Flexiblere CO2-Flottenziele: EU-Kommission stellt offiziellen Änderungsantrag
Der „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates“, über den wir bereits vergangene Woche berichtet haben, ist nun offiziell von der EU-Kommission veröffentlicht worden. Ziel ist es, die CO2-Verordnung zu ändern und den Autoherstellern „zusätzliche Flexibilität“ bei der Einhaltung der „Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen und neue leichte Nutzfahrzeuge für die Kalenderjahre 2025 bis 2027“ zu bieten.
Im Wesentlichen bedeutet dies, dass die Automobilhersteller die CO2-Flottenziele in den Jahren 2025, 2026 und 2027 nicht mehr direkt im jeweiligen Jahr erreichen müssen – es soll vielmehr nun der Durchschnitt zählen. Das bedeutet, dass ein Autohersteller, der die CO2-Emissionsgrenzwerte in diesem Jahr deutlich unterschreitet, sie im nächsten Jahr überschreiten könnte – und umgekehrt. Nach Abschluss des Jahrs 2027 wird dann Bilanz gezogen – und Autohersteller, die ihr CO2-Flottenziel im Durchschnitt der drei Jahre erreicht haben, würden ohne Strafzahlung ausgehen. Bisher war das Schreckgespenst der Branche hingegen, direkt nach 2025 hohe Strafzahlungen leisten zu müssen, sollte das CO2-Flottenziel 2025 nicht erreicht werden.
Wortwörtlich heißt es dazu im Änderungsvorschlag der EU-Kommission: „Im Zeitraum 2025 bis 2027 sollten die Hersteller sicherstellen, dass die durchschnittlichen spezifischen CO2-Emissionen ihrer Fahrzeuge ein Emissionsziel nicht überschreiten, das als Durchschnitt ihrer jährlichen spezifischen Emissionsziele für den Zeitraum berechnet wird. Die Einhaltung der Zielvorgaben sollte am Ende des Dreijahreszeitraums für jeden einzelnen Hersteller bewertet werden. Die Aufschläge für Emissionsüberschreitung sollten entsprechend berechnet werden.“
Auch das CO2-Pooling mit anderen Herstellern soll weiterhin möglich sein: „Um die Pooling-Bestimmungen mit der zusätzlichen Flexibilität bei der Einhaltung der Ziele in den Jahren 2025 bis 2027 in Einklang zu bringen, sollte es möglich sein, für jedes dieser drei Jahre bis Ende 2027 Pooling-Vereinbarungen zu treffen“, heißt es in dem jetzt veröffentlichten 29-seitigen Dokument.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte diesen Schritt bereits Anfang März angekündigt: „Anstelle der jährlichen Einhaltung werden die Unternehmen drei Jahre bekommen – das ist das Prinzip der Banken und der Kreditaufnahme; die Ziele bleiben gleich; sie müssen die Ziele erfüllen.“
Kritik von NGOs
Die „Mittelwertbildung“ der CO2-Emissionen stößt aber auch auf Kritik. Die Umweltlobbygruppe Transport and Environment (T&E) argumentiert, dass die EU-Kommission „nicht repräsentative Verkaufsdaten aus dem Jahr 2024 verwendet hat, um für Flexibilitäten zu argumentieren“. Sie bezeichnet die vorgeschlagene Änderung als „Fehler“ und sagt, dass „sie vorgenommen wurde, obwohl die Verkäufe von batteriebetriebenen Elektroautos in Europa in den ersten beiden Monaten des Jahres um 28 Prozent gestiegen sind, während sich die Industrie darauf vorbereitete, das bestehende Ziel für 2025 einzuhalten.“ Mit anderen Worten: Während der Vorschlag den Autoherstellern helfen mag, da sie zunächst doch mehr Autos mit Verbrennungsmotoren verkaufen können, wird er der Verbreitung von Elektroautos schaden.
„Die Verkaufszahlen von E-Autos in diesem Jahr belegen: das CO2-Ziel für 2025 greift. Wer frühzeitig in Panik verfällt und mitten im Spiel die Regeln ändert, bestraft die Hersteller, die sich daran halten und rechtzeitig Milliarden investiert haben. Wenn sich Auto-CEOs über mangelnde Nachfrage beklagen, aber nur auf Gewinne mit hochpreisigen Verbrenner-SUVs setzen, sollten sie ihr Sortiment überdenken, nicht die CO2-Ziele“, sagt Sebastian Bock, Geschäftsführer von T&E Deutschland.
Neue Regelung verzögert Einhaltung der CO2-Ziele
Der International Council on Clean Transportation (ICCT) befürchtet, dass die Automobilhersteller dazu neigen dürften, die CO2-Ziele zu überschreiten, insbesondere wenn sie für einen längeren Zeitraum festgelegt werden. „Im Falle einer 3-Jahres-Durchschnittsbildung ist zu erwarten, dass die Hersteller ihre CO2-Ziele für 2025 überschreiten und dies erst 2026 oder sogar erst 2027 ausgleichen. Die Mittelwertbildung führt somit zu einer Verzögerung des CO2-Ziels für 2025“, so der ICCT.
Das Ergebnis? Laut ICCT führt „die Mittelwertbildung zu einer deutlichen Überschreitung der CO2-Emissionen“, da insbesondere im Jahr 2025 weniger Elektroautos neu zugelassen werden dürften. „Stattdessen werden mehr Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren und vergleichsweise hohen Emissionen zugelassen.“ Das ist langfristig von Bedeutung, da diese neuen Autos in Europa durchschnittlich 250.000 Kilometer auf der Straße bleiben, bevor sie ersetzt werden – und entsprechend so lange CO2 ausstoßen werden.
Dr. Peter Mock, Geschäftsführer des ICCT in Berlin , kritisiert gegenüber electrive: „Mit der Änderung gibt die Europäische Kommission übertriebenen Forderungen seitens Teilen der Automobilindustrie nach, ohne dass dies notwendig wäre. Der Anteil von Elektrofahrzeugen ist in Märkten wie Deutschland, Spanien und Italien im Vergleich zum Vorjahr um 40–70 Prozent gestiegen, und bereits im Februar waren die Hersteller nur noch 10 Gramm von ihren Zielen für 2025 entfernt.“
Noch handelt es sich bei dem Papier der EU-Kommission nur um einen Vorschlag. Sowohl das Europäische Parlament als auch der EU-Rat müssen noch grünes Licht geben, bevor er umgesetzt werden kann.
europa.eu (EU-Vorschlag als PDF), transportenvironment.org (T&E), theicct.org (ICCT), Statement Dr. Peter Mock per Mail
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