Mercedes GenH2 Truck darf auf die Straße

Daimler Truck hat von den zuständigen deutschen Behörden die Straßenzulassung für den weiterentwickelten Prototyp des Brennstoffzellen-Lkw GenH2 Truck erhalten. Das Modell, das in der Mitte des Jahrzehnts in Serie gehen soll, darf somit im Rahmen der Erprobung auch auf öffentlichen Straßen getestet werden. Damit einher geht ein Wettkampf der Systeme.

Bislang wurde der GenH2 Truck auf dem Gelände des Mercedes-Benz-Werks in Wörth erprobt. Seit April sind die Vorserienfahrzeuge auf den dortigen Teststrecken unterwegs – unser Autor Domenico Sciurti durfte mit ins Führerhaus und hat hier seine Eindrücke der nahezu lautlosen Testfahrt zusammengefasst.

Nach „mehreren tausend Test-Kilometern“ soll die Erprobung dank der nun erhaltenen Straßenzulassung des GenH2 Truck auf öffentliche Straßen ausgeweitet werden. In der Mitteilung gibt Daimler Truck an, dass im Oktober „der weiterentwickelte Prototyp des wasserstoffbasierten Brennstoffzellen-Lkw Mercedes-Benz GenH2 Truck die Straßenzulassung von den zuständigen deutschen Behörden“ erhalten habe. Worin genau die Weiterentwicklung besteht, wird aber nicht ausgeführt.

Bleibt also nur der Blick auf die bekannten Daten: Der GenH2 Truck verfügt über zwei E-Motoren mit je 230 kW Dauerleistung. Im Peak sind es 330 kW Maximalleistung und zweimal 2071 Nm Drehmoment. Die Brennstoffzellen – von dem Joint Venture Cellcentric gemeinsam mit der Volvo Group – leisten jeweils 150 kW. Benötigen die Motoren kurzzeitig mehr Strom als die Brennstoffzellen liefern können, unterstützt etwa in Beschleunigungsphasen die 70 kWh große Hochvolt-Batterie mit bis zu 400 kW Leistung.

Prototypen noch mit H2-Drucktanks

Daimler Truck bevorzugt zwar flüssigen Wasserstoff (LH2 genannt), da dieser über eine deutlich höhere Energiedichte verfügt. Damit können die Tanks für die angepeilten 1.000 Kilometer Reichweite deutlich kleiner und leichter werden als bei der Druck-Speicherung von gasförmigem Wasserstoff. Da die Technologie des -253 Grad kalten LH2 für mobile Anwendungen noch nicht so weit ist, fahren die Prototypen derzeit noch mit vier Druck-Tanks.

Für die Brennstoffzelle selbst macht es aber keinen Unterschied, wie der Wasserstoff gespeichert wird. Damit ist es auch für die Erprobungsfahrten nachrangig, derzeit stehen andere Antriebs-Komponenten im Fokus. Ein neuer Tank mit einer gänzlich anderen Speichertechnologie muss vor der Serienfertigung (die Daimler Truck übrigens nun konkret mit 2027 statt der „Mitte des Jahrzehnts“ angibt) natürlich noch ausführlich getestet werden, aber das reicht später. Schließlich gibt Daimler an, den GenH2 Truck nach denselben Kriterien wie den konventionell angetriebenen Mercedes-Benz Actros zu testen: 1,2 Millionen Kilometer Laufleistung, zehn Betriebsjahre und insgesamt 25.000 Betriebsstunden.

Derzeit werden bei den Erprobungsfahrten auf Teststrecken und öffentlichen Straßen Elemente wie das Brennstoffzellensystem, der elektrische Antriebsstrang sowie das gesamte Energiemanagement getestet und optimiert. Für die bestmögliche Effizienz ist auch das Kühl- und Heizsystem ein wichtiger Faktor: Alle Komponenten müssen bei ihrer optimalen Betriebstemperatur laufen. Und die ist im Brennstoffzellenstack anders als in der Hochvolt-Batterie oder dem E-Motor.

Für die Straßentests hat Daimler übrigens auch eine besondere Strecke im Auge: Laut der Mitteilung soll der GenH2 Truck auch auf der B462 bei Rastatt getestet werden. Auf zwei Abschnitten im Murgtal wurden wie berichtet im Sommer Oberleitungen für den dritten eHighway Deutschlands in Betrieb genommen. Im Rahmen des Pilotprojekts eWayBW werden dort Oberleitungs-Lkw getestet.

Testfahrten auf eHighway-Strecke

Zwischen Kuppenheim und Gaggenau werden bis Juni 2024 fünf Lkw vom Typ Scania R 450 mit Stromabnehmer die Oberleitung nutzen. Mit den Testfahrten des GenH2 Truck will Daimler Truck dort Vergleichsdaten sammeln. „Hierbei sollen auch Vergleichstests des rein Batterie-elektrischen Mercedes-Benz eActros mit den Oberleitungs-Lkw bzw. Brennstoffzellen-Lkw anderer Fahrzeughersteller stattfinden“, heißt es hierzu in der Mitteilung. Das Unternehmen schiebt aber direkt hinterher, dass man selbst keine Oberleitungs-Lkw plane.

Zumindest bei den Oberleitungs-Lkw im Rahmen des eWay-BW-Projekts gibt es wenig Überschneidungen mit dem GenH2 Truck. Daimler verfolgt bekanntlich die Strategie je leichter die Ladung und je kürzer die Distanz, desto eher wird die Batterie zum Einsatz kommen und je schwerer die Ladung und je länger die Distanz, desto eher wird die Brennstoffzelle das Mittel der Wahl sein. Während Ersteres über den inzwischen in Serie gebauten eActros abgedeckt ist, soll der GenH2 Truck als Langstrecken-Lkw dienen – und ein Batterie-elektrischer eActros Long Haul dazwischen platziert werden.

Die Oberleitungs-Teststrecke wurde aber so gewählt, weil in jenem Abschnitt der B462 drei Hersteller jährlich 510.000 Tonnen Papier transportieren. Somit ergeben sich für die O-Lkw rechnerisch 64 Umläufe je Kalendertag oder 250.000 Kilometer pro Jahr im Bereich der Oberleitung. Für derartige Kurzstrecken-Verkehre sieht Daimler wie erwähnt die Batterie vorne – und hat genau in dieser Region seit 2019 mit der Firma Logistik Schmitt einen Prototypen des eActros im Praxistest.

Die eHighway-Testprojekte sind selbstverständlich nur in ihrer Testphase auf kurze Abschnitte ausgelegt, perspektivisch soll es ein Langstreckennetz für Oberleitungen geben. Das Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung (Ifeu) hatte hierzu bereits im März 2020 ausgerechnet, dass solche O-Lkw ab 2030 mit einem 3.200 Kilometer langen Oberleitungsnetz wirtschaftlich sein könnten.

Da Daimler die Serienproduktion des GenH2 Truck für 2027 anpeilt, könnte sich dann in einigen Jahren das Szenario ergeben, dass der Brennstoffzellen-Lkw nicht nur mit dem Diesel, sondern auch Oberleitungs-Lkw und womöglich Batterie-elektrischen Lkw konkurrieren muss.
daimler.com

7 Kommentare

zu „Mercedes GenH2 Truck darf auf die Straße“
Hans Herbert
26.10.2021 um 15:40
"In einigen Jahren" könnte es sein, dass das H2-Monster zwar völlig ausgereift ist, aber nicht mehr nachgefragt wird, weil sich E-Laster als völlig ausreichend und kostenmäßig günstiger erwiesen haben. Die langen Entwicklungszeiten zeigen auch, wie schwerfällig die H2-Technologie in der Praxis ist. Mit der Cryo-Technik werden die Fahrzeuge dann selbst zum Gefahrgut, unabhängig davon, was sie transportieren. Prost Mahlzeit!
Michi
26.10.2021 um 18:34
Da ich in Wasserstoff investiert habe möchte ich doch hoffen dass das was wird! Ansonsten baut das Zeug halt in Schiffe..
A. Aden
10.11.2021 um 18:20
Verwunderlich erscheinen die Hoffnungen, die im Transportwesen in die H2-Technik gesteckt werden. Dieses Gewerbe ist bekanntlich so extrem preissenibel, dass gerne mal mit Mogel-Elektronik die AdBlue-Dosierung verringert wird, um 2-3 ct/km einzusparen. Wie sich das mit dem mehrfach aufwendigeren H2 jemals rechnen soll (von hochsubentionierten Forschungsprojekten abgesehen, die unterstützenswert scheinen), scheint unverständlich. Auch der Schiffsverkehr wird ja nicht freiwillig mit dem teuren "Champagner" fahren. Der Aufbau überschüssiger EE zur Kompensation des Wirkungsgradverlustes wird sicher > 10-20 Jahre dauern. Also selbst wenn die H2-Technologie in 10-15 Jahren ausentwickelt ist, bleibt angesichts der mehrfachen Kosten der business case unklar.
Norbert Riedel
14.11.2021 um 14:41
Ich frage mich nur: Warum funktioniert es in der Schweiz? Und zwar jetzt schon. Die haben schon 50 Hyundai H2-LKW.
Hans Herbert
15.11.2021 um 09:38
Funktioniert es denn? Wenn die H2-Lkw nicht mit grünem Wasserstoff fahren, dann sind sie schlimmer als Diesel. Skalierbar sind die Projekte mit grünem H2 jedenfalls nicht. Der Aufmarsch der H2-Lkw ist für mich ein Zeiger für den Korruptionsgrad unserer Gesellschaft, und der ist hoch.
Michael Oldenburg
19.11.2021 um 10:52
Seit April (2021) im Testbetrieb, 10 Jahre testen, 2027 in Serie produzieren...Wie werden aus 10 Jahren 6? Oder geht die Serienproduktion erst 2031 in den Verkauf?Ich lege mich fest, das ist ein feines Forschungsprojekt. Zu einer Großserienproduktion wird es genausowenig kommen, wie bei Wasserstoff-PKWs.Die Thermodynamik setzten die Grenzen.
Rainer Braun
04.02.2023 um 13:17
Wie wird das LH2 im Truck regasifiziert?

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