Emissionsfrei durch Berlin: Briefe und Lebensmittel per E-Cargobike

E-Lastenräder werden im gewerblichen Flotteneinsatz beliebter. Mit der PIN AG und Urban Cargo setzen gleich zwei Berliner Lieferdienste bei ihren Zustellungen in der Bundeshauptstadt auf verschiedene Transportermodelle – teils mit Tretunterstützung, teils mit vollwertigem E-Antrieb. Wir stellen die Firmen und ihre Erfahrungen mit E-Cargobikes und Co. vor.

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Als privater Briefdienstleister definiert sich die PIN AG aus Berlin bereits seit ihrer Gründung 1999 über „grüne Logistik“, also die CO2-neutrale Zustellung von Postsendungen. Das nach dem Umweltmanagementsystem DIN ISO 14001:2015 zertifizierte Unternehmen verfügt in der Hauptstadt über 19 eigene Logistikdepots und über 500 Briefkastenstandorte. Das Leistungsspektrum umfasst die tägliche Abholung und Zustellung von Briefsendungen. Im eigenen Sortierzentrum bearbeiten die Mitarbeiter im Tagesschnitt rund 750.000 Sendungen.

In Berlin erfolgt die Briefzustellung an sechs Tagen in der Woche ausschließlich mit Lastenfahrrädern. Von den rund 800 in der Flotte befindlichen Rädern sind inzwischen etwas mehr als 200 mit dem E-Bike-Umbausatz des Nachrüsters Pendix aus Zwickau unterwegs. „Wir haben Akkus und Motoren lange und intensiv getestet und für unsere Zwecke als gut befunden“, sagt Bernd Fricke, COO und CFO bei der PIN AG. Schließlich müssten die Zusteller auf ihren knapp bis zu 25 Kilometer langen Touren in zumeist flacher Topografie häufig stoppen und wieder anfahren, was Akkuleistung kostet. „Die von den Herstellern angegebene Kilometer-Reichweite stimmt zwar für den privaten Gebrauch, nicht aber für unseren Stop-and-go-Betrieb“, führt Fricke aus. Dazu kommt, dass die E-Antriebe von Rädern bislang noch nicht über den Bremsvorgang Energie zurückgewinnen, sprich rekuperieren.

Wer will, kann bei der PIN AG elektrisch unterstützt fahren. Jeder Mitarbeiter ab dem 55. Lebensjahr hat sogar ein Recht darauf, sein Lastenrad zum Pedelec umrüsten zu lassen. Damit will das Unternehmen erreichen, dass die älteren Zusteller im Unternehmen bleiben, weiterhin ihre Touren schaffen und bis zum Renteneintritt arbeiten können.

In der Zustellung kommen zudem dreirädrige Pedelecs sowie dreirädrige Trikes zum Einsatz. Erstere haben eine elektrische Tretunterstützung an Bord, Letztere sind ohne Pedale komplett elektrisch angetrieben. Einige Mitarbeiter ziehen ihre Runden zudem mit Paxster-Exemplaren, die eine gewisse Ähnlichkeit mit Golfcaddys aufweisen und sich vor allem für weitere Strecken sowie mehr Ladung eignen. Insgesamt umfasst die PIN-Flotte 34 dieser Sonderfahrzeuge. Für die Zustellung in den zum Teil engen Wochenendhäuser-Kolonien ist das Unternehmen noch auf der Suche nach einer Alternative mit E-Antrieb. Hier wird die Post bislang noch mit Mopeds mit Verbrennermotor ausgeliefert.

Für Tochterfirma PIN Logistik, über die das Unternehmen Vor- und Nachläufe, sowie Kurier-, Express- und Paketsendungen abwickelt, fahren mittlerweile innerstädtisch vier vollelektrische Transporter des Typs SAIC Maxus EV80. Für dieses Quartett hat der Dienstleister am Standort der PIN Logistik eine Mennekes-Ladesäule aufgebaut. „Da die Fahrzeuge auch für das Landesverwaltungsamt Berlin im Einsatz sind, haben wir die Möglichkeit, an den Standorten des LVwA vor Ort zu laden“, erzählt Fricke.

Das Lademanagement für die Akkus der Lastenräder ist dezentral in den Depots organisiert. Hier war kein Aufwand für kostenintensive Ladesäulen erforderlich. Die Pendix-Akkus werden in einen speziellen, feuerfesten und luftgekühlten Schrank aufgeladen. Die Paxster bekommen an herkömmlichen 230-Volt-Steckdosen Strom für ihre Akkus. Dass das Ökostrom ist, versteht sich laut Fricke von selbst. Je nach Depotstandort kommen am Abend zwischen 35 und 65 Räder zurück. Ein Großteil der insgesamt 850 festangestellten Zusteller ist noch mit reiner Muskelkraft unterwegs. Aufgrund der Stoppdichte ist in bestimmten Stadtteilen die Zustellung ohne E-Antrieb gut möglich. Sämtliche Räder verbleiben über Nacht in den Depots. Die Boten kommen entweder mit dem eigenen Rad oder öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit.

In etwas kleinerem Maßstab stellt auch Urban Cargo in Berlin Waren CO2-neutral  zu. Das 2016 gegründete Unternehmen kommt auf zwölf E-Fahrzeuge und 19 Voll- und Teilzeitkuriere. „Vorteil ist, dass wir mit unseren Fahrzeugen die Fahrradwege benutzen dürfen und möglichst dicht an die Eingänge der Kunden heranfahren können“, erzählt Firmengründer und Inhaber Roland Prejawa.

Im Einsatz sind beispielsweise Elektro-Cargobikes mit Tretunterstützung, bei denen der E-Antrieb bis zu einer Geschwindigkeiten von 25 km/h mithilft. Darunter zwei Loadster der Marke Citkar, deren Akkus mit 2 x 800 Watt an herkömmlichen Steckdosen in drei bis vier Stunden aufgeladen werden können und die bis zu 60 Kilometer Reichweite bieten. In der Flotte fahren auch zwei Vowag, die mit einer Akkuladung 85 Kilometer schaffen, und vier Paxster, die bis zu 100 Kilometer ohne Ladestopp durchhalten.

Daneben fahren für Urban Cargo auf Berlins Straßen zwei Elektro-Lastenscooter. Bei diesen Rollern des dänisch-deutschen Modells Tripl müssen die Fahrer keinerlei Muskelkraft mehr aufwenden und können bis zu 45 km/h schnell fahren. Die Tripl sind standardmäßig mit fünf Batterien ausgestattet, die 7,2 Kilowattstunden leisten. Prejawas Aussagen zufolge sind die Tripl aufgrund ihres futurischen Aussehens absolute Hingucker, grundsätzlich stellt der Urban-Cargo-Geschäftsführer ihnen dennoch kein allzu gutes Zeugnis aus. Sie würden mitunter ohne ersichtlichen Grund liegen bleiben und ihre Reichweite verkürze sich im Winter um etwa die Hälfte von 80 bis 90 Kilometern auf gerade mal 40 Kilometer. Wenn es sehr kalt ist, reiche die Akkuleistung sogar nur noch für 20 Kilometer. „Wir nutzen unsere Tripl deshalb nur noch für kleinere Auslieferungen“, berichtet er.

Sehr zufrieden ist Prejawa dagegen mit den Paxtern. „Sie verfügen aus unserer Sicht über eine ausgereifte Technik, fahren auch im Winter zuverlässig, weil sie eine Batterieheizung haben, und bieten einen guten Wetterschutz für die Fahrer.“ Urban Cargo habe in den fünf Jahren seit der Firmengründung bereits viele Modelle getestet und nicht alle haben sich in der Praxis bewährt, etwa weil die Elektronik ihren Dienst versagt hat oder der Akku bei kalten Wintertemperaturen eben nicht lange durchhielt. „Wir haben sogar erlebt, dass Rahmen gebrochen sind, weil die Räder zu instabil gebaut waren“, erzählt er. Im Prinzip seien auch die Hersteller immer noch in einer Testphase, von der Stange könne man noch nichts kaufen.

Dennoch sind E-Cargobikes und -scooter für das Unternehmen alternativlos. Citkars und Vowags verfügen über ein Ladevolumen von 1,2 Kubikmetern, die Tripls fassen 0,75 und die Paxster 0,8 Kubikmeter. In die Ladeboxen passen damit jeweils bis zu 20 Transportkisten, die 60 x 30 x 25 Zentimeter groß sind. „Wir haben 2016 angefangen für Amazon prime now mit Fahrrädern Waren in bestimmten Zeitfenstern im Stadtgebiet von Berlin auszuliefern“, erzählt Prejawa. Da Amazon 2018 seinen Zentrallagerstandort an den Rand Berlins verlegt hat, wurden die Fahrradkuriere von Urban Cargo nicht mehr benötigt. Inzwischen ist das Unternehmen im Bereich Food Delivery aktiv. „Wir beliefern Verbraucher in Moabit, Charlottenburg, Wilmersdorf, Steglitz und Tempelhof-Schöneberg mit Bioprodukten aus dem Berliner Umland“, fügt er hinzu.

Dazu betreibt Urban Cargo vier Verteilzentren mit Kühlcontainern in der Stadt. Die Auslieferung findet mit passiver Kühlung statt, die Waren werden in Isolierboxen binnen 1,5 Stunden zum Endkunden gebracht. Die Kuriere legen am Tag zwischen 50 und 70 Kilometer und vier bis sechs Loops mit ihren Bikes zurück. Sie kehren also immer wieder zu den Verteilzentren zurück, um neue Ware aufzunehmen. Zum Laden der Akkus aller Lastenräder dienen herkömmliche 230 Volt-Steckdosen an den Hubs beziehungsweise in einer Tiefgarage, wo die Räder über Nacht geparkt werden.

Urban Cargo ist auf Wachstumskurs. „Ein bisschen euphorisch hab ich mir vorgenommen, dass unsere Flotte bis Ende 2022 mindestens 50 Fahrzeuge umfasst“, erzählt Prejawa. Geplant ist, auch in anderen Städten aktiv zu werden. Das Unternehmen will anspruchsvolle Kunden gewinnen, die viel Wert auf Ökologie und damit auch auf CO2-neutrale Lieferungen legen. Ziel sei es auch, einen Beitrag dazu zu leisten, Innenstädte von Autoverkehr und Emissionen zu entlasten.

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