauf addieren sich sämtliche Steuern, Abgaben und Umlagen, die auch im Haushalt gültig sind und die etwa vier Fünftel des Endpreises ausmachen.

Ein Abfallprodukt der absehbar höheren Preise ist auch eine ökologische Lenkungswirkung. Bei hohen Geschwindigkeiten steigt der Stromverbrauch eines Batterie-elektrischen Autos wegen des exponentiell wachsenden Luftwiderstands deutlich an. Viele Elektroautofahrer beschränken ihr Tempo freiwillig auf 130 oder weniger km/h. Darüber hinaus achten sie bei der Auswahl der Fahrzeuge auf die Aerodynamik. Ein E-SUV verbraucht erheblich mehr Strom als ein Tesla Model 3 oder ein Hyundai Ioniq, die beide extrem windschlüpfig sind und eine kleine Stirnfläche haben.

Effizienz ist die herausragende Stärke des Batterie-elektrischen Autos. Mit der Einführung von kWh-basierten Tarifen an öffentlichen Ladesäulen können die Nutzer genau diesen Vorteil besser nachvollziehen. Das ist ein Beitrag zur Ehrlichkeit.

13 Kommentare

zu „Transparenz-Offensive: Wie die EnBW den kWh-Tarif einführt“
Horst E.
17.03.2019 um 08:39
Ich kann dem nur zustimmen, kWh basierte Abrechnung muss her. Ich beschäftige mich sei Monaten mit der Thematik, habe bereits längere Probefahrten durchgeführt und habe ein gutes Grundwissen zu dieser Thematik. Aber es gibt tausende Autofahrer, die sich ein E-Auto vorstellen können, aber völlig verunsichert sind, was an den Ladesäulen auf sie zukommt. Aktuell ist es leider so, dass man erst zur nächsten Abrechnung weis, welchen Verbrauch bzw. Kosten je kWh an einer Säule X hatte. Leider ist damit das Problem mit den "Zuparkern" noch nicht gelöst. Wenn an einer Säule ein E-Auto steht, das nach 30 Minuten voll ist, der Fahrer aber noch gemütlich einkaufen geht, werden hier wertvolle "Zapfsäulen" blockiert.
notting
17.03.2019 um 15:41
Eben, eine rein kWh-basierte Abrechnung hat den Nachteil, dass die Leute kaum eine Motivation haben die Säule zügig wieder zu räumen bzw. das als günstigen Kurzzeitparkplatz missbrauchen. Wenn ein Zeitfaktor drin ist, wird zumindest langsames laden teuer, sodass man nicht die letzten % des Akkus geladen werden. Bzw. Pauschalen haben eben den Vorteil, dass es für Kurzlader nicht lohnt und gerade z. B. auf der AB wird man eh nicht drauf warten wollen, dass ganz langsam die letzten % geladen werden.Die einzig wirkl. sinnvolle Lösung mit den Zuparkern ist, den Ladevorgang so schnell zu machen wie bei Verbrennern - natürl. ohne die Akku-Lebensdauer deutl. reduzieren etc. Dann spart man auch noch bei der Wartung der Ladesäulen. Weil ...kW sind ...kW, also für's Stromnetz dahinter egal ob's nur ein Auto ist oder mehr.Außerdem kann man den aktuellen Tarif ja mit dem Smartphone nachschauen bevor man startet. Oft genug kann man ohne Smartphone den Ladevorgang nicht mal starten. Ok, direkt an der Säule wäre besser. Und haben nicht z. B. Maingau Energie sowieso Tarife, die so wie sie sie im Internet bewerben auch an anderen Ladesäulen gelten, wo deren Tarif funktioniert? (also anders als z. B. Newmotion)notting
Jay Miller
17.03.2019 um 08:50
Zur Ehrlichkeit gehört dann aber auch dazu, zuzugeben dass ein Preis von 49ct/kWh auf Benzin-Niveau und teurer als Diesel ist.
Max
18.03.2019 um 10:29
Wer hat behauptet, dass Elektromobilität ein billiger Spaß ist?
lukasz
18.03.2019 um 11:44
Das Elektromobilität billiger ist, ist der Grund dafür dass sie sich durchsetzt.
Manfred Stummer
18.03.2019 um 09:31
Auch ich meine 49 Cent/kWh ist stark überteuert! Wenn man bedenkt 1 Liter Benzin/Diesel hat einen Energiegehalt von rund 10 kWh zum Preis von etwa 1,30 Euro.Meiner Ansicht nach wäre ein Preis von maximal 30 Cent/kWh gerade noch vertretbar, gerne auch mit anschließender Parkgebühr für rücksichtslose "Ladeparker".Der Handelspreis für Strom liegt bei einigen wenigen Cent/kWh....
Christian Kaiser
18.03.2019 um 09:17
Nur, wenn man *nur* zu dem Preis lädt, was man tunlich nicht machen wird. Wenn man das nur auf Fernfahrten macht, ansonsten zuhause, ist das in Summe wieder einiges billiger als Verbrenner.Zumal kosten mich (12 kWh/100 km) 100 km genau 6 €, das ist dann auf (gutem) Dieselniveau, und ich fahre regenerativ.
Peter
18.03.2019 um 18:41
Was für eine Diskussion und wilde Rechnungen. Wenn ein E-Auto 15 kWh/100 km benötigt, dann kostet das an einer Station der EnBW max. 9,80 € dafür bekommt man dann ca. 5,6 l Diesel. Damit kann man bei normalen Gebrauch eines Golf Diesels schon mal 100 km kommen. Beim E-Auto habe ich immerhin die Möglichkeit auch zu Hause zu tanken, hat das schon mal einer mit Diesel versucht? Ich hatte in einem früheren Beitrag schon mal erwähnt, dass die Errichtung und dessen Betrieb einer Ladesäule soviel Geld kostet, dass es für die Betreiber derzeit noch nicht wirtschaftlich ist so einen Ladepunkt anzubieten und das ist bei 49 Cent/kWh immer noch schwierig.
josef
18.03.2019 um 08:47
1l Sprit hat ca. 10kWh und kostet 1,30EUR. im Preis enthalten die Verwendung von Luft/Sauerstoff und das Abführen von Giftgasen, Feinstaub, CO2 und Lärm. Hier muss der Ehrlichkeit halber angesetzt werden!
Chris
18.03.2019 um 09:16
Ich glaube, das mit der Zeit das "Parken und Laden" normal wird. Die meisten Autos stehen 90 % der Zeit und diese Zeit ist optimal zum Laden (und die Batterien können dann auch als Buffer für das Stromnetz genutzt werden) Ich nutze den ENBW Tarif zum lange Stehen - ich gebs zu. Ich hänge das Auto am Abend ans Kabel und stecke es in der Früh wieder ab. Muss aber sagen, das bei mir 4 Anschlüsse sind und in der Gegend genau 2 E-Autos (inkl. meinem) dort laden.
Armin Meissner
18.03.2019 um 09:39
Warum ist noch kein Stromlieferant auf die Idee gekommen Stromaus der GARAGE für Hybride - sep. ZÄHLER -vergünstigt anzubieten ?
Edgar Klüber
18.03.2019 um 10:40
Die RhönEnergie Fulda hat einen Tarif für Emobilisten zu Hause, nennt sich RhönStrom Mobil und dort wird auch Öffentliches laden mit 0,28 €/kWh abgerechnet
xGismo
18.03.2019 um 17:06
Für mich sind das Mondpreise und so lange ich Alternativen habe, werde ich dies nicht bezahlen und die Säulen meiden bzw. schau ich ob sie mit Partnerverträgen laufen die günstiger sind. Ich habe auch nichts gegen einer Flatrate etc. ;) Auch die Angebots pauschalen der letzten Monate waren großartig. Ich kann nicht einschätzen welche Mischkalkulation Gewinne erzeugt.

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