ZF streicht 7.600 Stellen in der Antriebssparte

Für die angeschlagene Division Elektrifizierte Antriebstechnologien haben sich ZF und die Arbeitnehmervertreter in langen Verhandlungen auf ein „Bündnis zur Neuaufstellung“ geeinigt. Ein Verkauf der Sparte ist vorerst vom Tisch, Standortschließungen auch – dennoch wird es harte Einschnitte geben.

zf vorstand mathias miedreich
Bild: ZF

Der erste Arbeitstag von Matthias Miedreich als Vorstandsvorsitzender von ZF hat es in sich: Nachdem sich das Unternehmen und die Arbeitnehmer Ende Juli – damals war Miedreich noch Chef der Divison E genannten Antriebssparte – auf einen „Fahrplan“ zur Restrukturierung geeinigt hatten, war bereits klar, dass bis Ende September über die konkreten Maßnahmen verhandelt wird, um die Sparte profitabler zu machen. Da Division-E-Vorstand Miedreich im September während der laufenden IAA zum neuen CEO ab Oktober berufen wurde und sein Vorgänger Holger Klein gehen musste, war bereits klar, dass der 1. Oktober 2025 nicht nur wegen des Chefwechsels in die Firmengeschichte eingehen wird.

Das „wegweisende Bündnis von ZF und Arbeitnehmern zur Restrukturierung der Division E“ hat die Neuaufstellung aus eigener Kraft zum Ziel, die Division soll „integraler Bestandteil von ZF“ bleiben, wie es in der Mitteilung heißt. Das war nicht in Stein gemeißelt, das Management hatte im Vorfeld mehrere Szenarien geprüft und durchgespielt, von einer Partnerschaft über einen Verkauf an Dritte bis hin zum Ramp-down, dem langsamen Auslaufen und Abwickeln des Geschäfts.

Doch um das zu erreichen, kommt es zu zahlreichen Einschnitten für das Unternehmen und die Belegschaft. Zwar bleibe das gemeinsame Ziel die Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen, so ZF, dennoch wird der Abbau von 7.600 Stellen in der Division E bis 2030 erwartet – frei werdende Stellen werden nicht mehr nachbesetzt und es soll ein Abfindungsprogramm geben. Und auch die Mitarbeitenden, die im Unternehmen bleiben, werden die Veränderung spüren: Die Wochenarbeitszeit wird um 7,5 Prozent (von 35 auf 32,5 Stunden) abgesenkt, auch tarifliche und betriebliche Beiträge sinken. Das so eingesparte Gehalt soll rechnerisch zum Stellenabbau dazuzählen, schreibt etwa die „WirtschaftsWoche“.

Division E trägt besonders zum Stellenabbau bei

Die im vergangenen Jahr schon kommunizierte Gesamtzahl von 14.000 Stellen, die in Deutschland bei ZF wegfallen sollen, bleibt unangetastet. Mit 7.600 Stellen wird aber jeder zweite gestrichene Job aus der Division E stammen, womit die Sparte überproportional zum Abbau beitragen wird. Das ist auch der wirtschaftlichen Lage geschuldet: Die Sparte hat Überkapazitäten beim Personal, da sich die Auftragslage in den vergangenen Jahren anders entwickelt hat als gedacht. Und die Aufträge, die das Management angenommen hat, um für eine Mindest-Auslastung zu sorgen, waren teilweise defizitär.

„Beschlossen ist die Restrukturierung der Division E aus eigener Kraft“, so das Unternehmen. „Dieser Schulterschluss sieht umfassende Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit vor, gepaart mit einer konsequenten unternehmerischen Aufstellung des Produktprogramms sowie einem transparenten neuen Weg hin zu möglichen Teilpartnerschaften („Ökosystem“).“

Wie diese „Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit“ aussehen können, wird vom Konzern ebenfalls erläutert. In einem ersten Schritt soll das bestehende Produktangebot fokussiert und weiterentwickelt werden – nicht profitable Produkte werden eingestellt. „Entwicklungstätigkeiten in den Produktgruppen On-Board Charger, Gleichspannungsrichter und elektrische Starrachsen (eBeam) werden eingestellt, während die Entwicklung innovativer Produkte wie dem ZF-Thermomanagementsystem TherMaS oder dem Plug-in-Hybridgetriebe 8HP evo konsequent vorangetrieben werden“, teilt ZF mit. Und: „Der Zukauf von Elektromotoren und Invertern wird von Unternehmen und Arbeitnehmervertretung neu bewertet.“

Noch nicht alles final ausgehandelt

Dieser Satz hat Brisanz, denn in den Verhandlungen hatte sich der Betriebsrat gegen den Zukauf von solchen Komponenten ausgesprochen. Aktuell hängen am Standort Schweinfurt viele Arbeitsplätze am E-Motor, in Auerbach an den Invertern. Würde ZF solche Teile künftig über die möglichen „Teilpartnerschaften“ von Dritten beziehen, wäre die Produktion in Schweinfurt und Auerbach angezählt. Allerdings wird der Zukauf dieser Teile derzeit noch „neu bewertet“, es ist also noch keine Entscheidung gefallen.

Im Sommer hatte ZF noch die neue E-Antriebs-Plattform SELECT vorgestellt. Über vordefinierte und aufeinander abgestimmte Komponenten, wie etwa verschiedene Elektromotoren, Inverter, Konverter, Reduziergetriebe und die zugehörigen Software-Bausteine sollen sich Kunden aus diesen Komponenten-Baukästen eine auf ihre Anforderungen passende Antriebslösung zusammenstellen können. Die Produktion der ersten Asynchron-Motoren für die SELECT-Plattform läuft bereits – in China.

In Deutschland wurden im Zuge der Verhandlungen auch unternehmensweite Maßnahmen zu sofort wirksamen Kosteneinsparungen vereinbart – sie treten nach erfolgter Zustimmung der zuständigen gewerkschaftlichen Gremien in Kraft. So soll unter anderem die für April 2026 vorgesehene tarifliche Entgelterhöhung von 3,1 Prozent auf Oktober 2026 verschoben werden; für außertariflich Beschäftigte entfällt die jährliche Entgeltüberprüfung. „Weiterhin werden tarifliche Bausteine in freie Zeit gewandelt bzw. entfallen in den kommenden Jahren. Für die Beschäftigten der Division E in Deutschland sowie an den Standorten Schweinfurt und Friedrichshafen im Betrieb Z (Verwaltung, Forschung und Entwicklung) wird die wöchentliche Arbeitszeit bis Ende 2027 um in der Regel rund 7 Prozent reduziert“, so das Unternehmen.

„Mit dem Bündnis beschreiten wir in der Industrie neue Wege und erreichen einen Meilenstein für ZF. Ziel ist, unsere Position als technologisch führender Top-Player im Markt langfristig zu stärken und unsere Wettbewerbsfähigkeit deutlich zu steigern“, sagt CEO Miedreich. „Uns ist bewusst, dass der Weg dorthin mit harten Einschnitten für unsere Mitarbeitenden einhergeht. Nun gilt es, zum Wohl des Unternehmens diese schweren Zeiten gemeinsam zu meistern. Wir haben mit dem Bündnis die richtigen Weichen gestellt.“

Barbara Resch, Bezirksleiterin der IG Metall Baden-Württemberg und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende von ZF, ergänzt: „Mit diesem Bündnis ist es uns gelungen, eine klare Perspektive zu schaffen. Als Arbeitnehmerseite haben wir Zugeständnisse gemacht, das stimmt. Dafür erwarten wir jetzt, dass ZF als Beschäftigungsmotor und Garant für gute Arbeitsbedingungen zukunftsfest aufgestellt wird. Daran werden wir ZF messen.“

Und Achim Dietrich, der Vorsitzende des ZF-Gesamtbetriebsrats, hebt trotz der beschlossenen Einschnitte die Verhandlungserfolge hervor: „Uns war wichtig, dass der Pkw-Antrieb – das Herzstück unseres Unternehmens – auch weiterhin eine Zukunft bei ZF hat und die Ausgliederung der Division E vom Tisch ist. Dieses Bündnis betrachten wir auch als Signal über ZF hinaus, dass Technologien und Produkte ‚Made in Germany‘ eine gute Perspektive haben. Unser gemeinsames Ziel ist, dass ZF wieder selbstbewusst auftritt, motivierte Beschäftigte an innovativen Produkten arbeiten und wir technologisch an der Spitze stehen.“

zf.com, wiwo.de

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