Bieter sollen bei Ausschreibung zu Lkw-Ladenetz mit Rückzug drohen

Die Ausschreibung zum Aufbau eines Lkw-Ladenetzes entlang deutscher Autobahnen droht laut einem Medienbericht zum Flop zu werden. Grund soll das vom Bund vorgeschriebene „Durchleitungsmodell“ sein, das Ladeparkbetreibern an ihren eigenen Lkw-Ladern mehr Stromanbieter-Wettbewerb beschert.

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Bild: Kempower

Wie das „Handelsblatt“ berichtet, beginnt noch diesen Monat die finale Ausschreibungsphase für das angekündigte initiale Lkw-Ladenetz, an dem im Vorfeld Unternehmen wie E.ON, Aral, Tesla und Shell ihr Interesse bekundet hatten. Doch offenbar könnten mehrere Bewerber abspringen. „Einzelne Ladenetzbetreiber drohen damit, sich ganz aus dem Bieterverfahren zurückzuziehen“, wird Decarbon1ze-Chef Knut Hechtfischer in dem Artikel zitiert. Grund soll das „Durchleitungsmodell“ sein, bei dem Lkw-Fahrer quasi ihren eigenen Stromvertrag mit an die Ladesäule bringen und so teures Roaming oder Ad-hoc-Laden umgehen können. In der von der NOW GmbH organisierten Ausschreibung ist diese Duldung fremder Stromanbieter an den eigenen Säulen eine fixe Vorgabe. Der Ansatz soll den freien Wettbewerb bei der Ladeinfrastruktur fördern, könnte aber den Standortbetrieb unattraktiver machen. Ob deshalb tatsächlich Interessenten abzuspringen drohen, wollte eine Sprecherin der NOW GmbH gegenüber dem „Handelsblatt“ unter Verweis auf das laufende Bieterverfahren nicht kommentieren.

Kurz zur Einordnung: Mitte September 2024 hatte der Bund offiziell die Ausschreibung zum Aufbau eines Lkw-Ladenetzes entlang deutscher Autobahnen veröffentlicht. Im ersten Schritt geht es dabei um Lkw-Ladeparks an rund 130 unbewirtschafteten Rastanlagen. Bis 2030 sollen aber insgesamt 350 vom Bund geförderte Standorte mit rund 4.200 Ladepunkten das initiale Lkw-Schnellladenetz bilden. Wichtig: Die bewirtschafteten Raststätten von Tank & Rast sind bei der ersten Ausschreibungsrunde des Lkw-Netzes außen vor. Das sind über 90 Prozent der in Deutschland bewirtschafteten Rastanlagen. Grund ist der (inzwischen beigelegte) Rechtsstreit zwischen Fastned und der Autobahn GmbH, durch den sich der Ausbau von HPC-Ladern für Pkw und Lkw an Autobahn-Raststätten bereits seit Jahren verzögert. Erst in einer späteren Ausschreibung will der Bund Lkw-Ladeparks an 220 bewirtschafteten Raststätten errichten lassen.

In vielerlei Hinsicht ähnelt die Ausschreibung für das Lkw-Ladenetz dabei dem Deutschlandnetz für Pkw. Es gibt verschiedene Lose und Suchräume. Ziel ist es, wirtschaftlich attraktive und weniger lukrative Standorte gleichermaßen abzudecken, um ein flächendeckendes Netz zu spannen. Aber: In der Ausschreibung für das initiale Lkw-Ladenetz ist erstmals in solch einer Vergaberunde das Durchleitungsmodell vorgeschrieben.

Dazu folgender Exkurs aus unserem Fachartikel über dieses Modell von unserem Autor Christoph M. Schwarzer: Für die Betreiber der Ladestationen, in der Branche meistens Charge Point Operator (CPO) genannt, müssen sich ihre Investitionen in den Standort amortisieren. Die Elektroautofahrer rechnen an den Säulen entweder direkt und registrierungsfrei (Ad-hoc) mit dem CPO ab. Oder mit einem Vertrag über die Electric Mobility Provider (EMP). Die EMP wiederum organisieren mit den CPOs das Roaming, also die Funktion einer App oder RFID-Karte in Deutschland sowie in Europa, und zahlen dafür Gebühren.

Dieses Konstrukt wird durch das so genannte Durchleitungsmodell erweitert und zugleich in Frage gestellt: Die Idee ist, dass Pkw- und Lkw-Fahrer mit ihrem eigenen Stromvertrag an jeden beliebigen Ladeplatz kommen können und der CPO dafür ein Entgelt erhält, statt die selbst beschaffte elektrische Energie zu verkaufen. Stichwort: Bring your own power. Kann das klappen? Dazu gibt es in Deutschland geteilte Meinungen.

Ein klares Ja kommt von Johannes Pallasch von der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur. Pallasch hat das Durchleitungsmodell im Zusammenhang mit der erwähnten Ausschreibung befürwortet. Denn aus Sicht des Bundes sind Bedingungen wichtig, die einen starken und fairen Wettbewerb gewährleisten. Lkw-Fahrer sollen daher als Alternative zur bisherigen Praxis an der Ladesäule mit selbst ausgehandelten Stromverträgen der Spedition laden können, und der CPO erhält ein fixes Infrastrukturentgelt. Die Höhe soll nicht ausgedacht oder willkürlich sein, sondern nachvollziehbar auf Basis der Kosten für die Vergabe dieser Standorte hergeleitet werden. Die Idee, an Ladepunkten die Infrastruktur getrennt von den Stromlieferungen anzubieten, soll der Bundesnetzagentur laut „Handelsblatt“ bereits vor drei Jahren gekommen sein.

Pro und Contra des Durchleitungsmodells haben wir in genanntem Fachartikel noch weiter ausdifferenziert. Auch Knut Hechtfischer, der nun vor „massenhaft Rückziehern“ in der Ausschreibung warnt, kommt darin zu Wort. Der Chef des Berliner Durchleitungsdienstleisters Decarbon1ze gilt als Vordenker des Prinzips. Und er sagte uns noch im April deutlich: „Der Staat muss es nicht vorschreiben. Das Durchleitungsmodell ist am Standort eines CPO ein zusätzliches Feature, das die Auslastung steigert. Und genau das führt dazu, dass die Betreiber mitmachen würden.“ Gegenüber dem „Handelsblatt“ ordnet Hechtfischer ein, dass die Marktöffnung die Strompreise an den Säulen um zehn bis 20 Prozent senken könne. In seinen Augen sträuben sich die CPOs nun auch deshalb so vehement, weil „sie fürchten, dass dieses Modell auch auf die Pkw-Ladesäulen überschwappt“.

Gegenwind sind die Initiatoren der Ausschreibung derweil gewohnt. Der Verein Inspire, dem Ladepunktbetreiber wie Ionity, Fastned, EWE Go und EnBW sowie Autohof-Betreiber angehören, hatte bereits im Frühjahr Beschwerde gegen das geplante Lkw-Ladenetz des Bundes bei der EU-Kommission eingereicht. Der Vorwurf: Deutschland verzerre den Wettbewerb – und schade damit der Elektromobilität.

handelsblatt.com

5 Kommentare

zu „Bieter sollen bei Ausschreibung zu Lkw-Ladenetz mit Rückzug drohen“
Nicole H.
02.09.2025 um 11:24
Mich würde hierzu die Meinung vom Elektrotrucker Tobias Wagner interessieren. Der kennt ja beide Seiten.
Schnaufti26
02.09.2025 um 11:38
Ich hoffe stark, dass sich auch ohne die prominentesten Ladeinfrastrukturbetreiber Unternehmen finden die das Durchleitungsmodell umsetzen. Bei der Ausschreibung des Deutschlandnetzes hat man gesehen, dass auch heute unbekanntere Unternehmen interessiert sind.
Eike
02.09.2025 um 12:19
Das Durchleitungsmodell ist Dummsinn. Das ist ja auch nur Roaming in neuen Kleidern. Noch dazu gehts (das verstehen viele nicht) ja nur darum seinen eigenen Strom mit zur Ladesäule zu bringen. Wir sprechen hier von 4-10 Cent pro kWh der ganze Rest (Netzengelte, Umlagen, Abgaben) und das Betreiberengelt bleiben gleich.Das ist ganz schon arrogant zu sagen, dass man seinen Strom deutlich besser einkauft als der CPO.Das stärkt in keinem Fall den Wettbewerb (und führt damit zu geringeren Preisen) sondern macht einfach nur den Markt (noch) komplizierter. Noch dazu macht das den Stromeinkauf der CPO komplett unkalkuliertbar.
Fischmeister
02.09.2025 um 17:58
Trotzdem ist es billiger als z.B. bei Ionity oder EnBW ein Abo abzuschließen und monatliche Gebühren zu zahlen um halbwegs erträgliche Preise zu bekommen. Selbst inkl. aller kosten bleibe ich bei meinem Strompreis unter den 0,39€. Ich hoffe das ganze kommt auch im PKW Sektor. Den nur Konkurenz belebt das Geschäft.
ioniqKnechter
02.09.2025 um 14:14
Ehy, Moin erst ma....Gegenüber dem „Handelsblatt“ ordnet Hechtfischer ein, dass die Marktöffnung die Strompreise an den Säulen um zehn bis 20 Prozent senken könne. In seinen Augen sträuben sich die CPOs nun auch deshalb so vehement, weil „sie fürchten, dass dieses Modell auch auf die Pkw-Ladesäulen überschwappt“..... Das sagt doch schon alles! .... Lieber weiterhin den Goldesel melken, als sich auf Innovationen einlassen.... Drohen und Lobby Arbeit werden auch dieses "Durchleitungsmodell" zum scheitern bringen.... Und was unternimmt die Bundesnetzagentur, das Bundeskartellamt, die ja dem Wirtschaftsministerium und somit Gas Kathi unterstehen?.... Aber, wenn ab 2027 ETS II in Kraft tritt, erschrocken feststellen, dass die Transportkosten erheblich steigen und um den Verbraucher zu entlasten, muss staatlich gefördert werden!.... Lieber ein Problem vor sich vor sich herschieben und hoffen, dass alles irgendwie gut geht..... Sind wir ja gewohnt von der CxU. Viel Versprechen, um dann genau das Gegenteil zu tun.

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