Fraunhofer-Studie: Wasserstoff wird im Straßenverkehr keine große Rolle spielen

Die Traton Gruppe sieht sich durch eine Analyse des Fraunhofer Instituts in seiner Strategie mit dem Fokus auf Batterie-elektrische Antriebe bestätigt. Laut der Studie werden sich E-Antriebe auch im Schwerlastbereich durchsetzen und die Brennstoffzelle eine Nischenanwendung bleiben. Daimler Truck setzt dagegen weiter konsequent auf beide Technologien.

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In den allermeisten Regionen und Nutzfahrzeuganwendungen ist der Batterie-elektrische Antrieb der Brennstoffzelle überlegen, wird die Studie von Traton auf den Punkt gebracht. Das gelte auch für den schweren Fernverkehr. Die Ergebnisse der Studie kommen bei dem Unternehmen gut an. „Wir freuen uns über die Klarheit des Analyseergebnisses, auch wenn es uns nicht überrascht. Es bestätigt einmal mehr die Strategie der Traton Group, auf Batterie-elektrische Antriebe für unsere Nutzfahrzeuge zu setzen“, sagt Catharina Modahl-Nilsson, Chief Technical Officer bei Traton.

„Die Batterie-elektrischen Fernverkehrs-Lkw kommen, die Technologie ist da und die Netze werden mitziehen“, führt Modahl-Nilsson weiter aus und fügt hinzu: „Was wir jetzt brauchen, ist politische Unterstützung, um mit dieser Technologie schnell massive CO2-Einsparungen zu erzielen.“ Deshalb müsse der Aufbau eines leistungsfähigen Ladenetzes für E-Lkw zügig und mit staatlicher Unterstützung vorangetrieben werden.

Zu einem ganz ähnlichen Ergebnis wie die Fraunhofer-Analyse ist auch eine in der vergangenen Woche veröffentlichte Studie des Ifeu gekommen. Demnach werden im Jahr 2030 Batterie-elektrische Lkw und Oberleitungs-Lkw aufgrund ihrer Kostenvorteile dominieren. Mit Wasserstoff aus Deutschland können Brennstoffzellen-Lkw nicht mit den E- und O-Lkw mithalten. „Der Einsatz von Brennstoffzellen-Lkw stellt also mittelfristig eine Wette auf die zukünftige Verfügbarkeit günstigen und vollständig erneuerbaren Import-Wasserstoffs dar“, fasst die Studie zusammen.

Daimler Truck hält am Wasserstoff fest

Doch ist die Sache wirklich so eindeutig? In Stuttgart bewertet man die jüngsten Zahlen und Studien offenbar anders als bei Traton in München: In der Frage, was der Antrieb der CO2-neutralen Zukunft ist, positioniert sich Daimler Truck anders. Der Nutzfahrzeughersteller bekräftigt in einer eigenen Mitteilung die aktuelle Doppelstrategie bei der Elektrifizierung seines Portfolios: mit Batterie und wasserstoffbasierten Antrieben. Als Begründung gibt Daimler Truck die vielen unterschiedlichen Anwendungsfälle und Aufgaben von Lkw an. Für flexible und anspruchsvolle Einsätze vor allem im Segment des schweren Fernverkehrs könnten wasserstoffbasierte Antriebe die bessere Lösung sein, heißt es in einer der Mitteilung. Einen Verweis auf die Fraunhofer-Studie macht Daimler Truck nicht.

„Es wird immer wieder Diskussionen geben, die sich nur mit einzelnen Teilaspekten unterschiedlicher alternativer Antriebsformen befassen wie beispielsweise der Energieeffizienz. Diese ist in der Tat beim Batterie-elektrischen gegenüber dem wasserstoffbasierten Antrieb höher, jedoch wird dabei der Blick auf das große Ganze vergessen“, sagt Andreas Gorbach, Mitglied des Vorstands der Daimler Truck AG und Leiter Truck Technology.

„Maßgeblich für eine erfolgreiche Umstellung auf Zero-Emission-Technologien ist neben der Effizienz vor allem auch die Verfügbarkeit einer entsprechenden Infrastruktur sowie die Verfügbarkeit von ausreichend grüner Energie“, führt Gorbach weiter aus. Und eine zügige und kostenoptimierte Abdeckung dieses Energiebedarfs sei nur mit beiden Technologien möglich, ist er überzeugt. „Kaum ein Land der Welt wird sich in Zukunft allein mit grüner Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen selbst versorgen können. Folglich wird es einen globalen Handel mit einem CO2-neutralen Energieträger geben müssen“, fügt er hinzu. Grüner Wasserstoff werde dabei eine zentrale Rolle spielen.

Daimler Truck verweist auf politische Bemühungen rund um Wasserstoff

Daimler Truck geht davon aus, dass grüner Wasserstoff perspektivisch zu „sehr attraktiven Preisen“ gehandelt wird. Weitere Gründe für den Einsatz von Wasserstoff seien zudem Vorteile bei Kosten und technische Machbarkeit der Infrastruktur sowie für Kunden größere Reichweiten, Flexibilität und kürzere Tankzeiten. Bei der Frage nach der besten Transportlösung sei die Energieeffizienz „ein wichtiges, aber lang nicht hinreichendes Kriterium“.

Gorbach verweist darauf, dass mehr als 40 Regierungen weltweit umfangreiche Wasserstoff-Aktionspläne auf den Weg gebracht haben, und auf die Ankündigungen vieler weltweit tätiger Unternehmen. Ihm zufolge erwarten Experten, dass noch in dieser Dekade hunderte Milliarden Euro in die Wasserstofferzeugung, den Transport und die Infrastruktur investiert werden.

Die von Traton stark gepushte Fraunhofer-Analyse mit dem Titel „Hydrogen unlikely to play major role in road transport, even for heavy trucks“ wurde in der Zeitschrift „Nature Electronics“ veröffentlicht. Einen Bericht dazu publizierte die Plattform „rechargenews.com“. Darin heißt es: Wasserstoff werde im Straßenverkehr keine große Rolle spielen, auch nicht bei schweren Lkw. Brennstoffzellen hätten ihre einstigen Vorteile der Reichweite und Schnellladung verloren und werden wahrscheinlich nicht mit Batterie-EVs konkurrieren können.

„Wasserstoff wird in der Industrie, in der Schifffahrt und bei synthetischen Flugkraftstoffen eine wichtige Rolle spiele“, wird Patrick Plötz, Koordinator des Geschäftsbereichs Energiewirtschaft am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in Deutschland, zitiert. „Aber für den Straßenverkehr können wir meines Erachtens nicht warten, bis die Wasserstofftechnologie aufholt, und unser Fokus sollte jetzt auf Batterie-elektrische Fahrzeuge sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr liegen.“

Die Studie blickt separat auf Pkw und Lkw. Hinsichtlich der Pkw ist laut Plötz „das Zeitfenster für die Etablierung eines relevanten Marktanteils für Wasserstoffautos so gut wie geschlossen“. Er stellt an dieser Stelle einen Vergleich an, wonach Anfang des vergangenen Jahres rund 25.000 Wasserstoff-Brennstoffzellenautos auf den Straßen unterwegs gewesen und weltweit rund 540 H2-Tankstellen in Betrieb genommen waren. Demgegenüber stünden Anfang 2022 voraussichtlich etwa 15 Millionen Batterie-elektrische und Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge, mehr als 350 Modelle weltweit. Obwohl die meisten E-Fahrzeuge zu Hause geladen würden, gab es laut Plötz im Jahr 2020 zudem etwa 1,3 Millionen öffentliche Ladepunkte, ein Viertel davon Schnellladegeräte mit mindestens 22 kW; in Europa seien mehr als 1.000 öffentliche Ladegeräte mit bis zu 300 kW verfügbar.

Die jüngsten technologischen Entwicklungen bedeuten für Plötz, dass FCEV ihre Daseinsberechtigung verloren haben. „Als Batterie-elektrische Fahrzeuge eine begrenzte Reichweite von weniger als 150 Kilometer aufwiesen und das Aufladen einige Stunden dauerte, gab es ein wichtiges und großes Marktsegment für Brennstoffzellenfahrzeuge: Langstreckenfahrten“, so Plötz mit Verweis auf die höhere Energiedichte von komprimiertem Wasserstoff und die Möglichkeit des schnellen Auftankens. „Batterie-elektrische Fahrzeuge bieten jedoch inzwischen eine reale Reichweite von etwa 400 Kilometer, und die neueste Generation verwendet 800-V-Batterien, die in etwa 15 Minuten für eine Reichweite von 200 Kilometer aufgeladen werden können.“

Trugschluss der versunkenen Kosten?

Plötz sieht auch aktuelle finanzielle Aufwendungen in Wasserstoffautos kritisch. „Viele der laufenden Investitionen in Wasserstoffautos scheinen dem Trugschluss der versunkenen Kosten zu folgen: Wir haben bereits so viel für diese Technologie ausgegeben, wir sollten jetzt nicht aufgeben.“ Angesichts der Größenvorteile bei Batterien, weitere zu erwartenden Kostensenkungen und Leistungsverbesserungen bei Elektrofahrzeugen sowie der Ladeinfrastruktur sei es sehr unwahrscheinlich, dass Brennstoffzellenautos konkurrenzfähig sein werden, resümiert er.

Nicht viel anders blickt Plötz auf den Lkw-Sektor. Der mit Wasserstoff betriebene Lkw-Sektor sei ebenfalls weniger weit fortgeschritten als der Batterie-betriebene. Plötz gibt an, dass weltweit etwa 30.000 E-Lkw auf Lager seien, die meisten davon in China. Zudem seien bereits mehr als 150 Batterie-elektrische Lkw-Modelle für den mittleren und schweren Güterverkehr angekündigt. Brennstoffzellen-elektrische Lkw hingegen würden bisher nur in Testversuchen betrieben und seien noch nicht kommerziell verfügbar. Das von mehreren Lkw-Hersteller, Brennstoffzellen- und Infrastrukturanbieter ausgegebenen Ziel, bis 2030 100.000 Brennstoffzellen-Lkw auf europäischen Straßen zu bringen, hält Plötz für unwahrscheinlich.

Laut Plötz liegt die aktuelle Herausforderung für Batterie-elektrische Fahrzeuge im logistischen Langstreckenbetrieb mit durchschnittlich 100.000 Kilometer pro Jahr und dem Transport von sehr schweren Gütern. Eine Chance sieht er jedoch in der in Europa vorgeschriebenen 45-minütigen Pause für Lkw-Fahren – vorausgesetzt die entsprechende Ladeinfrastruktur besteht. „Innerhalb von 4,5 Stunden könnte ein schwerer Lkw bis zu 400 Kilometer zurückl