Schnellladegesetz: Die heikle Gratwanderung des BMVI

Mit 1.000 DC-Ladeparks will der Bund das Elektroauto endgültig massentauglich machen und auch die letzten Zweifel in Sachen Lade-Verfügbarkeit und Reichweitenangst nehmen. In Berlin wird inzwischen über den zugehörigen Entwurf des sogenannten Schnellladegesetzes diskutiert. Damit soll der Rechtsrahmen für die Ausschreibungen abgesteckt werden – doch es bleiben Fragen offen.

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Von einem „Paradigmenwechsel“ sprach Johannes Pallasch, Leiter der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur bei der bundeseigenen NOW GmbH, als die Pläne für die 1.000 DC-Ladeparks im Juni 2020 bekannt wurden. Die Zustimmung war groß, schließlich sollte nach Pallaschs Worten „das aktuelle Marktversagen“ beim Ausbau der Schnelllader überwunden werden.

Auch der Volkswagen-Konzern – über das Joint Venture Ionity selbst am Aufbau eines HPC-Netzes beteiligt – lobte die Pläne als „genau richtig“. Aber: „Noch haben wir aber nicht einmal die für Sommer angekündigte Ausschreibung gesehen, geschweige denn einen dieser Ladeparks“, kritisierte Martin Höfelmann, Leiter Politik und Kommunikation von der VW-Energie-Tochter Elli, im November.

Nun aber liegt der Referentenentwurf des Bundesverkehrsministeriums (BMVI) zum „Gesetz zur Bereitstellung flächendeckender Schnellladeinfrastruktur für reine Batterieelektrofahrzeuge“ (kurz Schnellladegesetz oder SchnellLG) vor. Und das BMVI hat es nun sehr eilig: Das Ministerium hat den Verbänden aus der Mobilitäts- und Energiebranche nur wenige Arbeitstage gegeben, um zu dem Entwurf Stellung zu nehmen – und das auch noch rund um den Jahreswechsel. Insider bestätigen gegenüber electrive.net „große Aufregung an allen Ecken und Enden“. Aber: Die Frist für die Reaktion der Verbände wurde später um einige Tage verlängert. Im Anschluss geht der Entwurf den üblichen parlamentarischen Weg, also zunächst in die Ressortabstimmung. Die hier zitierten Formulierungen sind also nicht final.

Doch warum die Aufregung nach einem halben Jahr Vorlauf? Kurz gesagt, weil in der aktuellen Fassung des Referentenentwurfs einige Passagen enthalten sind, deren Auswirkungen sich noch nicht konkret absehen lassen – aber am Ende darüber entscheiden, ob eine Investition für einen Ladepunktbetreiber attraktiv ist oder eben nicht. Und: Mit dem SchnellLG wird lediglich der Rechtsrahmen für die späteren Ausschreibungen festgelegt. Erst die Ausschreibungen selbst werden (hoffentlich) die Informationen liefern, anhand derer die Betreiber eine Entscheidung treffen können.

Zweifelhafte Ladeleistung

Zunächst zu den Grundlagen: „Mit dem Gesetz über die Bereitstellung flächendeckender Schnellladeinfrastruktur beabsichtigt die Bundesregierung den bundesweit flächendeckenden, bedarfsgerechten Aufbau von öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur für das schnelle Laden von reinen Batterieelektrofahrzeugen zu gewährleisten“, heißt es gleich zu Beginn des Entwurfs. Dabei folgt er der seit Sommer bekannten Prämisse: Der Bund legt die Regeln fest, nach denen gebaut wird. Dabei überrascht im SchnellLG-Entwurf zunächst vor allem ein Punkt: Statt von den bisher angekündigten 150 kW Ladeleistung ist nur noch von „mindestens 100 kW“ die Rede – wohlgemerkt aber bei jedem Ladepunkt. Hier sind zwei Erklärungen möglich: Zum einen kann in der Ausschreibung später ein höherer Wert festgelegt werden, in der Praxis könnte diese Untergrenze weniger von Belang sein. Zum anderen werden gegenüber dem Kunden die Säulen mit „bis zu“ 150 kW angepriesen – sind aber zum Beispiel beide Ladepunkte eines solchen Schnellladers belegt, fließen nur 75 kW. Um „mindestens“ 100 kW am Ladepunkt zu garantieren, müssten die Betreiber also Säulen mit „bis zu“ 200 kW Gesamtleistung installieren.

Doch alleine die Tatsache, dass in dem Gesetz von der bestehenden Ladesäulenverordnung abgewichen werden soll, zieht Kritik nach sich. Die Verbände, so ist aus gut informierten Kreisen zu hören, hätten es vorgezogen, wenn sich auch die Ausschreibung der Schnellladeparks an den bestehenden Gesetzen und Verordnungen orientiert – und keine eigenen Vorgaben definiert werden. Die Befürchtung ist, dass die in den Ausschreibungen formulierten Kriterien womöglich auch über die Ladesäulenverordnung hinausgehen, nicht nur bei technischen Faktoren, sondern etwa auch bei den Abrechnungsformalitäten. Umstrittene Punkte – wie etwa die Pflicht für ein Kreditkarten-Terminal – könnten so doch für diese 1.000 Ladeparks vorgeschrieben werden. Statt einer weiteren Vereinheitlichung würde es einen Flickenteppich geben.

Gleich zum Sommer ist die Prämisse, dass Unternehmen die Betreiber bleiben, jedoch einen Vertrag mit dem Bund schließen, in dem klare Qualitätsstandards und Fristen festgelegt sind. Oder wie es jetzt in dem Entwurf heißt: „Der Bund legt technische, wirtschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen der Leistungserbringung fest, die von den Auftragnehmern des Bundes mit Blick auf die Zugänglichkeit, Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit, Bedarfsgerechtigkeit oder Nutzerfreundlichkeit des Infrastrukturangebots zu beachten sind.“ Wer die Auflagen nicht erfüllt, dem kann gekündigt werden.

Rosinenpicken war gestern

Konkret sollen in den Vergabeverfahren bundesweit mindestens zehn Gebietslose gebildet werden – jedes Los ist eine Mischung aus attraktiveren und weniger frequentierten Standorten. So will der Bund ein Rosinenpicken verhindern und für ein flächendeckendes Angebot sorgen. Im Rahmen der Ausschreibung soll die zuständige Behörde dann erst die Voraussetzungen festlegen, unter denen Unternehmen „auf ein Los oder auf mehrere Lose bieten können“.

So weit, so gut. Doch der Bund will eben nicht nur bei den Standorten mitsprechen, sondern weitere Vorgaben machen: „Er bestimmt die Anzahl der Schnellladepunkte, die Ausstattung, und die Nebenanlagen, die an den Schnellladestandorten bereitgestellt werden sollen.“ Ziel ist es, dass man mit dem Elektroauto „bundesweit jeden Ort auf direktem Weg“ erreichen können soll – also keine Umwege für die Ladesäule fahren muss.

Aber: Der Bund gibt damit auch vor, wie teuer ein Standort wird. Konkret ist in dem Entwurf von einer „vorausschauenden Überdimensionierung“ die Rede – und vom Ausbau der Schnellladeinfrastruktur als öffentliche Aufgabe, „deren Ausführung durch private Betreiber erfolgen soll“. Der Bund sieht zwar eine „initiale Bereitstellung von finanziellen Mitteln für die Ermöglichung der vorausschauenden Infrastrukturbereitstellung in der Markthochlaufphase“ als seine Aufgabe. Wie sich das in der Praxis genau auf die privaten Betreiber auswirken wird, ist aber unklar.

Denn eine Förderquote – sagen wir als Beispiel 40 Prozent – ist bisher nicht vorgesehen. Damit besteht die Möglichkeit, dass sich die Gebote für eines oder mehrere der Lose vor allem in der veranschlagten Förderquote unterscheiden werden. Denkbeispiele: Interessent A will 55 Prozent der Kosten gefördert haben, Interessent B baut zum Beispiel kein Dach über die Ladeplätze, will aber nur 40 Prozent Förderung. Interessent C erfüllt alle Wünsche des Bundes und baut auch an einen bisher verwahrlosten Autobahn-Parkplatz eine hochwertige Anlage mit Waschräumen und Shop, veranschlagt aber eine Förderquote von 100 Prozent. Wie soll der Bund hier entscheiden und Steuergelder vergeben?

Es gibt zwar einige Unternehmen, die bereits heute vorausschauend stark in den Ausbau der Ladeinfrastruktur investieren. Aber diese Gelder – aller Investition in die Zukunft zum Trotz – fließen im Rahmen einer betriebswirtschaftlichen Kalkulation. An einem Standort werden womöglich vorerst nur zwei oder vier Ladepunkte errichtet und erst später mit steigender Nachfrage (und steigenden Einnahmen) um weitere Säulen erweitert. Wenn der Bund planerisch zu hohe Vorgaben macht, kann das Paket auch trotz initialer Förderung am Ende nicht attraktiv sein – und die Investition oder zumindest das Gebot und der Wettbewerb bei der Ausschreibung bleiben womöglich aus. Auch hier kommt es wieder auf die konkrete Ausschreibung an.

Staatliche Mitsprache in allen Belangen

Der große Haken aus Sicht der Betreiber: Der Bund will auch bei den Preisen mitreden. „Kosteninduzierte Einzelpreisänderungen können ausgeschlossen werden“, so der Entwurf. „Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere negative Auswirkungen auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.“ Der Endnutzer mag das unterstützen – ein Unternehmen, das auf Vorgabe des Bundes mehr Ladepunkte und Nebeneinrichtungen gebaut hat als die eigene Planung vorgesehen hat, sieht das wohl etwas anders. Natürlich kann der Bund eine Preisobergrenze festlegen, die Unternehmen werden das aber in die Gesamtkalkulation einrechnen – und in ihrem Angebot etwa mehr Förderung (also Steuergelder) verlangen.

Dass sich nicht an allen Standorten Geld verdienen lässt, ist dabei auch dem Bund klar. Es sei davon auszugehen, dass lediglich einzelne Standorte, insbesondere an Bundesautobahnen aufgrund ihrer günstigen Lage und der mittelfristig zu erwartenden Nachfrage in absehbarer Zeit wirtschaftlich betrieben werden könnten. „Eine erhebliche Anzahl von Standorten wird dagegen auch langfristig in der notwendigen Dimensionierung unwirtschaftlich bleiben. Auch letztere sind allerdings für die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung von Bedeutung und ihre Abdeckung letztlich mit ausschlaggebend für die Entscheidung ein reines Batterieelektrofahrzeug zu kaufen.“

Auch wenn es in dem Entwurf nicht explizit klargestellt wird, ist mit dem „Batterieelektrofahrzeug“ vor allem der Pkw gemeint. Dass für Kunden beim (Elektro-)Autokauf aber nicht nur Reichweite und die generelle Verfügbarkeit einer Lademöglichkeit zählen, ist eigentlich bekannt. Zumindest in dem Gesetzesentwurf wird darauf aber nicht eingegangen, das wird wohl erst in den „technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen“ geregelt – also etwa wie attraktiv es für einen Nutzer ist, einen solchen Ladepark auch mit einem Anhänger, E-Transporter oder E-Wohnmobil anzufahren.

An einer Stelle sichert der Bund den Betreibern immerhin weitere Unterstützung zu: „Muss ein Netzanschluss verstärkt oder neu hergestellt werden, kann der Bund die dafür anfallenden Kosten ganz oder teilweise übernehmen.“ Von den Betreibern wird das sehr positiv gesehen. Im Aufbau eines Schnelllade-Standorts ergibt es Sinn, gleich zu Beginn den Netzanschluss auf den Bedarf der finalen Ausbaustufe auszulegen – hier entstehen aber im Bau und Betrieb sehr hohe Kosten, auch wenn zunächst nur eine kleiner Teil des verfügbaren Netzanschlusses genutzt wird.

Der Netzanschluss kann auch dann wichtig werden, wenn an einem Standort bereits andere Ladeinfrastruktur vorhanden ist. Diesen „Bestandsinfrastrukturanbietern“ widmet der Entwurf einen ganzen Paragraphen. Kurz gesagt: Sorgt der neue Ladepark beim bestehenden für „wirtschaftlich unzumutbare Belastungen“, hat dieser das Recht, seine Schnelllader und Verträge der zuständigen Behörde „gegen Bezahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung“ zu verkaufen. Besteht die wirtschaftliche Unzumutbarkeit nicht, kann er verkaufen, es gibt aber keinen Anspruch darauf. Was bei einem womöglich schon zuvor defizitären Standort nun eine wirtschaftlich unzumutbare Belastung ist oder nicht und was eine „wirtschaftlich angemessene Vergütung“ ist, werden dann wohl Anwälte und Gerichte klären müssen.

Hinzu kommt, dass diese Regelung mit dem Standort etwa an einer Autobahn-Raststätte noch einfach zu klären ist. Auch wenn sie vermutlich in den Losen enthalten sein werden, geht der Entwurf nicht auf den Stellenwert von urbanem Schnellladen ein. Denn hier können sich ganz andere Folgen durch einen der neuen, geförderten Ladeparks ergeben. An einer Raststätte ist es recht klar, dass zwei oder vier bestehende Ladesäulen auf dem Gelände vermutlich weniger attraktiv werden, wenn 50 Meter weiter einer der geförderten Ladeparks mit Dach und womöglich staatlich gedeckelten Preisen entsteht. Hier ähnelt das Laden dem Tanken.

In der Stadt ist die Lage aber anders: Dort geht es nicht nur um den exakten Standort, sondern auch Bestandsinfrastruktur in enger räumlicher Nähe. Baut ein Ladepunktbetreiber auf eigene Faust ein urbanes Schnellladehub – egal ob es ein „klassischer“ Ladepunktbetreiber, ein Mineralölunternehmen mit seinen Tankstellen oder etwa ein Supermarkt oder Baumarkt mit Schnellladesäulen auf seinem Parkplatz ist – kann diese Infrastruktur durch einen der neuen Ladeparks in der Nähe leiden. Bis das geklärt ist, wird wohl das ein oder andere Projekt, das sonst entstanden wäre, vorerst verzögert.

Immerhin in einem Punkt wird der Bund sehr klar. Das Kapitel „C. Alternativen“ besteht aus einem Wort: „Keine.“

3 Kommentare

zu „Schnellladegesetz: Die heikle Gratwanderung des BMVI“
Eva-Maria Müller
11.01.2021 um 06:25
Das wird der nächste Hauptstadtflughafen. Ein Superauftrag für Juristen dazu.
H. Ebel
11.01.2021 um 11:52
Hoffentlich haben sich die Akteure auch Gedanken darüber gemacht, wie Lademöglichkeiten für Laternenparker geschaffen werden sollen. Gerade in Innenstädten oder großen Wohngebieten sehe ich hier noch schwarz. Außerdem gibt es vor allem in den östlichen Bundesländern eine ganze Reihe auch größerer Garagengemeinschaften, die der Einfachheit halber zumindest mit einer 360V-Steckdose ausgestattet werden sollten, damit Garagenbesitzer hier ihre Autos aufladen können (11kW über Nacht reichen völlig aus). Das führt nicht zuletzt auch dazu, dass Autos öfter in der Garage verschwinden.
Rene
11.01.2021 um 21:36
Nur leider sind diese Gargengemeinschaften sehr schlecht mit einer entsprechenden Stromleistung ausgelegt. Bei uns in der Garagengemeinschaft kann ich noch nicht mal einen 2000 Watt Staubsager anstecken weil es die Leitung nicht hergibt und das war früher auch nicht nötig.Damals reichte es wenn man Licht in der Garage hatte und das waren max. 60 Watt es muss also auch der Ausbau,der Anschluss und Leistungsinfrastruktur in den Garagengemeinschaften massiv ausgebaut und gefördert werden. Ein Lademanagemanet kann Lastspitzen kappen.Heute hat eine Garagengemeinschaft mit 100 Garagen einen ca. 50kwh Anschluss für alle Garagen, nötig wären zukünftig wenigstens 500kwh also eine Verzehnfachung und selbst dann muss mit Lademanagement eingegriffen werden.

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