Arrival will E-Transportermarkt in Deutschland aufmischen

Der britische Elektrofahrzeug-Entwickler Arrival kündigt den Markteintritt seines Erstlingswerks, des Arrival Van, in der Bundesrepublik an. Den E-Transporter will das Unternehmen im 4,25-Tonnen-Bereich als besonders erschwingliches Fahrzeug positionieren. Den Preis soll allen voran ein innovativer Fertigungsansatz drücken.

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Pünktlich zum ersten Auftritt des Arrival Van in München vergangene Woche verkündet der in London ansässige Entwickler, dass das Fahrzeug „ab sofort für deutsche Kunden erhältlich ist“. Das „ab sofort“ relativiert sich jedoch, ist der Produktionsstart doch für das dritte Quartal 2022 angesetzt. Aber Deutschland soll offenbar gleich zu Beginn bedient werden. Vorrang dürften nur die bereits publik gewordenen Großaufträge haben. Die Leasinggesellschaft LeasePlan will dem britischen Elektrofahrzeug-Entwickler 3.000 E-Transportern abnehmen. Der US-Logistiker UPS hat bekanntlich bereits Anfang 2020 10.000 Fahrzeuge bestellt und auch an der Entwicklung des Fahrzeugs mitgewirkt. Und das, ohne dass Arrival bisher ein einziges Fahrzeug auf die Straße gebracht hat. Aktuell laufen erste öffentliche Straßenerprobungen in Kundenhand.

Was den Arrival Van so überzeugend macht, wollen die Briten aktuell im Zuge einer Roadshow durch Europa demonstrieren. Zwischen September 2021 und März 2022 wird das geplante Fahrzeug in 15 europäischen Städten ausgestellt. Gleich zu Anfang war es in München zu sehen – und zwar in der Variante H3L3. Eine von ihren Längenmaßen mittig positionierte Variante. Grundsätzlich soll der Batterie-elektrische Transporter in Längen von 5,1 bis 6,5 Metern auf den Markt kommen und ein Ladevolumen von 2,4 Kubikmeter pro Meter Laderaum-Länge verfügen. Das modulare Batteriepaket bietet Kapazitäten zwischen 44 und 133 kWh.

Doch machen wir es anhand des Arrival Van H3L3 gerne konkret: Der 4,25-Tonner ist 5.915 mm lang, 2.730 mm hoch und 2.350 mm breit. Der Radstand beträgt 3.550 mm. Das Ladevolumen gibt der Entwickler mit 13,5 Kubikmetern an. Zur Auswahl stehen bei dieser Variante Batterieoptionen mit 67 kWh, 89 kWh und 111 kWh. Die Nutzlast variiert je nach Batterie-Option zwischen 1.655 und 1.415 Kilogramm, die Reichweite analog zwischen 180 und 290 Kilometern nach WLTP. Die Höchstgeschwindigkeit liegt laut Arrival bei 120 km/h, die DC-Ladeleistung bei 120 kW und die AC-Ladeleistung bei 11 kW. Noch keine Angaben machen die Briten zur Motorleistung.

Grundsätzlich ist der Van laut Arrival so konstruiert, dass er als Leichtgewicht unter den E-Transportern glänzt. Garant dafür soll ein leichter Alu-Rahmen sein, der mit einer Außenhaut aus einem Fiberglas-Polypropylen-Verbundwerkstoff ummantelt ist. Neben dem geringeren Gewicht soll dieser Aufbau auch Ausfallzeiten und Kosten für seltener notwendige Reparaturen minimieren. So soll etwa die Oberfläche belastbarer sein, als dies bei lackierten Karosserien der Fall ist. Was Aufbauten angeht, soll der nun in München vorgestellten Variante speziell für Zustelldienste (die sogenannte „Walk in“-Variante, in der der Bote aufrecht stehen kann und die mit nur einem einzelnen Sitz ausgestattet ist) künftig unter anderem eine Cargo-Version und ein Fahrgestell für individuelle Aufbauten folgen.

Davon unabhängig werden Nutzern unter anderem ein 16-Zoll-Touchscreen und eine ganze Reihe Fahrassistenzsysteme an die Seite gestellt, darunter ein Notbremsassistent, eine Totwinkelüberwachung, ein Spurhalteassistent und eine adaptive Geschwindigkeitsregelung. Hinzu kommen unter anderem digitale Spiegel, eine 360-Grad-Ansicht und eine Verkehrszeichenerkennung. Außerdem soll der Arrival Van auf Over-the-Air-Updates vorbereitet sein.

Die Vorstellung der aktuellen Version des Arrival Van im Frühjahr dieses Jahres machte allerdings auch deutlich, dass – wie so oft auf dem Weg zu einer seriennahen Version – einige prägende Elemente der frühen Prototypen und Renderings verloren gegangen sind. So verfügt der Transporter inzwischen über eine konventionell anmutende, schräge Frontscheibe, die auch erst in einer für Sprinter-artigen Transportern üblichen Höhe beginnt. Die früheren Modelle hatten noch eine beinahe senkrechte Frontscheibe, die weit hinunter ragte und in Kombination mit den großen Seitenscheiben eine gute Übersichtlichkeit bieten sollte.

Über Preise spricht Arrival bisher nur indirekt. Demnach soll der E-Transporter zu einem mit Verbrenner-Fahrzeugen vergleichbaren Anschaffungspreis angeboten werden. Auch bei den Gesamtbetriebskosten (TCO) solle ein „neuer Standard“ für Nutzfahrzeuge erreicht werden, so Arrival. Dazu passt auch, dass Benedikt Bucher, Vertriebschef für Deutschland, Österreich und die Schweiz, dem Portal „Automobil Industrie“ gegenüber dieser Tage die Aussage getroffen hat, dass es entscheidend sei, „dass unser Van im Vergleich zu den Elektro-Nutzfahrzeugen der Wettbewerber erschwinglicher ist.“

Den Preis drücken wollen die Briten durch einen speziellen Fertigungsansatz, der statt auf wenige große auf viele kleine Produktionsstätten setzt. Arrival spricht von schnell skalierbaren Mikrofabriken, die in europäischen Städten eine lokale Fertigung nah am Kunden ermöglichen sollen. Eine Ausnahme bildet dabei jenes Werk, das Arrival im März 2020 im britischen Bicester bezogen hat. Hierbei handelt es sich noch um ein klassisches Werk, keine Mikrofabrik. Die dortige Produktionsstätte hat Arrival nur gemietet. Dort sollen nach früheren Angaben die UPS-Lieferwagen für die europäischen Märkte gebaut werden.

Zwei Mikrofabriken sind in den USA angesiedelt: eine in Rock Hill im US-Bundesstaat South Carolina und eine zweite in Charlotte im Bundesstaat North Carolina. Laut „Automobil Industrie“ ist eine weitere in Madrid geplant. Die Einrichtung der dezentralen Fabriken soll sechs Monate dauern, die Jahresproduktionskapazität bei rund 10.000 Fahrzeugen liegen. Außerdem präzisiert das Portal, dass in den Mikrowerken keine Linie installiert wird, sondern ein hochdigitalisiertes Produktionssystem auf Basis von Roboterstationen. Aus diesem Grund seien von den aktuell rund 2.000 Mitarbeitern des Unternehmens auch die Mehrheit Softwareentwickler, heißt es in dem Bericht. Von Zulieferern will sich Arrival zudem weitgehend unabhängig machen, indem die meisten Hardware- und Software-Komponenten in Eigenregie gefertigt werden. Stichwort ist hier eine hohe Fertigungstiefe.

Ob auch zum Marktstart in Deutschland eine Mikrofabrik vor Ort geplant ist, geht aus einer uns per E-Mail vorliegenden Mitteilung der Briten nicht hervor. Allerdings schreibt Arrival auf seiner Webseite einige Ingenieursstellen in Stuttgart aus. Das allein dürfte als Indiz aber nicht reichen.

Arrival-Präsident Avinash Rugoobur wird in der Mitteilung mit folgenden Worten zitiert: „Wir freuen uns, den Arrival Van zu Kunden und Verbrauchern in Deutschland zu bringen. Im vergangenen Jahr haben wir weltweit – insbesondere in Europa – eine enorme Nachfrage nach dem Arrival Van verzeichnet, da immer mehr Flottenbetreiber im Einklang mit der globalen öffentlichen Politik ihre Aktivitäten dekarbonisieren wollen.“

Einen Hinweis, warum Arrival in Deutschland schnell Fuß fassen will, nennt Rugoobur auch: „Insbesondere die Bundesregierung in Deutschland hat mit 6,6 Milliarden Euro erhebliche Zusagen gemacht, um Flottenbetreiber bei der Elektrifizierung ihrer Fahrzeuge zu unterstützen. (…) Wir haben mit Flottenbetreibern und Fahrern zusammengearbeitet, um den Arrival Van zu einer erstklassigen Lösung mit niedrigen Gesamtbetriebskosten zu entwickeln und zu produzieren. Der Van wird so zu einer ökologisch und ökonomisch sinnvollen Entscheidung.“

Kurz nach dem Lieferwagen im Sommer soll übrigens ab Herbst der erste E-Bus von Arrival in den Test-Einsatz gehen – und zwar bei dem Betreiber First Bus im Vereinigten Königreich. Daneben plant die 2015 gegründete Firma in Kooperation mit Uber die Entwicklung eines Elektroautos speziell für Ridehailing-Dienste, das im dritten Quartal 2023 in Produktion gehen soll. Der Stromer dürfte dabei nicht exklusiv für Uber bestimmt sein. Das „Arrival Car“ soll einer früheren Arrival-Mitteilung zufolge ein „erschwingliches, zweckbestimmtes Elektrofahrzeug für Ridehailing-Services“ werden und auf der eigenen Small Vehicle Platform basieren, die das Unternehmen bereits vor einiger Zeit in einer Investorenpräsentation erwähnt hatte. Technische Daten gibt es noch keine, allerdings hat Arrival einige Renderings zu dem geplanten Fahrzeug veröffentlicht.

Die investitionsintensive Entwicklungs- und Produktions-Anlaufphase will Arrival mithilfe einer Börsennotierung stemmen. Ihren 2020 angekündigten SPAC-Börsengang vollzogen die Briten Ende März, was ihnen einen Bruttoerlös von circa 660 Millionen Dollar in die Kassen spülte. Zu den Anteilseignern der Firma gehören unter anderem UPS und Hyundai-Kia.
Quelle: Infos per E-Mail, automobil-industrie.vogel.de

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