EU-Autogipfel: Kommission gewinnt Zeit und liebäugelt mit Booster für kleine E-Autos
Die Neuauflage des „Strategischen Dialogs“ der EU-Kommission mit der europäischen Automobilindustrie endete mit einer aufgeschobenen Entscheidung. Das hatte sich vor dem Treffen am Freitag bereits abgezeichnet: Aus einem vorab bekanntgewordenen Konzeptpapier der EU-Kommission ging hervor, dass keine schnelle Abkehr vom Null-Emission-Ziel im Jahr 2035 zu erwarten ist und die Kommission das Ziel eines vollständigen Ausstiegs aus der Benzin- und Dieseltechnologie bis 2035 für „erreichbar“ hält. Teile der europäischen Autoindustrie drängen bekanntlich auf eine Aufweichung dieser Zielmarke.
Allerdings geht die EU-Kommission ein Stück auf die Branche zu. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen soll laut Medienberichten schon im Dezember den Dialog fortsetzen und dann die bisherige CO2-Regulierung auf den Prüfstand stellen wollen. Dies verlautete aus dem Umfeld der Beteiligten. Damit hätten die Industrievertreter erwirkt, dass die eigentlich für 2026 geplante Revision der CO2-Ziele schon 2025 beginnt.
Und: Die Kommission liebäugelt offenbar damit, einen Vorschlag zur Schaffung einer neuen Regulierungskategorie für kleine Elektroautos vorzulegen, die von einer niedrigeren Besteuerung profitieren und zusätzliche Gutschriften für die Erreichung der CO2-Reduktionsziele erhalten könnten.
Kurz zur Einordnung: Seit Monaten laufen viele Top-Manager und Lobbyisten insbesondere aus der deutschen Autoindustrie Sturm gegen die bereits 2022 verabschiedeten Pläne der EU, ab 2035 nur noch Neuwagen mit CO2-Emissionen von null Gramm pro Kilometer zuzulassen, was faktisch einem Verbot neuer Verbrenner-Fahrzeuge gleich käme. So forderte Mercedes-CEO und ACEA-Präsident Ola Källenius in einem Brief an von der Leyen jüngst, die EU müsse „ihre Politik an die heutigen Markt-, geopolitischen und wirtschaftlichen Realitäten anpassen – sonst riskiert sie, eine ihrer erfolgreichsten und weltweit wettbewerbsfähigsten Industrien zu gefährden“. Källenius forderte, dass Platz bleiben müsse für „(Plug-in-)Hybride, Reichweitenverlängerer, hocheffiziente Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, Wasserstoff und dekarbonisierte Kraftstoffe“. Es gibt aber auch andere Stimmen: Audi-Vorstandschef Gernot Döllner hält die Debatte für kontraproduktiv. Und auch Volvo spricht sich dafür aus, an der aktuellen Regulatorik festzuhalten.
In welchem Umfang die EU-Kommission zu Zugeständnissen bereit ist, bleibt zum aktuellen Zeitpunkt offen. Laut der „FAZ“ werden nun zunächst zwei Arbeitsgruppen ins Leben gerufen. Die erste beschäftigt sich mit der Frage, mit welchen Technologien und Kraftstoffen die EU das vorgesehene 2035er Ziel erreichen kann (Stichwort: Technologieoffenheit). Die zweite Arbeitsgruppe soll den oben erwähnten Vorschlag für kleine, günstige E-Autos ausarbeiten. Kern der Initiative sei, die Nachfrage nach kleinen Elektroautos aus der EU anzukurbeln. „Ein Ansatz dafür ist offenbar, dass kleine E-Autos bei der Anrechnung auf die CO2-Ziele einen Bonus erhalten“, schreibt die FAZ. „Dann könnten die Hersteller bis 2035 durch den Verkauf eines kleinen E-Autos den CO2-Ausstoß von im Extremfall mehreren anderen Autos mit Verbrennungsmotor ausgleichen.
Unterdessen hat das International Council on Clean Transportation (ICCT) mit Sitz in Berlin erst dieser Tage Studienergebnisse vorgelegt, wonach die Autobauer auf einem guten Weg sind, die CO2-Ziele für 2027 zu erreichen – dank des steigenden Absatzes von Elektroautos.
automobilwoche.de, faz.net, reuters.com
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