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Bild: Ampeco

ICCT: E-Autos bringen Autobauer nahe an CO2-Ziel

In dieser Woche diskutiert die EU darüber, das eigene CO2-Ziel für 2035 womöglich doch wieder aufzuweichen. Das ICCT hat in die Daten geschaut und sieht die Autobauer auf einem guten Weg, die CO2-Ziele für 2027 zu erreichen – dank des steigenden Absatzes von Elektroautos.

Die aktuelle Auswertung des International Council on Clean Transportation (ICCT) kommt zu einem brisanten Zeitpunkt. Einerseits hat die Organisation selbst entscheidend dazu beigetragen, dass vor genau zehn Jahren der Dieselgate-Skandal bei Volkswagen aufgeflogen ist – später wurden auch weitere Hersteller überführt, dass sie Abgaswerte auf Prüfständen manipuliert hatten. Das hat einen Umbruch in der gesamten Autobranche ausgelöst und die Entwicklung neuer Elektromodelle beschleunigt.

Andererseits ist die Studie auch im Jahr 2025 genau terminiert: Am 12. September kommen Politiker und Industrievertreter zum nächsten EU-Strategiedialog zur Zukunft der Autobranche zusammen. Dabei werden Teile der Branche und der Politik ich dafür einsetzen, die beschlossene Regelung, dass in der EU ab 2035 nur noch Neuwagen mit CO2-Emissionen von null Gramm pro Kilometer zugelassen werden können, ausgesetzt oder abgeändert wird – so fordert es in Deutschland etwa die Union und auch Mercedes-CEO und ACEA-Präsident Ola Källenius hat genau das kürzlich in einem offenen Brief an die EU-Kommission gefordert. Das hat zu einem weiteren offenen Brief geführt, in dem über 150 Manager aus der Elektromobilität die Kommission aufgefordert haben, standhaft zu bleiben – um nicht die Zukunft der europäischen Autoindustrie zu gefährden.

Dass Politiker, Lobbyisten und auch Manager gerne Fakten so darstellen, dass sie den eigenen Zielen dienen, ist nicht neu. So manche Äußerung der vergangenen Monate könnte aber den Eindruck hinterlassen, dass die europäische Autoindustrie mit dem strengen CO2-Ziel massiv gefährdet sei. Hierzu liefert das ICCT nun eine datenbasierte Marktanalyse, die die Autoindustrie nennenswerte Erfolge auf dem Weg zur Elektromobilität bescheinigt.

ICCT sieht Autoindustrie auf Kurs

„Unsere Analyse zeigt: Die Elektrifizierung in der EU ist nicht nur auf Kurs, sie nimmt sogar immer mehr Fahrt auf“, sagt Peter Mock, Geschäftsführer des ICCT Berlin. Die Autobauer seien „nur noch 9 Gramm von ihrem nächsten CO₂-Ziel für 2027 entfernt“. Und das bevorzugte Instrument, die CO2-Ziele termingerecht und passgenau zu erreichen, ist der Verkauf von Elektroautos – übererfüllen wollen die Hersteller die Ziele nicht. „In den großen Märkten ist die Verbreitung von Elektrofahrzeugen in Deutschland und Frankreich stark, in Italien und Spanien ist sie zuletzt gestiegen. Mehrere kleinere Märkte weisen besonders hohe Marktanteile von Elektrofahrzeugen auf“, heißt es in der Studie.

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Bild: ICCT

Eine der ersten Maßnahmen des EU-Strategiedialogs war es bekanntlich, die eigentlich festgezurrten CO2-Ziele zu flexibilisieren – anstatt die Ziele jedes Jahr genau erreichen zu müssen, wird für den Zeitraum von 2025 bis 2027 nur der Durchschnittswert betrachtet. So können Überschreitungen im Jahr 2025 durch niedrigere CO2-Flottenwerte in den Folgejahren ausgeglichen werden, ohne dass es Strafzahlungen zur Folge hätte. Dass die Hersteller im Schnitt jetzt nur neun Gramm über den Zielen liegen, ist vor allem auf den steigenden E-Auto-Absatz zurückzuführen. Und es seien genau jene EU-Standards, die zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes beitragen und technologische Innovationen fördern würden.

Die aktuellen Zahlen des ICCT kommen nicht überraschend, die Veröffentlichung zielt vor allem auf den EU-Strategiedialog ab. Denn schon die Halbjahresbilanz hat gezeigt, dass kein Hersteller Angst vor CO2-Strafzahlungen haben muss. Wie genau die Berechnung funktioniert und wie die deutschen Hersteller zum Halbjahr abgeschnitten haben, hat Christoph M. Schwarzer bereits im Juli ausführlich erklärt.

„Die Akzeptanz von Elektrofahrzeugen steigt rasant an. Von 80.000 produzierten Elektroautos im Jahr 2015 stieg die Produktion in der EU bis 2024 auf 2,35 Millionen“, so das ICCT. „Batterie-elektrische Autos haben in der ersten Hälfte des Jahres 2025 einen Marktanteil von 17 Prozent bei den Neuzulassungen in Europa.“

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Bild: ICCT

Und die Voraussetzungen für ein weiteres Wachstum sind gut. So wurden auf der IAA in dieser Woche nicht nur technisch sehr attraktive E-Autos und neue Plattformen vorgestellt (etwa der iX3 von BMW oder der elektrische GLC von Mercedes), sondern es sind auch zahlreiche günstigere E-Autos in Sicht, etwa die Kleinwagenfamilie des VW-Konzerns, der Leapmotor B05 aus China und BYD hat bestätigt, dass der Kleinwagen Dolphin Surf noch in diesem Jahr in Ungarn gebaut werden soll, womit die EU-Sonderzölle für den China-Import entfallen. Und die ICCT-Erhebung zeigt: Selbst ohne die IAA-Neuheiten, die größtenteils erst 2026 in den Verkauf gehen, ist die Auswahl bei Elektroautos unter 30.000 Euro zuletzt stark gestiegen.

Parallel wird die öffentliche Ladeinfrastruktur zügig ausgebaut, das ICCT spricht von EU-weit einer Million Ladepunkte mit Stand Juli 2025, „was einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von mehr als 45 Prozent seit 2020“ entspreche. Dazu kommt, dass die E-Autos auch für die Kunden finanziell immer attraktiver werden: „Batterieelektroautos sind mit 7,43 € pro 100 km bereits die günstigsten Fahrzeuge im Betrieb, verglichen mit 8,60 € für Diesel und 11,02 € für Benzin“, so das ICCT. Sinken dann noch die Anschaffungspreise, spricht rein finanziell schon heute nichts mehr gegen ein E-Auto. 2035 wird die Lage nochmals anders sein.

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Bild: ICCT

Dazu kommt: „Batterie-elektrische Autos werden schneller als erwartet umweltfreundlicher“, so Peter Mock. Anfang Juli hatte das ICCT in einer weiteren Studie schon gezeigt, dass der Klimavorteil von Elektroautos schneller wächst als bisher angenommen. Heute in Europa verkaufte Stromer verursachen über ihre Lebensdauer hinweg 73 Prozent weniger Treibhausgase als Benziner. Den CO2-Rucksack (vor allem aus der Batterie-Produktion) haben E-Autos mit ihrem deutlich saubereren (nicht CO2-freien) Betrieb schon nach 17.000 Kilometern aufgeholt – also je nach Fahrleistung im ersten oder zweiten Jahr. Ab dann ist das E-Auto bilanziell sauberer als der Benziner, Produktion hin oder her. Und das im Schnitt noch 18 Jahre lang. Wie genau sich die CO2-Emissionen der Batterieproduktion zusammensetzen, welche Potenziale es noch gibt und wie auch Kunden bei der Wahl ihres Elektroautos den CO2-Rucksack der Batterie beeinflussen können, hat die Unternehmensberatung P3 in einem Whitepaper genauer erläutert.

Ein Selbstläufer ist der weitere Erfolg der Elektromobilität noch nicht, darauf weist auch das ICCT hin. So erfordere der Aufbau der Batterieproduktion und der Lieferketten in Europa „konzertierte Anstrengungen von Regierungen und Industrie sowie das Vertrauen des Marktes“, wie es heißt. Genau deshalb müsse aber der Pfad der Elektromobilität forciert, nicht gebremst werden: „Weitere Verzögerungen bei der Umstellung auf Elektrofahrzeuge bergen das Risiko, Marktanteile in der Batterie- und Fahrzeugproduktion an globale Wettbewerber zu verlieren.“

theicct.org, spiegel.de

2 Kommentare

zu „ICCT: E-Autos bringen Autobauer nahe an CO2-Ziel“
Frank W.
11.09.2025 um 11:02
Bei den Berechnungen zur Wirtschaftlichkeit kommt es erheblich auf den Use-Case und Ladepreise an. Zusätzlich muss man ggf. den Preis für die Installation einer Wallbox berücksichtigen. Vergleicht man bspw. Klein- oder Kompaktfahrzeuge und ein Fahrprofil eher im Bereich Landstraße oder Autobahn, sind Ladepreise über 49ct€/kWh einfach nicht wettbewerbsfähig. Das ICCT sollte hier stärker differenzieren, was bringt der Vergleich anhand eines mittleren Fahrzeugs aus der Mittelklasse und der WLTP Angaben(?).
Jens Wilke
11.09.2025 um 12:00
Ich befürchte, dass diese Nachricht nicht den Weg in die größeren Nachrichtenportale finden wird. Es könnte ja aufzeigen, dass kein Aufweichen der bisherigen Ziele notwendig wäre.

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