electrive LIVE: Welche Rolle spielt die Brennstoffzelle im Straßengüterverkehr?

Dass der Güterverkehr auf der Straße sauberer werden muss, steht außer Frage. Hat die Batterie im elektrischen Truck schon gewonnen oder steht der Wasserstoff vor seiner Chance? Dieses Thema haben wir bei der 32. Ausgabe unserer Online-Konferenz „electrive LIVE“ mit Branchenexperten diskutiert – und eine erstaunlich einstimmige Antwort bekommen.

Vor welcher Herausforderung die Lkw-Branche bei der Dekarbonisierung steht, zeigt der Blick auf Daimler Truck: Erst in der vergangenen Woche hat der Branchenriese zu Demonstrationszwecken eine Rekordfahrt mit einem Brennstoffzellen-Truck unternommen – vom Werk in Wörth am Rhein ging es – über einen kleinen Umweg via Hamburg – insgesamt 1.047 Kilometer bis nach Berlin mit einer Tankfüllung Flüssig-Wasserstoff. Keine sieben Tage später hat das Unternehmen die Weltpremiere des eActros 600 gefeiert, eines Batterie-elektrischen Schwerlasters für die Langstrecke. Die 1.047 Kilometer schafft auch der eActros 600 an einem Tag, aber eben nicht ohne Ladepause.

Wird es bei dieser Parallelität der Antriebstechnologien bleiben? Und kann sich ein Hersteller dauerhaft die doppelte Entwicklung leisten? Oder macht doch eine der Technologien das Rennen?

Auf unserer digitalen Bühne – erstmals seit unserem umfassenden Relaunch im neuen electrive-Design – sprechen führende Fahrzeug-Hersteller und Player aus dem H2-Ökosystem. Denn das Gelingen der Antriebswende beim anspruchsvollen Straßentransport auf Langstrecken wird nur im Zusammenspiel aller Sektoren gelingen. Es braucht drei Bausteine: Fahrzeuge, bezahlbaren (und möglichst grünen) Wasserstoff sowie ein Grundnetz an Tankstellen.

Den Auftakt vor 400 zugeschalteten Gästen macht Olaf Duden, der Leiter des Fleet-Managements bei GP Joule Hydrogen. GP Joule, 2009 gegründet, ist in beiden Welten unterwegs – der Batterie-elektrischen und Brennstoffzellen-elektrischen Mobilität. Das Unternehmen hat bereits über 250.000 Ladepunkte projektiert, betreibt aber auch zwei eigene H2-Tankstellen mit grünem Wasserstoff – weitere sind im Bau und der Projektierung. Somit hat es einen fachlich fundierten Hintergrund, wenn Duden die These aufstellt, dass das Henne-Ei-Problem beim Wasserstoff-Lkw bereits gelöst sei.

GP Joule will mehr Positiv-Beispiele – wie die eigene eFarm

GP Joule fungiert seit fünf Jahren als Entwickler, Dienstleister und Betreiber von Wasserstoff-Infrastruktur. Das umfassende Wasserstoff-Ökosystem geht aber weit über die Tankstelle an sich hinaus – auch wenn sie für die Kundschaft natürlich der offensichtlichste Kontaktpunkt mit dem Ökosystem ist. Der Ansatz von GP Joule: Grüner Wasserstoff ist in unterschiedlichen Sektoren einsetzbar. „Wir sind nicht auf einen Sektor fokussiert, aber die Mobilität spielt in unseren Plänen eine wichtige Rolle“, sagt Duden. „Grüner Wasserstoff bietet eine flexible und leise Mobilität – im Individualverkehr, im ÖPNV, in der Logistik und im Flugverkehr.“

Am Anfang steht daher die saubere Energieerzeugung – nur mit grünem Strom gibt es auch grünen Wasserstoff. Doch es ist eben nur der Anfang. „Der Elektrolyseur ist die zentrale Säule eines Wasserstoff-Ökosystems. Dort wird der Wasserstoff nicht nur erzeugt, sondern auch verdichtet und gespeichert“, erklärt Duden. „Von dort aus können wir den grünen Wasserstoff regional vermarkten und schließlich auch transportieren – an H2-Tankstellen oder Industriekunden.“

Ein erfolgreiches Beispiel ist die von GP Joule betriebene eFarm in Schleswig Holstein. Direkt an den Windparks in Bosbüll und Dörpum wird der Wasserstoff erzeugt und an die H2-Tankstellen transportiert – aufgrund der ADR-Richtlinie wird laut Duden der Wasserstoff derzeit aber noch mit einem Diesel-Lkw bewegt. An den Tankstellen wird der grüne und regionale Wasserstoff von FCEV-Pkw und zwei Bussen genutzt, zunehmend tanken auch mehr BZ-Lkw dort. Und um das lokale Ökosystem zu komplettieren: In Bosbüll und Dörpum werden Teile der Ortschaften mit der Abwärme aus der Elektrolyse beheizt.

Eben mit den beiden H2-Bussen und einigen Brennstoffzellen-Pkw vor Ort gab es bereits zum Start einen gewissen Grund-Absatz an Wasserstoff. Denn klar ist auch: „Wir können nicht viele Tankstellen betreiben, ohne, dass die nötigen Fahrzeuge auf der Straße sind. Andersherum können die Fahrzeuge nicht auf die Straße kommen, wenn es nicht die Tankstellen gibt“, so Duden in seinem Vortrag. Aber nicht nur die Fahrzeuge sind noch teuer, sondern auch die Tankstellen. Daher arbeitet GP Joule an einer standardisierten Tankstelle, die einfach bei oder in der Nähe eines Betriebs installiert werden kann.

Die Herausforderung ist dann, diese Tankstelle auch mit grünem Wasserstoff versorgen zu können. Da sieht der GP-Joule-Manager aber eher den Aufbau der nötigen Infrastruktur als Hürde an, nicht das Prinzip an sich. „Wasserstoff funktioniert in Deutschland überall, wir haben die Möglichkeit, genügend grünen Wasserstoff zu erzeugen“, sagt Duden. „Wir können bei uns überall grünen Wasserstoff erzeugen und regional vermarkten.“ Die eFarm ist ein Beispiel dafür.

Dass es aber nicht nur im Windenergie-starken Norden funktioniert, zeigt unser zweiter Sprecher. Die Paul Group hat erst vor einigen Wochen ihr erstes „Mobility Hub“ in Passau eröffnet. Dort gibt es nicht nur konventionelle Kraftstoffe und Schnellladesäulen für Pkw und Lkw, sondern auch eine Wasserstoff-Tankstelle – und PV-Anlagen auf allen Dächern sowie einen stationären Batteriespeicher. Doch eine solche Tankstelle der Zukunft ist gar nicht das Kerngeschäft der Paul Group.

Vom elektrischen 7,5-Tonner bis zum schweren Betonmischer

„Wenn GP Joule die Henne ist, können wir die Eier liefern“, sagt Bernhard Wasner, Geschäftsführer der Paul Group. Zu der Holding gehören neben zwei Lkw-Händlern und Werkstätten auch Paul Nutzfahrzeuge, ein Unternehmen aus dem klassischen Sonderfahrzeugbau. „Wir bauen nicht nur Aufbauten auf ein Fahrgestell, sondern greifen tief in die Systeme des Lastwagens ein. Dabei konnten wir über die Jahre viel Knowhow im Fahrzeugbau aufbauen“, so Wasner. Das erste eMobility-Projekt war vor rund zehn Jahren ein Oberleitungs-Lkw, der gemeinsam mit Siemens gebaut wurde. Im Batterie-elektrischen Bereich ist die Beteiligung an dem 7,5-Tonner BAX zu nennen oder etwa ein rein elektrischer Mercedes-Benz Arocs als Fahrbetonmischer, der auf der vergangenen Bauma gemeinsam mit Daimler Truck ausgestellt wurde.

Das „Ei“ ist aber der Wasserstoff-Lkw PH2P Truck auf Basis eines Mercedes-Benz Atego mit 16 Tonnen. Die Idee ist im Gespräch mit Kunden entstanden, die einen Bedarf nach einem solchen Fahrzeug hatten. „Die Kunden wollten ein deutsches Fabrikat haben“ erzählt Wasner. Da die Paul Group über die Händler- und Werkstattsparte beste Kontakte zu Daimler Truck hat, konnte das Unternehmen den Atego als sogenannten Glider beziehen – also nur das Fahrzeug ohne den ganzen Diesel-Antriebsstrang. Zusammen mit den Partnern Shell und MaierKorduletsch sind inzwischen 25 PH2P bei Kunden rund um Passau unterwegs – und können am dortigen Mobility Hub den Wasserstoff beziehen.

Dass es zunächst ein Brennstoffzellen-elektrischer 16-Tonner für den Verteilverkehr geworden ist und kein schwerer Langstrecken-Lkw mit 40 Tonnen, erklärt Wasner mit seinem Blick auf das Henne-Ei-Problem: „Wir haben noch kein ausreichendes Tankstellennetz in Deutschland. Der Verteilverkehr ist in Deutschland kein kleiner Markt, ein Verteil-Lkw kann aber schon heute rund um eine Wasserstoff-Tankstelle betrieben werden, weil er eben nicht auf mehrere Tankstellen angewiesen ist.“

Paul hilft die Erfahrung aus dem Sonderfahrzeugbau

Während die Idee simpel und nachvollziehbar klingt, war es die Entwicklung an sich nicht. Über Daimler Truck gab es zwar Kabine und Fahrgestell, aber eben keinen Antrieb. Eine passende E-Achse mit 300 kW Leistung wurde bei Voith gefunden, die 70 kWh große Puffer-Batterie liefert Impact. Und bei der Brennstoffzelle setzt Paul auf ein bewährtes 80-kW-System von Toyota.

Fehlt nur eines: Richtig, das Tanksystem für den Wasserstoff. Hier gab es aber keine passenden Komponenten auf dem Markt. „Ein einziges Tanksystem hätten wir auftreiben können“, erinnert sich Wasner. „Aber ein System reicht nicht, wir haben 25 Stück gebraucht!“ Also wurde das Tanksystem in Zusammenarbeit mit Anleg selbst entwickelt. Die in Summe sechs Tanks können jeweils fünf Kilogramm Wasserstoff speichern – bei 350 bar. Und da man mit dem Atego auf ein bewährtes Fahrzeug als Basis setzt, sind auch weitere Varianten möglich. „Wir haben schon verschiedenste Aufbau-Konzepte erprobt, auch als Gliederzug mit Anhänger und 24 Tonnen. Es gibt auch einen Tiefkühlaufbau, der aus dem Bordnetz heraus mit Energie versorgt wird. Das kostet natürlich Reichweite, ist beim Diesel aber genauso“, sagt der Paul-Geschäftsführer.

Aber rechnet sich der Aufwand bei 25 Fahrzeugen, wenn man sogar noch das Tanksystem selbst entwickeln musste? „Wir sind gewohnt, Einzelstücke hochwertig und profitabel zu bauen“, sagt Wasner mit Blick auf den Sonderfahrzeugbau. „Hätten wir nur ein oder zwei Lkw gebaut, hätte das betriebswirtschaftlich sicher keinen Spaß gemacht. Da wir aber 25 Fahrzeuge auf einmal gebaut haben und weitere Aufträge folgen können, macht das Spaß.“

Und auch den Kunden könnte das Fahrzeug Spaß machen – es ist zwar rund um eine feste H2-Tankstelle für den Regionalverkehr konzipiert. Dennoch hat sich ein Team von Paul Nutzfahrzeuge ganz vom Südosten der Republik in Passau aufgemacht zum Testgelände Papenburg ganz im Nordwesten – immerhin 1.100 Kilometer. „Wenn man die Tankstopps vernünftig einplant, geht es heute schon“, berichtet Wasner.

Mit 25 Einheiten und mehreren Tankstopps auf 1.000 Kilometer wird sich Manfred Schuckert nicht zufrieden geben. Er ist Head of Automotive Regulatory Strategy – Commercial Vehicles bei Daimler Truck und ist so im Sinne seines Arbeitgebers daran interessiert, sowohl den Batterie-elektrischen eActros 600 als auch die spätere Serienversion des GenH2 Trucks zum Erfolg zu machen.

Auf die provokante Frage von electrive-Chefredakteur und Moderator Peter Schwierz, welche Veranstaltung denn nun wichtiger war – die Weltpremiere des BEV-Lkw für die Langstrecke oder die 1.000-Kilometer-Rekordfahrt mit Wasserstoff – hat Schuckert eine klare Antwort: der eActros 600. „Das war der Startpunkt für eine Serienproduktion! Der Hydrogen Record Run war ein Zeichen, dass die Technologie da ist, funktioniert und nicht ignoriert werden darf“, so Schuckert. „Aber kurzfristig ist die Batterie die Technologie, die 2024 in Produktion geht und dazu beitragen wird, die Ziele für 2025 zu erreichen.“

Auch ohne superschnelles Megawatt-Charging ist der Bedarf nach einem Batterie-elektrischen 40-Tonner da – 60 Prozent aller Lkw-Fahrten in Europa sind in der Regel kürzer als 500 Kilometer, können mit einer festen Ladestation im Depot – ähnlich der heimischen Wallbox beim E-Auto – also auch ohne die noch ausbaufähige, öffentliche Infrastruktur zurückgelegt werden. Doch auf der Langstrecke über 500 Kilometer räumt die Abteilung von Schuckert dem Wasserstoff größere Chancen ein als einer flächendeckenden MCS-Infrastruktur.

Daimler Truck setzt nach wie vor auf Flüssigwasserstoff

Der GenH2 Truck, der von Wörth nach Berlin unterwegs war, hatte ein Flüssigwasserstoff-System an Bord, während die meisten schweren Brennstoffzellen-Fahrzeuge derzeit eher die robustere 350-bar-Technologie nutzen. Mittelfristig setzt Daimler Truck aber bekanntlich auf die kryogene Alternative: „Flüssigwasserstoff ist sicher etwas, was in Zukunft kommen wird“, so Schuckert.

Die entscheidenden Vorteile des flüssigen Wasserstoffs LH2, der erst bei Temperaturen unter -253 Grad Celsius flüssig wird, sieht Daimler Truck nicht nur in der höheren Energiedichte im Fahrzeug und der schnelleren Betankung einer Flüssigkeit. „Wenn wir in der Großserie unterwegs sind, werden wir auf der Seite des komprimierten Wasserstoff eher Probleme sehen – das funktioniert bei regionalen Projekten zwar sehr gut. Im großen Maßstab werden wir bei Flüssigwasserstoff besser skalieren können“, glaubt der Daimler-Mann.

Sein Rechenbeispiel: Um in Deutschland genügend Strom für 100 Kilometer mit einem Batterie-elektrischen 40-Tonner zu erzeugen, bräuchte man etwa 170 Quadratmeter PV-Fläche. Um den Wasserstoff für 100 Kilometer in einem Brennstoffzellen-Lkw zu erzeugen, würde man 210 Quadratmeter PV-Fläche benötigen – allerdings steht diese im Mittleren Osten, um auf eine deutlich bessere Auslastung zu kommen. Und transportiert wird der Wasserstoff von dort eben in flüssiger Form – Schuckert geht von großen Mengen an importiertem Flüssig-Wasserstoff aus.

Erlebt der Verbrenner mit Wasserstoff eine Renaissance?

Die Speicherung im Fahrzeug bei jenen -253 Grad Celsius – im GenH2 Truck übrigens ohne aktive Kühlung geplant – sei „keine Raketenwissenschaft“. „Es hängt im Wesentlichen an der Technologie: -253 Grad sind möglich, es ist eher die Frage, wie gut wir isolieren. Wir sind mit vielen Partnern im Austausch, es wird da noch zahlreiche Entwicklungen und Verbesserungen geben“, so Schuckert.

Der so im Fahrzeug gespeicherte Flüssigwasserstoff kann übrigens nicht nur in einer Brennstoffzelle verwendet werden, auch wenn Daimler Truck im Joint Venture Cellcentric mit der Volvo Group eigene BZ-Systeme entwickelt und baut. Schuckert bringt auch den Wasserstoff-Verbrennungsmotor ins Gespräch. Die Verbrenner-Technologie sei den Kunden vertraut, außerdem sei man mit bekannten Materialien wie Stahl, Aluminium und Kunststoffen unterwegs – und nicht in einer „Rohstoff-Abhängigkeit“. Aber: Wasserstoff-Verbrenner haben einen deutlich geringeren Wirkungsgrad, benötigen also mehr vom teuren Wasserstoff, um die gleiche Strecke zu bewältigen. „Wasserstoff und vor allem der Wasserstoff-Verbrenner ist sehr sexy bei den Herstellungskosten“, so Schuckert. Bei den Betriebskosten aber eher weniger.

Ganz alleine mit dem Wasserstoff-Verbrenner steht Daimler Truck in der Branche übrigens nicht da, wie GP-Joule-Mann Duden in der anschließenden Panel-Diskussion berichtet. „Der Volkswagen-Konzern hatte das Thema zunächst zurückgestellt, aber zuletzt wieder mehr in den Fokus genommen. Wir sind auch in Gesprächen mit MAN – aber vor allem für einen Wasserstoff-Verbrenner“, erzählt Duden. „Es wird sich kein Hersteller erlauben können, das Thema Wasserstoff zu ignorieren – egal, wie sie ihn dann einsetzen.“

Ob 350 bar, 750 bar oder doch bei -253 Grad Celsius in flüssiger Form – bei der Art des Wasserstoffs ist GP Joule übrigens flexibel. „Wir sehen, dass sich die großen Hersteller in Richtung 700 bar bewegen. Daher werden wir auch die Tankstellen auf diese Entwicklung anpassen – auch wenn es im Moment noch deutlich aufwändiger ist, an der Tankstelle 700 bar Druck anzubieten“, sagt Duden. „Es gibt im Schwerlastbereich derzeit noch wenige verfügbare Serienfahrzeuge, daher gibt es auch im Moment noch wenige Wasserstoff-Tankstellen, die sich auf den Schwerlast-Fernverkehr fokussieren. Da bei den Fahrzeugen noch viel kommen wird, wird sich dann auch die Infrastruktur ändern.“

Bei der Paul Group hat alleine schon der höhere Preis von Wasserstoff mit 700 bar an der Tankstelle dafür gesorgt (rund zwei Euro Mehrkosten je Kilogramm), dass man sich derzeit mit 350 bar begnügt. Für die Zukunft ist Wasner aber offen: „Die Brennstoffzelle hat einen Eingangsdruck von zehn bar gasförmig. Auch Flüssigwasserstoff wird im Fahrzeug gasförmig verarbeitet. Somit ist es für uns nachrangig, welchen Tank wir einbauen – ab der Brennstoffzelle ist die Technologie gleich.“

Ein großes Unternehmen kann sich die parallele Entwicklung von Batterie-Lkw unterschiedlicher Größen, Brennstoffzellen-Fahrzeugen und auch dem Wasserstoff-Verbrenner zwar leisten, aber ohne die entsprechenden Umsätze aus dem heutigen Diesel-Geschäft auch nicht lange. „Der Kunde entscheidet“, sagt Daimler-Truck-Manager Schuckert. „Wenn wir wüssten, wofür sich der Kunde 2031 entscheidet, könnten wir die Zahl der Technologien vielleicht reduzieren. Diese Glaskugel haben wir aber nicht, daher bereiten wir uns vor.“

AFIR war „enttäuschend“

Der Kunde entscheidet – und vielleicht auch in Teilen die Politik. Mit den Plänen der Bundesregierung im Bereich Wasserstoff zeigt sich Schuckert sehr zufrieden, mit der Novelle der AFIR, also der Verordnung zu alternativen Kraftstoffen auf EU-Ebene, hingegen nicht – es fällt sogar das Wort „enttäuschend“. „Wir haben immer wieder angeführt, dass wir eine ausreichende Anzahl an Tankstellen brauchen – wir haben etwa 2.000 Tankstellen über Europa hinweg gefordert“, so Schuckert. „Die AFIR sieht aber nur rund 200 Tankstellen im TEN-T-Straßennetz vor. Das reicht nicht, da brauchen wir deutlich mehr. Einzelne Mitgliedsstaaten sehen das leider anders, die deutsche Bundesregierung geht aber zum Glück weiter und unterstützt sehr.“ Die Befürchtung: Deutsche Spediteure werden mit der Lkw-Maut und Steuer-finanzierten Förderungen zum teuren Umstieg auf emissionsfreie Lkw gebracht. Die Konkurrenz aus Osteuropa fährt aber weiterhin mit dem Diesel-Lkw über die A2 quer durch Deutschland, für das Klima und die Luftqualität ist also wenig getan. Die geplante Erhöhung der Lkw-Maut – noch bevor in der Maut bessergestellte Lastwagen mit geringem Schadstoffausstoß in Großserie auf dem Markt verfügbar sind – sei ein „leidiges Thema“, ist sich das Panel einig.

Dass die Fahrzeuge funktionieren, zeigen der PH2P Truck von Paul und auch die Wasserstoff-Rekordfahrt von Daimler Truck. Dass die regionale Versorgung klappt, zeigt GP Joule mit seiner eFarm und weiteren Projekten. Klar ist aber auch: Um die CO2-Ziele für den Straßengüterverkehr von -45 Prozent bis 2030 zu erreichen, ist deutlich mehr nötig. Wasner rechnet vor, dass man bei derzeit 800.000 Lkw in Deutschland mit mehr als 7,5 Tonnen dafür 360.000 Null-Emissionsfahrzeug bräuchte – in nur etwas mehr als sechs Jahren. Daimler-Manager Schuckert ergänzt: „Wenn wir das Ziel in Deutschland erfüllen wollen, müssen wir den CO2-Ausstoß von rund 50 Millionen auf 25 Millionen Tonnen drücken. Dabei muss der Großteil aus den Fahrzeugen stammen. Das bedeutet, dass der Anteil elektrisch betriebener Lkw am Neuwagen-Absatz im Jahr 2030 bei 80 Prozent liegen muss.“ Und weiter: „Wenn wir diese Menge an Fahrzeugen absetzen wollen, benötigen wir 2030 etwa 400.000 Tonnen grünen Wasserstoff. Das ist sehr, sehr viel.“

Da sauberer Strom aus der Sahara oder dem Mittleren Osten nicht wie Flüssigwasserstoff importiert werden oder wie lokal erzeugter, gasförmiger Wasserstoff gespeichert werden kann, sind sich alle drei Experten einig, dass sowohl der Batterie-elektrische Lkw als auch die Brennstoffzelle im Güterverkehr eine Zukunft haben. „Der Lkw-Kunde in sich ist sehr individuell, jeder hat andere Fahr-Einsätze – einen Kunden mit einem Tiefkühl-Lebensmitteltransport mache ich mit einem Batterie-Lkw nicht glücklich“, sagt etwa Paul-CEO Wasner. „Einer sollte nicht versuchen, den anderen auszustechen. Es ist auch kein Wettrennen, wir müssen gemeinsam die Verkehrswende schaffen!“, ergänzt GP-Joule-Manager Duden. „Im Schwerlastverkehr reden wir nicht nur vom Depotverkehr, sondern auch über Fahrzeuge, die Güter von Warschau nach Madrid transportieren oder eben auf nicht planbaren Routen unterwegs sind. Da wird der Wasserstoff eine wichtige Rolle spielen. Und es ist kein Entweder-Oder, wie es viele darstellen wollen, sondern ein Zusammenspiel von Brennstoffzelle und Batterie“, so Daimler-Truck-Experte Schuckert.

4 Kommentare

zu „electrive LIVE: Welche Rolle spielt die Brennstoffzelle im Straßengüterverkehr?“
Peter Kass
19.10.2023 um 23:59
Einige hängen ihr Fähnchen einfach in den Wind, solange jemand zahlt (Paul), die anderen halten fast schon verbissen am Wasserstoff fest. Dass die H2-Technik da ist, und funktioniert weiß man schon lange (wie zuverlässig in der Masse, wissen wir aber auch noch nicht) , da braucht man keine "Evangelisten". Aber dass das Thema Effizienz einer der Schlüssel für eine erfolgreiche Energiewende ist, wissen wir auch schon lange. Und wer daraus nicht seine Schlüsse ziehen kann, sollte einmal sein Brett vor dem Kopf oder die Scheuklappen abnehmen. Dass Wasserstoff für landgebundene Fahrzeuge nie mit den Batterie-elektrischen mithalten können werden, ist wohl auch klar. Sonst würde man nicht laut nach Förderungen schreien, die den Markt wohl soweit verzerren sollen, um mit den BEVs mithalten zu können. Dieses Geld geht aber für die Förderung effizienterer Technologien verloren - und gefährdet damit die Energiewende!
erFahrer
20.10.2023 um 15:32
Danke - sehr klar auf den Punkt gebracht. Schaut man sich die Unterstützung in diesem Bereich an finden sich bei H2 all die bekannten Namen der Öl und Gasindustrie. GP ist da ein ungewöhnlicher Paradiesvogel der jedoch gekonnt seine Körner aus dem großen Subventionstöpfchen zu picken versteht. Die größte Vorteil von H2 ist wohl weiterhin auf den Umstieg von Ölfreiheit zu vertrösten, was ja seit drei Jahrzehnten und etlichen Bundestagen wie geschmiert läuft.
Good - Better - Battery
01.11.2023 um 15:40
Ein schöner Bericht der konsequent die Nachteile des Wasserstoffs ausblendet und wichtige Informationen weg lässt. Dafür aber viel anekdotische Evidenz und der Bezug zu diversen Akteuren, die angeblich auf Wasserstoff setzen - social proof. Inhaltlich Note 6. Als Lehrstück für H2-Lobbygeschichten aber sehr schön, da hier das ein Mal eins des story basierten Lobbyings.Realität: Es gibt Supercharger, vorgeschriebene Pausen für die Fahrer - und Wechselakkus.
Beobachter
04.11.2023 um 13:31
Das Ganze ist ein(e) spannende(s) Wett(e)rennen. H2 wird sicher nicht günstiger, wenn er aus Middle-East herangekarrt werden muss + Verteilerverkehr, wenn die Subventionen wegfallen und man H2 auf 700 bar verdichtet oder verflüssigt, um mehr Energiedichte zu erreichen. Andererseits läuft das Rennen für die Batterie auch auf Hochtouren. Höhere Spannungen, höhere Energiedichten, Schnellladefähigkeit etc. Langfristig bekommen wir aber mit den Kartoffeln mehr Menschen satt als wenn wir daraus erst Schnitzel machen.

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