MTU entwickelt Brennstoffzellen-Antrieb für Flugzeuge

MTU Aero Engines arbeitet unter dem Projektnamen Flying Fuel Cell (FFC) an Brennstoffzellensystemen für die Luftfahrt, die mit Flüssigwasserstoff betrieben werden. Dabei verfolgt das Unternehmen einen etwas zurückhaltenderen Zeitplan als so mancher Konkurrent.

Während andere Antriebsentwickler mit ihren Brennstoffzellen-Flugzeugen noch in diesem Jahrzehnt in die Luft gehen wollen, lässt sich MTU Aero Engines ein paar Jahre mehr Zeit: Zum Einsatz kommen soll die MTU-Brennstoffzelle ab 2035 zunächst auf kürzeren Strecken im Zubringer- und Regionalflugzeugbereich. Mit verbesserter Effizienz soll die FFC dann ab 2050 auch auf der Kurz- und Mittelstrecke verwendet werden können, wie es in der Mitteilung heißt.

Die MTU Aero Engines arbeitet an unterschiedlichen Konzepten für alle Schub- und Leistungsklassen, um das große Ziel der Luftfahrt zu erreichen. „Unter anderem treiben wir eine vollständige Elektrifizierung des Antriebsstrangs voran“, erklärt Lars Wagner, Vorstandsvorsitzender der MTU. „Hier hat für uns die Wandlung von flüssigem Wasserstoff in Strom mit Hilfe einer Brennstoffzelle das größte Potenzial.“

Das Unternehmen entwickelt hierfür den gesamten wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellen-Antriebsstrang einschließlich des Flüssigwasserstoff-Treibstoffsystems und der Regelung. Als Technologieplattform und Flugdemonstrator dient dann eine Do228 des DLR. Ziel ist es, einen der beiden konventionellen Gasturbinen-Antriebe durch den elektrischen 600-kW-Antriebsstrang der MTU – mit Energieversorgung durch eine wasserstoffbetriebene Brennstoffzelle – zu ersetzen und zu erproben. Den Erstflug des fliegenden Labors peilen die Partner Mitte der Dekade an. Zuvor erfolgen umfangreiche Bodentests und Vorerprobungen.

MTU nutzt E-Motoren aus Starnberg

An der FFC arbeitet ein rund 100-köpfiges Team am Standort München. Auch ein weiterer Standort in Bayern ist an dem Projekt beteiligt: Der Elektromotor für die FFC wird von der eMoSys GmbH entwickelt. Der Starnberger E-Motorenentwickler und –kleinserienhersteller gehört seit April zur MTU. „Gemeinsam mit der eMoSys GmbH wollen wir den Einsatz von Elektromotoren in der Luftfahrt forcieren und sie zur Marktreife bringen“, hatte Wagner anlässlich der Übernahme angekündigt.

Den Motoren von eMoSys attestiert MTU die „heute höchste bekannte Leistungsdichte“ – zum Einsatz kommen die Motoren aber vor allem in den Bereichen Automotive, Rennsport, Bahn und Medizin. Mit MTU wird nun ein Elektromotor für die Luftfahrt entwickelt. Mit einem Durchmesser von nur 300 Millimetern und einem Gewicht von gerade einmal 40 Kilogramm erreicht der für die Dauerleistung von 600 Kilowatt ausgelegte Motor eine Leistungsdichte von 15 Kilowatt pro Kilogramm.

„Das sind herausragende Motorenwerte, bei denen Integration und Zusammenspiel mit der Flying Fuel Cell voll berücksichtigt wurden“, sagt Barnaby Law, Chief Engineer Flying Fuel Cell bei der MTU. „So erreicht der Motor mit über 96 Prozent einen außerordentlich hohen Wirkungsgrad bei Take-off-Dauerleistung und erzeugt damit relativ geringe Wärmelasten.“ Der Motor verfügt über eine Flüssigkeitskühlung und kann bei Temperaturen von bis zu 85 Grad arbeiten. „Das Design verbindet die hohe Leistung, die eMoSys bisher für Motorsport-Motoren generiert hat, mit den hohen Zuverlässigkeits- und Sicherheitsanforderungen, die wir in der Luftfahrt haben“, so Law.

Am Rande der Luftfahrtmesse Le Bourget in Frankreich wurde vor einigen Tagen eine weitere Entwicklungspartnerschaft für den Brennstoffzellenantrieb vereinbart. MTU wird mit dem  Luft- und Raumfahrtunternehmen MT Aerospace an einem kompletten Flüssigwasserstoff-Treibstoffsystem für die zivile Luftfahrt arbeiten. Die Fachleute von MT Aerospace sind verantwortlich für das kryogene Wasserstoff-Speicher- und -Versorgungssystem, additiv gefertigte Wärmetauscher sowie Sensoren und die Systemintegration. „Wir von MT Aerospace bringen unsere jahrzehntelange Expertise im Bereich Wasserstoff aus der Raumfahrt ein und wollen sie jetzt erstmals auch für die zivile Luftfahrt nutzbar machen“, sagt Markus Staudt, Vice President and Head of Business Development Export, Defence & Hydrogen.

Parallel zur Entwicklung arbeitet MTU auch eng mit der Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit (EASA) für die Zulassungsanforderungen zusammen. „Wir sind eine Innovationspartnerschaft eingegangen und untersuchen gemeinsam mögliche Wege für die zukünftige Zertifizierung einer fliegenden Brennstoffzelle, denn hier betreten alle Beteiligten Neuland“, sagt MTU-Entwicklungschef Stefan Weber.
mtu.de (FFC), mtu.de (Kooperation mit MT Aerospace)

2 Kommentare

zu „MTU entwickelt Brennstoffzellen-Antrieb für Flugzeuge“
Titan
23.06.2023 um 09:41
Der Zeitplan scheint realistischer zu sein, als all die anderen Träumereien! Was nützt eine Brennstoffzelle, wenn sie nach einem Jahr Schrott ist! Der Rest ist ja heute schon machbar
ganzjahresreichweite
23.06.2023 um 09:57
Haben Sie Detailwissen, warum die Brennstoffzelle nach einem Jahr Schrott sein soll?

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